EU-Beziehungen zu Washington

Europa sollte ein Zeichen der Geschlossenheit setzen

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok
Der Europaabgeordnete Elmar Brok sieht in Washington angesichts verbreiteten Unwissens viel Erklärungsbedarf über die EU. © imago / ZUMA Press
Elmar Brok im Gespräch mit Dieter Kassel |
Der Europaabgeordnete Elmar Brok hat sich für mehr Geschlossenheit der Europäischen Union gegenüber der neuen US-Regierung ausgesprochen. Es sei wichtig, die Brüsseler Positionen in den USA besser zu erklären und dies nicht EU-Gegnern zu überlassen.
Die Amerikaner dürften nicht Gelegenheit bekommen, Europa auseinander zu dividieren, sagte der EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) im Deutschlandradio Kultur. Um dies zu erreichen, müssten EU-Positionen in den USA für den Kongress, die Medien und für die Bevölkerung besser erklärt werden. Es müsse daran erinnert werden, dass die USA Geburtshelfer der europäischen Einigung waren. "Ich glaube, hier fehlt ein Mindestmaß an Verständnis", sagte Brok über die verbreitete Unkenntnis über die Europäische Union in den USA. "Herr Farage darf nicht derjenige sein, der Europa gegenüber Herrn Trump erklärt", sagte der Außenpolitiker über den britischen EU-Gegner und Brexit-Befürworter Nigel Farage, der den neuen US-Präsidenten gleich nach dessen Amtsantritt besucht hatte.

Einigkeit in der EU wichtig

Brok zeigte sich optimistisch, dass die EU in vielen Bereichen einig ist. "Ich habe den Eindruck, dass beispielsweise bei der Entwicklung der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik wir im letzten halben Jahr mehr erreicht haben als in den letzten 20 Jahren", sagte er. Dies sei ein Zeichen dafür, dass die EU-Staaten stärker zusammen rücken müssen.

Keine Akkreditierung für Malloch

Für den Fall, dass der umstrittene Wirtschaftsprofessor Ted Malloch neuer US-Botschafter in Brüssel werden sollte, schlug Brok vor, ihm die Akkreditierung zu verweigern. "Ich glaube, wenn wir einen Botschafter benennen würden, der Präsident Trump persönlich beschimpft, der Amerika beschimpft, der würde in Amerika auch nicht akkreditiert", sagte Brok. Malloch hatte die EU in der Vergangenheit mit der Sowjetunion verglichen und sich dafür ausgesprochen, dass der Euroraum und die Union zerfallen sollten. Brok zeigte sich optimistisch, dass Malloch nicht US-Botschafter in Brüssel werde und bei der Anhörung im US-Senat durchfallen könnte.

Das Interview im Wortlaut:

Dieter Kassel: Wir sprechen über den heutigen EU-Gipfel in Malta. Da gibt es jede Menge Themen, eines davon ist natürlich auch das Verhältnis der Europäischen Union zu den USA. Keine große Frage noch vor einigen Jahren, aber das hat sich natürlich durch Donald Trump geändert. Manfred Weber, der Fraktionschef der Europäischen Volksparteien im EU-Parlament, deutscher CSU-Politiker, wird heute zitiert mit dem Satz, Europa dürfe sich keine Schwäche gegenüber Donald Trump erlauben.
Und der Leiter des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, ebenfalls ein Deutscher, David McAllister nämlich, der sagt, Zitat: Ich wünsche mir ein Signal der Entschlossenheit und Geschlossenheit gegenüber Amerika. – Ich habe den Vorgänger von David McAllister, Elmar Brok, der Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses war bis vor einigen Tagen und schon seit 37 Jahren im EU-Parlament sitzt, gefragt, ob er dieser Aussage seines Nachfolgers zustimmt.
Elmar Brok: Ja, David McAllister hat mit dieser Aussage recht. Ich glaube, dass wir das Bündnis mit den Vereinigten Staaten verteidigen müssen, aber das scheint mir nur zu gehen, wenn dieses auch von den Europäern mit deutlichen Worten belegt wird und Präsident Trump merkt, dass wir unsere Interessen deutlich wahrnehmen.
Kassel: Aber was heißt "deutliche Worte"? Heißt das nur: Wir sehen das anders? Oder muss man nicht auch sagen: Und wir erwarten eigentlich auch, dass ihr, die USA, das anders macht?
Brok: Ja, das erwarten wir von den USA und wir müssen auch deutlich machen den Amerikanern, dass die Europäische Union ihre Interessen wahrnimmt, dass wir Zeichen der Geschlossenheit setzen, dass wir deutlich machen, dass wir nicht auseinanderfahren, dass die Amerikaner nicht die Möglichkeit haben, Europa auseinanderzudividieren. Wir sind doch jetzt in einer Situation, dass die Chinesen und die Russen am liebsten möchten, dass wir durch Uneinigkeit zerfallen.
Und bisher war es so gewesen, bei Präsident Obama, dass wir uns gegenseitig gestützt haben, um dadurch eine gemeinsame Stärke des Westens in diesem multipolaren Prozess zu haben. Wenn jetzt aber die Amerikaner am liebsten einen Teil der Stärke des Westens ausnehmen wollen, weil sie die einzelnen europäischen Staaten als solche behandeln möchten und deswegen hier ein Vasallentum errichten möchten, dann sind wir aus dem Prozess insgesamt heraus, wenn wir uns das gefallen ließen, und das kann man nur dadurch beantworten, durch Beweise von Geschlossenheit gegenüber der amerikanischen Position.

