Etwas zu klamaukig

Moderation: Christine Watty |
Die Zeichnungen begeistern ihn, den Humor findet er gewöhnungsbedürftig. So rundherum überzeugt ist der Comic-Journalist Stefan Pannor vom neuen Band "Asterix bei den Pikten" nicht. Positiv hebt er hervor, dass es endlich mal ein paar echte Frauenrollen gibt.
Christine Watty: Mehr als 50 Jahre seines Lebens hat der Zeichner und Autor Albert Uderzo dem kleinen Schlauen und dem großen Dicken gewidmet, beide Bewohner eines gallischen Dorfes, das sich ständig mit den Römern kabbelt. Sie wissen, wen ich meine, natürlich Asterix und Obelix!

Bis 1977 war Uderzo noch zu zweit, an seiner Seite damals René Goscinny. Als der plötzlich starb, wurde Uderzo zum alleinigen Schöpfer des Comics, und jetzt steigt er aus und übergibt das Szepter an ein Nachfolgeteam. Und das mit dem Szepter ist in diesem Fall keineswegs als Floskel zu verstehen, denn einer Thronübergabe ohne natürlichem Erben glich die Prüfung der möglichen Kandidaten. Jetzt aber gibt es die erste Veröffentlichung von Zeichner Didier Conrad und Texter Jean-Yves Ferry, "Asterix bei den Pikten" heißt dieser Band.

Asterix bei den Pikten - Beitrag von Gerd Heger (MP3-Audio)

Genau, die spinnen die Römer. Gerd Heger über den neuen Asterix-Comic "Asterix und die Pikten" von Didier Conrad und Jean-Yves Ferry, beide keine Unbekannten in der Comic-Szene. Größer allerdings kann kaum eine Herausforderung sein, als den weltweit berühmten und erfolgreichen Comic weiterzuführen und damit, nebenbei gesagt, natürlich auch das Rezept des Zaubertrankes von Miraculix zu verwalten. Wir sprechen mit dem Comic-Journalisten Stefan Pannor, schönen guten Tag!

Stefan Pannor: Schönen guten Tag!

Watty: Wie finden Sie ihn auf Anhieb so, den neuen "Asterix"? Sie haben ja heute auch zum ersten Mal darin geblättert!

Pannor: Auf Anhieb ist er besser, und das klingt jetzt wahrscheinlich ganz gemein, besser als alles, was Albert Uderzo zu meinen Lebzeiten produziert hat. Aber es ist natürlich – aber damit hat, glaube ich, auch niemand gerechnet – nicht der ganz, ganz, ganz große Wurf der klassischen "Asterix"-Bände, sondern steht irgendwo dazwischen.

Watty: Viel besser als alles, was Sie zu Ihren Lebzeiten bisher gelesen haben von "Asterix", das müssen Sie natürlich genauer beschreiben! Was ist denn besser an diesem neuen "Asterix"?

"Eine sehr schöne Abenteuergeschichte"
Pannor: Viel besser als alles, was Albert Uderzo seit 1977 produziert hat. Besser ist, dass die Geschichte tatsächlich einen klassischen, stringenten Plot hat, an dem sich die Pointen aufbauen. Und über die Pointen kann man dann naturgemäß wieder streiten. Es ist ein klassisches Reiseabenteuer, wie ja eben schon angedeutet wurde, und die ganz klassischen "Asterix"-Reiseabenteuer haben immer einen sehr simplen Plot: dass Asterix und Obelix irgendetwas irgendwo hinbringen oder abholen müssen. Und das ist hier in dem Fall der Schotte, der Pikte, der nun auch in einen klassischen Bruder- und Königszwist in Schottland hineingerät, den Asterix und Obelix natürlich auflösen müssen.

Das ist eine sehr schöne Abenteuergeschichte. Was mir persönlich gar nicht gefallen hat, sind so Sachen wie … ganz dumme Kalauer teilweise, dass die Pikten, weil sie Schotten sind und weil die Schotten Röcke tragen, ausschließlich oder fast ausschließlich in Rock-Songs reden. Das heißt, das Piktisch wird hier dargestellt als "Help me" und "She loves me". Das ist natürlich ein Kalauer, der mich doch eher beleidigt.

Watty: Okay, aber ansonsten finden Sie den Plot und die Geschichte besser! Wie ist es von zeichnerischer Seite? Man könnte natürlich glauben, da kommt ein neuer "Asterix"-Band, der sieht dann irgendwie anders oder modern aus. Aber die Zielvorgabe war ja, einen Comic zu veröffentlichen, der sich kaum unterscheiden lässt von dem, was vorher veröffentlicht wurde, eben auch äußerlich. Ist das gelungen?

