Ethische Standards fürs Kultursponsoring?
Kunst und Kultur leben auch von Geldern, die in der Atom- oder Rüstungsindustrie verdient wurden. Gabriela Schulz, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats, gesteht, dass ethische Standards beim Kultursponsoring bisher keine Rolle spielten: Man müsse aber darüber nachdenken.
Klaus Pokatzky: Darf man bei einer Lesung mitmachen, die vom Energiekonzern Vattenfall gesponsert wird und trotzdem für einen Atomausstieg sein? Das hat kürzlich die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gefragt. Denn Vattenfall, der Konzern, der ja auch Atomstrom anbietet, noch jedenfalls, ist ein Sponsor etwa von Hamburger Literaturtagen. Gabriele Schulz ist stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats – willkommen im Studio!
Gabriele Schulz: Schönen guten Tag!
Pokatzky: Frau Schulz, darf man bei einer Lesung mitmachen, die vom Energiekonzern Vattenfall gesponsert wird und trotzdem für einen Atomausstieg sein?
Schulz: Selbstverständlich darf man das, meines Erachtens jedenfalls. Das eine ist die private Ansicht, die jeder haben kann, ob er für Atomkraft ist oder gegen Atomkraft ist. Das andere ist sicherlich eine Frage, wie die Institution, die die Lesung veranstaltet, sich finanziert. Und da ist ein Aspekt das Kultursponsoring, was sicherlich unter vielerlei Gesichtspunkten verdient betrachtet zu werden.
Pokatzky: Ja, dann anders gefragt: Muss man möglicherweise bei einer Lesung mitmachen, die vom Energiekonzern Vattenfall gesponsert wird, wenn man selber für den Atomausstieg ist?
Schulz: Ich würde es in zwei Teilen beantworten. Es kann sein, dass man es machen muss, weil man in irgendeiner Hinsicht seine Brötchen verdienen muss. Das heißt, als Autor ist man sicherlich auch darauf angewiesen, dass man Lesungen veranstaltet, weil man von den Erträgen seiner Buchverkäufe in der Regel nicht leben kann. Insofern muss man sicherlich teilweise auch bei Lesungen mitmachen, wo man vielleicht auch Bauchschmerzen hat, weil der Sponsor beispielsweise Atomstrom produziert oder vielleicht, man könnte sich noch was Schlimmeres vorstellen, vielleicht ein Waffenproduzent ist.
Auf der anderen Seite ist es schon so, dass auch viele Institutionen darauf angewiesen sind, mit Sponsoren zusammenzuarbeiten, weil sie ansonsten überhaupt gar nicht ihre Arbeit leisten könnten. Dennoch muss man sagen, dass das Sponsoring vielfach überschätzt wird. Es macht nur einen ganz, ganz kleinen Teil überhaupt des Budgets aus, wenn man sich die Kulturfinanzierung insgesamt betrachtet.
Pokatzky: Könnten wir all die Literaturfestivals, die Theaterfestivals und was es sonst noch gibt an Fülle von Literaturpreisen, könnten wir die ohne Sponsoren denn überhaupt heute noch so machen? Wir haben uns heute zu Beginn der Sendung auseinandergesetzt mit der Longlist des Deutschen Buchpreises, veranstaltet vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dort sponsert die Frankfurter Stadtsparkasse. Überall haben wir sie doch.
Schulz: Ja, es sind ja schon unterschiedliche Sponsoren. Also, wenn man sich die Sparkassen anschaut, bei denen ist es ja auch vorgegeben, dass sie einen Teil praktisch für gemeinnützige Zwecke im Bereich der Kultur oder auch im Bereich der Bildung oder Umwelt ausgeben. Das ist, finde ich, schon ein Unterschied, ob eine Sparkasse etwas unterstützt oder ob es sich um ein Sponsoring von einem Unternehmen handelt. Wenn man …
Pokatzky: Das heißt, es gibt – wenn ich da unterbrechen darf – es gibt sozusagen rein gute und potenzielle böse oder zumindest zweifelhafte Sponsoren?
