Ethikrat zum Corona-Immunitätsausweis

Um eine klare Stellungnahme gedrückt

07:05 Minuten
Alena Buyx präsentiert als Vorsitzende des Deutschen Ethikrats bei der Bundespressekonferenz dessen Stellungnahme zu den in der Covid-19-Pandemie diskutierten Immunitätsbescheinigungen.
Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, stellte dessen Haltung zu einer Immunitätsbescheinigung vor. © imago images / Jürgen Heinrich
Elisabeth Niejahr im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
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Der Deutsche Ethikrat rät derzeit von einem Corona-Immunitätsnachweis ab. Die medizinischen Erkenntnisse reichten dafür noch nicht aus. Frustrierend, findet Elisabeth Niejahr von der Hertie-Stiftung. Der Ethikrat habe seinen Job nicht gemacht.
Wer ist nach einer Covid-19-Erkrankung immun, wer nicht? Und wie lange? Diese Fragen kann die Wissenschaft momentan noch nicht sicher beantworten. Deshalb erteilt der Deutsche Ethikrat einem Immunitäts-Pass ein vorläufiges Nein. Um eine entsprechende Stellungnahme hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im April gebeten. Seine ursprüngliche Idee: Immune Menschen könnten ihren Beruf, beispielsweise im Gesundheitswesen, besser ausüben. Doch Spahn sah sich vor allem mit der Kritik konfrontiert, ein solcher Ausweis führe womöglich zu einer Zweiklassen-Gesellschaft.

Eher eine medizinische als eine ethische Bewertung

Elisabeth Niejahr, Geschäftsführerin der Hertie-Stiftung, kritisiert die Haltung des Ethikrats:
"Ich glaube, dass es einige große ethische Fragen rund um Corona gibt, und es ist schade, dass der Ethikrat sich dann nicht eine andere genommen hat, nachdem er sagte, das mit der Immunität kann man in Wahrheit noch gar nicht beantworten. Die haben jetzt eher eine medizinische als eine ethische Bewertung vorgenommen und da finde ich, haben sie ihren Job nicht gemacht."
Elisabeth Niejahr im Porträt
Die langjährige Wirtschaftsjournalistin Elisabeth Niejahr ist jetzt Geschäftsführerin der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. © Anatol Kotte
Doch was, wenn die Wissenschaft demnächst über gesicherte Erkenntnisse verfügen sollte? In dem Fall zeigten sich die 26 Sachverständigen gespalten. Auch das sei "keine Lösung", sagt Niejahr. "Ich glaube, dass die Gefahr der Entsolidarisierung – angenommen, es gäbe diese Immunität – schon besteht, aber dass man dann ein Solidaritätsgefühl auf andere Weise unterstützen, herstellen sollte." Der Prozess lasse sich ohnehin nicht stoppen, dass Menschen herausfinden wollten, ob sie immun seien oder nicht.

Falsches Mandat für den Ethikrat

Nach Ansicht der langjährigen Wirtschaftsjournalistin war das Mandat des Ethikrats falsch. Ein konkreter Immunitätsausweis sei ein politisches Instrument, über das Spahn oder andere entscheiden könnten. Etwas Anderes aber sei das dahinter liegende Problem. Insofern hätten die Sachverständigen das Mandat umwidmen sollen, so Niejahr, die selbst einen Immunitäts-Pass grundsätzlich für machbar hält. Ihr Fazit: "Ich fand das Ergebnis sehr frustrierend. Sie haben sich in einer ethisch anspruchsvollen Situation um eine klare Stellungnahme herumgedrückt. Dafür werden sie nicht gebraucht."
(bth)

Elisabeth Niejahr ist Geschäftsführerin der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Zuvor war sie Chefreporterin der "Wirtschaftswoche" und Hauptstadtkorrespondentin der Wochenzeitung "Die Zeit". Niejahr studierte Volkswirtschaft in Köln und Washington und wurde an der Kölner Schule für Wirtschaftsjournalisten ausgebildet. Sie schreibt vor allem über Demografie, Arbeit, Gender und Fragen der politischen Kultur.


Im Gespräch erklärt Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, ihre Position: "Mit Blick auf die Immunität ist die Sachlage wirklich sehr unsicher. Wir wissen einfach noch nicht, wie lange Immunität besteht, wie stabil diese Immunität ist und wie man sie tatsächlich auch am besten nachweist. Da müssen wir noch dazulernen." Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge:
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