Pannor: Das ist überaus gelungen. Also, Didier Conrad ist ja ein Hansdampf in allen Gassen. Er kann wunderbar, hat er ja hier auch angekündigt, schon "Lucky Luke" gezeichnet, er hat "Marsupilami" gezeichnet, und er hat aber auch sehr eigene Serien gezeichnet, die sehr düster sind. Und dieser sehr realistische und gleichzeitig komische Strich des Albert Uderzo, den außer ihm eigentlich niemand in Europa wirklich beherrschte, den trifft er hervorragend. Das heißt, das Gepräge des klassischen "Asterix"-Comics ist wunderbar geglückt und ich bin vor allem extrem zufrieden mit der Eröffnungsseite. Also, eine Eröffnungsseite im Winter, die wirklich vor Atmosphäre, vor winterlicher Kälte strotzt und lebt. Das hatten wir lange nicht in einem "Asterix"-Band und das ist wunderschön.

Watty: Und Albert Uderzo hat ja auch noch so ein bisschen mitgewirkt. Weil Sie sagen, er trifft quasi den Strich Uderzos auch genau, der hat ja auch wirklich sehr viel zugeschaut, noch mal über die Schulter geschaut. Ist es dann doch noch so ein bisschen ein Uderzo-Comic, der einfach nur jetzt von jemand anderem gezeichnet wurde, oder erkennt man schon auch eine eigene Handschrift dieses neuen Autorenteams?

"Das Personal ist grundsätzlich das gleiche geblieben"
Pannor: Ja, ich vermute, dass Albert Uderzos Handschrift doch noch überdeutlich ist. Mir fällt es vor allem darin auf, dass die klassischen "Asterix"-Comics ja immer auch eine politische Komponente hatten. Das heißt, sie entstanden sehr stark in dieser Phase, als Europa zusammenwuchs, ab 1959. Und dieses Zusammenwachsen von Europa wird in diesen Reiseabenteuern einfach kongenial geschildert. Und die Albert-Uderzo-Abenteuer waren immer sehr unpolitisch, waren eigentlich simpler Klamauk.

Und genauso ist es hier, man denkt halt, Europa hat eigentlich gerade genug Sorgen, über die man wunderschöne Witze machen könnte, stattdessen geht es halt nach Schottland und es wird im Grunde die aktuelle europäische Situation überhaupt nicht angesprochen. Und ich denke, in diesem reinen Klamauk, in dieser reinen Abenteuergeschichte, darin spiegelt sich noch ganz klar Uderzo wider, der das Ganze beobachtet und gelenkt hat.

Watty: Was gibt es denn für Veränderungen in der Geschichte oder vielleicht auch im Personal, in den Protagonisten der "Asterix"-Comics, die Sie erkennen konnten bisher?

Pannor: Das Personal ist grundsätzlich das gleiche geblieben. Was mir aufgefallen ist, dass gerade in den Anfangssequenzen Nebenfiguren des Bandes, insbesondere die Frauen, mal richtige Rollen bekommen haben. Es war ja oft so, dass die "Asterix"-Bände fast reine Männerabenteuer sind und die Frauen im Grunde genommen nur Dekor sind und im Zweifelsfall mit den Männern schimpfen. Hier haben wir mehrere Seiten, in denen die Frauen im Grunde die Hauptrolle übernehmen, das hat mir sehr gut gefallen. Ansonsten ist es natürlich so, es wird erst mal in diesem ersten Band des neuen Kreativteams nicht viel rumgespielt. Wir haben Asterix, wir haben Obelix, wir haben Miraculix, wir haben Idefix, auch wenn er diesmal leider nicht mitkommen darf, weil die Pikten ja gerne mit Baumstämmen werfen und Idefix natürlich sehr allergisch darauf reagiert, wenn mit Baumstämmen geworfen wird.

Watty: Stimmt! Der Comic-Journalist Stefan Pannor über die neue "Asterix"-Ausgabe, "Asterix bei den Pikten". Frauen spielen eine größere Rolle, das ist ja tatsächlich eine relativ moderne Veränderung. Ansonsten haben Sie so ein bisschen kritisiert, dass politisch gesehen der "Asterix" sich nicht an die aktuelle politische Situation anschließt. Sollte er das Ihrer Meinung nach denn tun?

Pannor: Ich denke, der klassische Geist des "Asterix’" war eben immer die Sozial- und Politsatire, vermengt mit Klamauk. Ich denke, dass "Asterix" so erfolgreich ist in ganz Europa, liegt eben daran, dass man viel von sich, von seinem Leben, von seiner eigenen Vergangenheit, auch von der Einbindung in die Historie, die wir nun mal haben in Europa, wiedererkennen. Infolgedessen, ich würde mir wünschen, dass da auch mehr Mut ist, tatsächlich einfach Witze zu machen über das, was uns gerade in Europa doch sehr belastet.