Schulz: So würde ich das nicht sehen, sondern es gibt einfach Institutionen wie Sparkassen, die praktisch auch den Auftrag haben, unter anderem Kultur zu fördern, und zum anderen gibt es Unternehmen. Die Unternehmen machen ja dieses Sponsoring nicht weil sie besonders kulturinteressiert sind, sondern Sponsoring ist eine Wirtschaftsangelegenheit. Das heißt, sie kaufen sich damit Öffentlichkeit.
Das ist auch praktisch halt, wenn man es in steuerrechtlicher Hinsicht betrachtet, was ganz anderes als eine Spende, sondern Sponsoring sind Betriebsausgaben. Das heißt, das wird auch im Unternehmen ganz anders verbucht.
Das Unternehmen bekommt als Gegenleistung Öffentlichkeit, ein bestimmtes Image, ein positives Image. Insofern sollte man schon unterscheiden, ob es sich um Zuwendungen von einer Sparkasse beispielsweise handelt oder einer Stiftung beispielsweise handelt, oder ob ein Unternehmen Sponsoring betreibt. Das sind schon sozusagen zwei verschiedene Kategorien, die aber nicht unter moralischen Gesichtspunkten jetzt verschieden betrachtet werden sollten, sondern auch vom Ansatz her unterschiedlich sind.
Pokatzky: Aber dem einzelnen Künstler oder Schriftsteller wird es doch relativ egal sein, auf welchem Konto das Unternehmen das verbucht. Der Schriftsteller Ingo Schulze hat sich vor einigen Jahren fürchterlich darüber aufgeregt, als er einen Literaturpreis in Thüringen bekommen sollte, der eben finanziert, gesponsert wurde wieder von E.ON, dass überall, wo irgendetwas gemacht wird, sofort im Programm sieben oder acht verschiedene Konzerne drin stehen.
Schulz: Ja, ich denke, das liegt aber vor allem daran, dass die öffentliche Hand sich teilweise gerade von solchen Preisen oder Festivals zurückgezogen hat oder so etwas überhaupt gar nicht finanziert hat, sondern die Initiatoren gleich auf private Zuwendungen angewiesen waren oder auch noch nach wie vor sind und von daher dann auch sozusagen, die sich, in ganz besonderer Weise auch, in den Programmheften wiedersehen wollen, weil das ist natürlich der Imagegewinn dann beziehungsweise das ist der Transfer, der geleistet wird, dass das Logo auch in entsprechender Weise abgedruckt wird.
Pokatzky: Sagt Gabriele Schulz, die stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates zum Sponsoring von Großkonzernen. Frau Schulz, wenn jetzt Unternehmen sagen würden, okay, was der Ingo Schulze sagt, in Ordnung, wir zahlen jetzt überhaupt gar nichts mehr. Die verbünden sich sozusagen, schließen sich gegen die deutsche Kulturlandschaft zusammen. Was würde da wegfallen?
Schulz: Also, ich kann mir schon vorstellen, dass die ein oder andere Ausstellung nicht mehr in der Art und Weise stattfinden könnte, weil es ist gerade so, dass etwas größer dimensionierte Vorhaben, also wenn man eine besondere Aufführung machen möchte, eine besondere Ausstellung oder auch durchaus ein besonderes Festival, dass das dann nicht mehr stattfinden würde. Weil man muss sagen, das Sponsoring ist die Sahnehaube obendrauf. Die öffentliche Finanzierung versucht noch sozusagen das Grundgerüst zu halten und dass praktisch halt dann, wenn etwas Besonderes stattfindet, dass das durch das Sponsoring dann versucht wird einzuwerben. Dieses Sahnehäubchen würde wegfallen.
Pokatzky: Nun gucken ja nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima Menschen in Deutschland, Kunstschaffende, Kulturschaffende in Deutschland zunehmend kritisch darauf, wer dort sponsert, und wollen – wir leben ja nun mal in Zeiten, wo wir uns von der Atomenergie verabschiedet haben – wollen von Konzernen, die auch Geld mit Atomstrom verdienen, kein Geld mehr haben. Wie wird sich das entwickeln?
