Ohne Reformen keine Unterstützung
Der neue griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat mit Anti-EU-Slogans viele Politiker in Brüssel, aber auch die deutsche Bundesregierung verärgert. Heute empfängt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ihn erstmals in Brüssel.
Offene Türen wird der neue griechische Regierungschef Tsipras nach seiner Ankündigung, nicht mehr mit der sogenannten Troika zusammenzuarbeiten zu wollen, in Brüssel nicht einrennen. Auf offene Ohren stoßen, wird er schon - zumindest für die Anpassung der Struktur des Reform-Überwachungs-Dreigestirns aus Europäischer Zentralbank, EU und Internationalem Währungsfonds, nicht zuletzt bei EU-Kommissionspräsident Juncker.
"Wir müssen die Troika neu ausrichten, müssen sie demokratischer, parlamentarischer, sie politischer machen."
Das sagte Juncker vor einigen Monaten im EU-Parlament. Dort hat es seit geraumer Zeit wiederholt, fraktionsübergreifend Kritik an der Troika gegeben – entlang dessen, was der SPD-Abgeordnete Udo Bullmann so sagt.
"Die haben so oft vorbeigeschossen – nicht nur mit ihren Prognosen, sondern auch mit ihren Maßnahmen. Es wird Zeit, dass ein effektiveres System greift, was parlamentarisch besser kontrolliert wird und dann auch wirtschaftspolitisch zu besseren Ergebnissen führen kann."
Die Linken im EU-Parlament jedenfalls, unter ihnen der deutsche Abgeordnete Fabio De Masi, geben den Neuen in Athen uneingeschränkt Rückendeckung für deren Forderung, dass es nicht nur um Schönheitskorrekturen am Konstrukt der Troika geht.
"Die Troika muss abgeschafft werden, weil sie eben völlig über den Willen Bevölkerungsmehrheit in Griechenland agiert."
Manche in Brüssel, Berlin und weiteren Hauptstädten fürchten, dass sich EU-Länder, die mit Schulden zu kämpfen haben, wie Spanien, Italien, Frankreich, dass sie sich an Athen ein Beispiel nehmen könnten und sich im Fahrwasser Tsipras' von Sparverpflichtungen befreien wollen. Die Linke dagegen wünscht sich genau eine solche Entwicklung.
"Uns geht es darum, die dramatische Situation für die Bevölkerungsmehrheit in Europa zu verändern und deshalb haben wir natürlich auch hohe Erwartungen an die Regierung in Athen."
Das Wichtigste: Griechenland soll Vereinbarungen einhalten
Erwartungen hat die Bundesregierung auch an die Regierung Tsipras – aber in allererster Linie, dass sie sich an Vereinbarungen hält. Von Bundesaußenminister Schäuble hört man kategorisch: ohne Sparen, ohne Reformen, ohne Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen und die Überprüfung der Umsetzung gibt es keine weitere Unterstützung der übrigen Euroländer für Griechenland.
"Niemand drängt Griechenland irgendetwas auf, aber die Verpflichtungen gelten."
Griechenlands neue Regierung stellt aber nicht nur die Troika in Frage – und zwar sowohl in der Zusammensetzung, als auch in der Substanz dessen, was Griechenland als Gegenwert für die finanzielle Hilfe der Euro-Länder Athen an Sparmaßnahmen und Reformen abverlangt wird. Es geht ihr zudem um eine Entlastung beim griechischen Schuldenberg, der auf über 170 Prozent der Wirtschaftskraft angewachsenen ist, der sich zu deutlich über 300 Milliarden addiert.
"Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Wert hat, jetzt darüber zu reden."
Aber es wird darüber zu reden sein, selbst wenn sich auch Ökonomen streiten, ob ein Schuldenschnitt oder eine Umschichtung der Schulden Griechenland zum jetzigen Zeitpunkt in gewünschter Weise helfen könnte. Das Land muss ohnehin erst in 30 Jahren die geborgten Milliarden zurückzahlen. Der Schuldendienst schlägt sich also auf den aktuellen Haushalt nur in Form der Kredit-Zinsen nieder, die noch dazu sehr niedrig sind.
Denkbar wäre, dass man Griechenland bei den Fristen und/oder der Höhe der Rückzahlungs-Tranchen und/oder der Höhe der Zinsen noch einmal entgegenkommt. Gesetzt den Fall es gelingt Tsipras und seinem Finanzminister Varoufakis einem Eindruck entgegenzuwirken, der bei vielen in den Euro-Ländern entstanden ist: dass die Art ihres Kommunizierens von mehr oder weniger berechtigten Forderungen an Erpressung grenzt.
"Worüber zu reden ist, ist alles Teil eines Vertrages zwischen Griechenland und den 18 anderen Euroländern. Alle Änderungen, auf die man sich einigen sollte, müssten einstimmig beschlossen werden."
Sollte man sich nicht bis zum Ende des Monats einig werden, werden die letzten knapp 2 Milliarden Euro aus der laufenden Unterstützung nicht an Griechenland ausgezahlt. Und es sinken zudem die Chancen, für die wohl benötigte, neue, finanzielle Unterstützung Athens die nötige Einstimmigkeit herzustellen, auf die der Sprecher der EU-Kommission am Montag hingewiesen hatte.