Watty: Didier Conrad, der ist schon Profi im Weiterführen erfolgreicher Comics. Ich habe es schon vorhin angedeutet, es hat wahnsinnig lange gedauert, bis man das Nachfolgerteam beisammen hatte. Was war denn so schwierig daran, warum war es so schwierig, jemanden zu finden, der dann doch sehr im Sinne von Uderzo diesen Comic weiterzeichnen kann? Didier Conrad, das muss ich vielleicht noch kurz ausführen, der hat es tatsächlich schon öfter gemacht, der hat "Lucky Kid" gezeichnet und "Marsu Kids", also die modernen Ausgaben von "Lucky Luke" oder dem "Marsupilami". Er passt jetzt also offenbar, aber es war eine schwierige Prozedur. Warum?

Pannor: Es ist so, dass, wie gesagt, Albert Uderzo einen sehr, sehr eigenen Strich hat. Das sieht man eben wirklich, wenn man mal genau hinguckt, wie gut er realistische und Funny-Elemente verquickt, das kann in Europa kaum jemand so gut wie er. Und es war eben so, dass er einen seiner Studiozeichner, den er lange Jahre eingelernt hat, eigentlich als seinen Nachfolger vorgesehen hatte … - nun ist es so, dass Comic-Zeichnen nicht nur darin besteht, ein paar schöne Bilder aufs Papier zu bringen, sondern Comic-Zeichnen ist im Grunde so was wie Regisseur und Kameramann in einer Person. Das heißt, der Erzählfluss zwischen den Bildern muss natürlich auch stimmen. Und daran ist dieser eigentlich vorgesehene Vorgänger gescheitert. Und Didier Conrad ist im Grunde genommen, auch wenn nun das gemein klingt, zweite Wahl, obwohl er für mich persönlich dann in dem Fall tatsächlich erste Wahl ist.

Watty: Dieses Scheitern des Vorgängers, das Sie gerade beschrieben haben, ist das eine spezielle Schwierigkeit im Fall von "Asterix", oder betrifft das die moderne Comic-Szene allgemein, dass es an großen Bildergeschichtenerzählern auch über die Dauer eines ganzen Buches mangelt?

"Der Gigant Asterix darf nicht angekratzt werden"
Pannor: Ich denke, das Problem ist tatsächlich dieser Gigant Asterix, der hier nicht angekratzt werden darf. Wir haben diese Probleme ja schon seit Längerem bei den klassischen Serien, auch "Lucky Luke" zum Beispiel, dass die Zeichner nun mal naturgemäß sterben. Und es wird eben immer versucht, das alles immer noch so aussehen zu lassen wie früher. Das ist möglicherweise im Sinne des Publikums, ich persönlich würde mir eben wünschen, dass da auch eine grafische Veränderung eintritt. Infolgedessen, diese Nachfolgesuche ist nur bei diesen klassischen Serien, bei eben "Lucky Luke" oder "Marsu Kids" oder "Gaston" und eben jetzt bei "Asterix" so problematisch. Ich persönlich hoffe, dass Didier Conrad, der nun auch ganz anders kann, wenn er will, in den Folgebänden vielleicht auch mal etwas anders darf als bis jetzt.

Watty: Wenn wir in die Zukunft gucken noch zum Abschluss, der "Asterix" soll nur weitergeführt werden, wenn er jetzt erfolgreich ist, fünf Millionen Mal ist er jetzt auf den Markt geworfen worden. Glauben Sie, dass "Asterix" funktioniert, auch jetzt noch für junge Leute und auch für die Zukunft?

Pannor: Ich denke, ja. Man sieht ja doch, dass die Marke Asterix immer noch extrem populär ist, es gibt immer noch regelmäßige Filme, regelmäßige Fernsehausstrahlungen, die alten Alben sind alle permanent im Handel verfügbar. Es gibt auf jeden Fall ein immer noch sehr großes Publikum. Ich weiß nun leider nicht, ob das Publikum so allmählich altert, aber ich vermute, ein paar Millionen – und das ist eigentlich eine gigantische Zahl im Comic-Bereich – kann man davon immer noch absetzen!

Watty: Und vielleicht nimmt man sich ja auch Ihren Wunsch zu Herzen, dass vielleicht die Geschichten noch ein bisschen aktueller gedreht werden! Danke an den Comic-Journalisten Stefan Pannor, über die neue "Asterix"-Ausgabe "Asterix bei den Pikten".


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