Schulz: Ich glaube, dass manchmal die Not einen vielleicht auch dann doch wieder zu solchen Konzernen treiben wird. Ich glaube, es ist erst mal – E.ON ist nach vorne geprescht, haben gesagt, wir werden 11.000 Stellen abbauen, sie haben gesagt, wir müssen alles, auch was wir an Sponsoring und weiteren Sachen machen, auf den Prüfstand stellen. Ich gehe davon aus, dass das bei den anderen großen Konzernen wie RWE eher nicht sein wird. Das ist jetzt einer mal nach vorne gegangen, die anderen werden sicherlich auch solche Überlegungen anstellen.
Es ist ja auch ansonsten nichts Neues. Wenn ich daran denke, im Jahr 2008, in der massiven Wirtschafts- und Finanzkrise gab es durchaus auch von vielen anderen Unternehmen die Signale, wenn wir jetzt möglicherweise Mitarbeiter entlassen müssen, wenn wir jetzt an bestimmten Sozialleistungen einsparen müssen, dann werden wir uns das Sponsoring eben nicht mehr leisten können.
Das heißt also sozusagen, die Veränderung, die bei den Stromkonzernen stattfindet, ist kein Einzelfall, sondern das ist durchaus etwas, was bei Unternehmen sehr häufig vorkommt. Und das ist auch sozusagen das Grundproblem bei dem Kultursponsoring, dass es eben keine langfristige Sicherung ist, sondern es ist eben teilweise von Projekt zu Projekt eine sehr unsichere Finanzierungsform.
Pokatzky: Aber noch mal, um auf diese ethischen Probleme, die viele dann eben haben, wenn es um Atomstrom geht: Glauben Sie, dass das jetzt nur so eine kurzfristige Welle ist, wo wir alle natürlich unmittelbar nach der Katastrophe in Fukushima dahin geguckt haben, dass das wieder verebben wird?
Schulz: Das ist schwer nachzuvollziehen, weil ich glaube, das wird sich in der nächsten Zeit zeigen, wie schnell der Umschwung tatsächlich passieren wird, wie sich auch die Unternehmen positionieren. Es gibt ja einige Energiekonzerne, die ja auch schon versucht haben sozusagen, sich ein anderes Mäntelchen anzuziehen …
Pokatzky: Ein grünes Mäntelchen, genau.
Schulz: … und den Atomstrom ein bisschen in den Hintergrund zu schieben.
Pokatzky: Also als die ethisch Sauberen dazustehen.
Schulz: Ganz genau.
Pokatzky: Gibt es überhaupt beim Sponsoring ethische Standards, so Kategorien, wo wir sagen, von dem nehmen wir auf keinen Fall Geld?
Schulz: Ich glaube, das muss jede Institution selber entscheiden oder wird sicherlich jede Institution selber entscheiden. Mir ist zum Beispiel nicht bekannt, dass es Sponsoring, Kultursponsoring von Waffenkonzernen gibt, also ich zumindest kenne es nicht, dass KraussMaffei mal ein großes Festival gesponsert hätte. Ich glaube, da sind wirklich schon massive Berührungsängste vorhanden. Wenn man sich …
Pokatzky: Aber gegenüber Krupp, der Krupp-Stiftung nicht …
Schulz: Der Krupp-Stiftung nicht …
Pokatzky: … und wenn jemand mal eine Waffenschmiede in Deutschland war, war es Krupp.
Schulz: Ja, oder wenn man sich beispielsweise auch mal die Stiftungen anschaut, wie sie ihr Geld verdient haben. Gucken Sie sich die Quandt-Stiftung an, eine Stiftung, deren Kapital ja nun auch nicht unbedingt auf so ehrenwerte Weise einmal zustande gekommen ist, welches jetzt aber in saubere Form in die Stiftung überführt wurde.
Pokatzky: Also sollte der Kulturrat nicht mal solche ethischen Standards entwickeln?
Schulz: Es ist schon so, dass wir mit Blick auf das Thema Stiftungen das durchaus reflektieren, dass man praktisch auch noch mal näher hinschaut, wo Kapital herkommt – das ist ein schwieriges Thema. Und auch beim Thema Kultursponsoring, das wird bei uns durchaus in den Gremien öfter einmal angesprochen. Über ethische Standards haben wir bislang noch nicht nachgedacht, aber es ist eine gute Anregung, das werde ich gerne mitnehmen.
Pokatzky: Und dann sitzen Sie in einem Jahr wieder hier und wir reden darüber, was daraus geworden ist. Gabriele Schulz, die stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats, vielen Dank, dass Sie hier waren!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Gabriele Schulz: Schönen guten Tag!
Pokatzky: Frau Schulz, darf man bei einer Lesung mitmachen, die vom Energiekonzern Vattenfall gesponsert wird und trotzdem für einen Atomausstieg sein?
Schulz: Selbstverständlich darf man das, meines Erachtens jedenfalls. Das eine ist die private Ansicht, die jeder haben kann, ob er für Atomkraft ist oder gegen Atomkraft ist. Das andere ist sicherlich eine Frage, wie die Institution, die die Lesung veranstaltet, sich finanziert. Und da ist ein Aspekt das Kultursponsoring, was sicherlich unter vielerlei Gesichtspunkten verdient betrachtet zu werden.
Pokatzky: Ja, dann anders gefragt: Muss man möglicherweise bei einer Lesung mitmachen, die vom Energiekonzern Vattenfall gesponsert wird, wenn man selber für den Atomausstieg ist?
Schulz: Ich würde es in zwei Teilen beantworten. Es kann sein, dass man es machen muss, weil man in irgendeiner Hinsicht seine Brötchen verdienen muss. Das heißt, als Autor ist man sicherlich auch darauf angewiesen, dass man Lesungen veranstaltet, weil man von den Erträgen seiner Buchverkäufe in der Regel nicht leben kann. Insofern muss man sicherlich teilweise auch bei Lesungen mitmachen, wo man vielleicht auch Bauchschmerzen hat, weil der Sponsor beispielsweise Atomstrom produziert oder vielleicht, man könnte sich noch was Schlimmeres vorstellen, vielleicht ein Waffenproduzent ist.
Auf der anderen Seite ist es schon so, dass auch viele Institutionen darauf angewiesen sind, mit Sponsoren zusammenzuarbeiten, weil sie ansonsten überhaupt gar nicht ihre Arbeit leisten könnten. Dennoch muss man sagen, dass das Sponsoring vielfach überschätzt wird. Es macht nur einen ganz, ganz kleinen Teil überhaupt des Budgets aus, wenn man sich die Kulturfinanzierung insgesamt betrachtet.
Pokatzky: Könnten wir all die Literaturfestivals, die Theaterfestivals und was es sonst noch gibt an Fülle von Literaturpreisen, könnten wir die ohne Sponsoren denn überhaupt heute noch so machen? Wir haben uns heute zu Beginn der Sendung auseinandergesetzt mit der Longlist des Deutschen Buchpreises, veranstaltet vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dort sponsert die Frankfurter Stadtsparkasse. Überall haben wir sie doch.
Schulz: Ja, es sind ja schon unterschiedliche Sponsoren. Also, wenn man sich die Sparkassen anschaut, bei denen ist es ja auch vorgegeben, dass sie einen Teil praktisch für gemeinnützige Zwecke im Bereich der Kultur oder auch im Bereich der Bildung oder Umwelt ausgeben. Das ist, finde ich, schon ein Unterschied, ob eine Sparkasse etwas unterstützt oder ob es sich um ein Sponsoring von einem Unternehmen handelt. Wenn man …
Pokatzky: Das heißt, es gibt – wenn ich da unterbrechen darf – es gibt sozusagen rein gute und potenzielle böse oder zumindest zweifelhafte Sponsoren?
Schulz: So würde ich das nicht sehen, sondern es gibt einfach Institutionen wie Sparkassen, die praktisch auch den Auftrag haben, unter anderem Kultur zu fördern, und zum anderen gibt es Unternehmen. Die Unternehmen machen ja dieses Sponsoring nicht weil sie besonders kulturinteressiert sind, sondern Sponsoring ist eine Wirtschaftsangelegenheit. Das heißt, sie kaufen sich damit Öffentlichkeit.
Das ist auch praktisch halt, wenn man es in steuerrechtlicher Hinsicht betrachtet, was ganz anderes als eine Spende, sondern Sponsoring sind Betriebsausgaben. Das heißt, das wird auch im Unternehmen ganz anders verbucht.
Das Unternehmen bekommt als Gegenleistung Öffentlichkeit, ein bestimmtes Image, ein positives Image. Insofern sollte man schon unterscheiden, ob es sich um Zuwendungen von einer Sparkasse beispielsweise handelt oder einer Stiftung beispielsweise handelt, oder ob ein Unternehmen Sponsoring betreibt. Das sind schon sozusagen zwei verschiedene Kategorien, die aber nicht unter moralischen Gesichtspunkten jetzt verschieden betrachtet werden sollten, sondern auch vom Ansatz her unterschiedlich sind.
Pokatzky: Aber dem einzelnen Künstler oder Schriftsteller wird es doch relativ egal sein, auf welchem Konto das Unternehmen das verbucht. Der Schriftsteller Ingo Schulze hat sich vor einigen Jahren fürchterlich darüber aufgeregt, als er einen Literaturpreis in Thüringen bekommen sollte, der eben finanziert, gesponsert wurde wieder von E.ON, dass überall, wo irgendetwas gemacht wird, sofort im Programm sieben oder acht verschiedene Konzerne drin stehen.
Schulz: Ja, ich denke, das liegt aber vor allem daran, dass die öffentliche Hand sich teilweise gerade von solchen Preisen oder Festivals zurückgezogen hat oder so etwas überhaupt gar nicht finanziert hat, sondern die Initiatoren gleich auf private Zuwendungen angewiesen waren oder auch noch nach wie vor sind und von daher dann auch sozusagen, die sich, in ganz besonderer Weise auch, in den Programmheften wiedersehen wollen, weil das ist natürlich der Imagegewinn dann beziehungsweise das ist der Transfer, der geleistet wird, dass das Logo auch in entsprechender Weise abgedruckt wird.
Pokatzky: Sagt Gabriele Schulz, die stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates zum Sponsoring von Großkonzernen. Frau Schulz, wenn jetzt Unternehmen sagen würden, okay, was der Ingo Schulze sagt, in Ordnung, wir zahlen jetzt überhaupt gar nichts mehr. Die verbünden sich sozusagen, schließen sich gegen die deutsche Kulturlandschaft zusammen. Was würde da wegfallen?
Schulz: Also, ich kann mir schon vorstellen, dass die ein oder andere Ausstellung nicht mehr in der Art und Weise stattfinden könnte, weil es ist gerade so, dass etwas größer dimensionierte Vorhaben, also wenn man eine besondere Aufführung machen möchte, eine besondere Ausstellung oder auch durchaus ein besonderes Festival, dass das dann nicht mehr stattfinden würde. Weil man muss sagen, das Sponsoring ist die Sahnehaube obendrauf. Die öffentliche Finanzierung versucht noch sozusagen das Grundgerüst zu halten und dass praktisch halt dann, wenn etwas Besonderes stattfindet, dass das durch das Sponsoring dann versucht wird einzuwerben. Dieses Sahnehäubchen würde wegfallen.
Pokatzky: Nun gucken ja nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima Menschen in Deutschland, Kunstschaffende, Kulturschaffende in Deutschland zunehmend kritisch darauf, wer dort sponsert, und wollen – wir leben ja nun mal in Zeiten, wo wir uns von der Atomenergie verabschiedet haben – wollen von Konzernen, die auch Geld mit Atomstrom verdienen, kein Geld mehr haben. Wie wird sich das entwickeln?
Schulz: Ich glaube, dass manchmal die Not einen vielleicht auch dann doch wieder zu solchen Konzernen treiben wird. Ich glaube, es ist erst mal – E.ON ist nach vorne geprescht, haben gesagt, wir werden 11.000 Stellen abbauen, sie haben gesagt, wir müssen alles, auch was wir an Sponsoring und weiteren Sachen machen, auf den Prüfstand stellen. Ich gehe davon aus, dass das bei den anderen großen Konzernen wie RWE eher nicht sein wird. Das ist jetzt einer mal nach vorne gegangen, die anderen werden sicherlich auch solche Überlegungen anstellen.
Es ist ja auch ansonsten nichts Neues. Wenn ich daran denke, im Jahr 2008, in der massiven Wirtschafts- und Finanzkrise gab es durchaus auch von vielen anderen Unternehmen die Signale, wenn wir jetzt möglicherweise Mitarbeiter entlassen müssen, wenn wir jetzt an bestimmten Sozialleistungen einsparen müssen, dann werden wir uns das Sponsoring eben nicht mehr leisten können.
Das heißt also sozusagen, die Veränderung, die bei den Stromkonzernen stattfindet, ist kein Einzelfall, sondern das ist durchaus etwas, was bei Unternehmen sehr häufig vorkommt. Und das ist auch sozusagen das Grundproblem bei dem Kultursponsoring, dass es eben keine langfristige Sicherung ist, sondern es ist eben teilweise von Projekt zu Projekt eine sehr unsichere Finanzierungsform.
Pokatzky: Aber noch mal, um auf diese ethischen Probleme, die viele dann eben haben, wenn es um Atomstrom geht: Glauben Sie, dass das jetzt nur so eine kurzfristige Welle ist, wo wir alle natürlich unmittelbar nach der Katastrophe in Fukushima dahin geguckt haben, dass das wieder verebben wird?
Schulz: Das ist schwer nachzuvollziehen, weil ich glaube, das wird sich in der nächsten Zeit zeigen, wie schnell der Umschwung tatsächlich passieren wird, wie sich auch die Unternehmen positionieren. Es gibt ja einige Energiekonzerne, die ja auch schon versucht haben sozusagen, sich ein anderes Mäntelchen anzuziehen …
Pokatzky: Ein grünes Mäntelchen, genau.
Schulz: … und den Atomstrom ein bisschen in den Hintergrund zu schieben.
Pokatzky: Also als die ethisch Sauberen dazustehen.
Schulz: Ganz genau.
Pokatzky: Gibt es überhaupt beim Sponsoring ethische Standards, so Kategorien, wo wir sagen, von dem nehmen wir auf keinen Fall Geld?
Schulz: Ich glaube, das muss jede Institution selber entscheiden oder wird sicherlich jede Institution selber entscheiden. Mir ist zum Beispiel nicht bekannt, dass es Sponsoring, Kultursponsoring von Waffenkonzernen gibt, also ich zumindest kenne es nicht, dass KraussMaffei mal ein großes Festival gesponsert hätte. Ich glaube, da sind wirklich schon massive Berührungsängste vorhanden. Wenn man sich …
Pokatzky: Aber gegenüber Krupp, der Krupp-Stiftung nicht …
Schulz: Der Krupp-Stiftung nicht …
Pokatzky: … und wenn jemand mal eine Waffenschmiede in Deutschland war, war es Krupp.
Schulz: Ja, oder wenn man sich beispielsweise auch mal die Stiftungen anschaut, wie sie ihr Geld verdient haben. Gucken Sie sich die Quandt-Stiftung an, eine Stiftung, deren Kapital ja nun auch nicht unbedingt auf so ehrenwerte Weise einmal zustande gekommen ist, welches jetzt aber in saubere Form in die Stiftung überführt wurde.
Pokatzky: Also sollte der Kulturrat nicht mal solche ethischen Standards entwickeln?
Schulz: Es ist schon so, dass wir mit Blick auf das Thema Stiftungen das durchaus reflektieren, dass man praktisch auch noch mal näher hinschaut, wo Kapital herkommt – das ist ein schwieriges Thema. Und auch beim Thema Kultursponsoring, das wird bei uns durchaus in den Gremien öfter einmal angesprochen. Über ethische Standards haben wir bislang noch nicht nachgedacht, aber es ist eine gute Anregung, das werde ich gerne mitnehmen.
Pokatzky: Und dann sitzen Sie in einem Jahr wieder hier und wir reden darüber, was daraus geworden ist. Gabriele Schulz, die stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats, vielen Dank, dass Sie hier waren!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.