Die EU muss ihre Stärke einbringen

Kassel: Aber ist das nicht möglicherweise, wie ja auch bei anderen Themen, das größte aktuelle Problem der EU: der Mangel an Geschlossenheit? Haben Sie das Gefühl, um beim Thema zu bleiben, gegenüber den USA sind sich die 28 oder wenigstens noch 27 EU-Staaten wirklich einig?
Brok: Wir sind uns in vielen Bereichen einig. Ich habe den Eindruck, dass beispielsweise bei der Entwicklung der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik wir im letzten halben Jahr mehr erreicht haben als in den letzten 20 Jahren. Und dass dieses, glaube ich, Zeichen dafür sind, dass wir zusammenrücken müssen. Und immer mehr Staaten, die begreifen – auch durch Präsident Trump, aber auch wegen der Herausforderung von Terror bis Migration, die Konsequenzen der Globalisierung –, dass wir nicht nur die Summe der Mitgliedsstaaten sind, sondern dass durch Kooperation wir mehr sind als die Summe der Mitgliedsstaaten. Ich glaube, dass dies zunehmend verstanden wird.
Und wenn man zur Handelspolitik kommt und die Dinge, die durch Strafzölle diskutiert werden, das können wir doch nur beantworten, indem wir gemeinsam unsere Stärke einbringen. Gemeinsam haben wir ein größeres Bruttonationalprodukt als die Amerikaner, wir haben mehr Anteil am Welthandel als die Amerikaner. Das muss auch in politische Sprache umgesetzt werden.
Kassel: Auch in Europa gibt es doch zum Beispiel verschiedene Meinungen zu der Frage, müssen wir Flüchtlingen helfen, sind sie eher gefährlich. Also, ich sehe da keine komplette Einigkeit.
Brok: Wie gesagt, komplette Einigkeit gibt es ja auch nicht in Deutschland, zwischen den Bundesländern, zwischen den politischen Parteien. Aber eine überwältigende Mehrheit in dieser Frage ist vorhanden. Und gleichgültig, glaube ich, welche Position man innerhalb der europäischen Diskussion – die Bewältigung der Asylfrage und der Migrationsfrage – sieht, ist es doch so, dass bei solchen einseitigen Maßnahmen, die auch Auswirkungen auf Bürger Europas haben, dass da doch eine klare Antwort kommt. Und da bin ich sicher, dass die große Mehrheit der Mitgliedsstaaten ziemlich in eine Richtung geht.

Die Akkreditierung für Ted Malloch verweigern

Kassel: Angeblich soll Ted Malloch der neue EU-Botschafter der Vereinigten Staaten werden, ein Mann, der die Europäische Union bereits mit der Sowjetunion verglichen hat und ihr und dem Euro den baldigen Zusammenbruch wünscht. Wenn diese Entscheidung so wirklich getroffen wird – es sieht im Moment danach aus –, wie soll man denn auf so was zum Beispiel reagieren als EU?
Brok: Also, ich kann mir vorstellen, das ist ja auch im Europäischen Parlament zum Ausdruck gekommen, dass man in einem solchen Falle nicht die Akkreditierung vollzieht. Ich glaube, wenn wir einen Botschafter benennen würden, der Präsident Trump persönlich beschimpft, der Amerika beschimpft, der würde in Amerika auch nicht akkreditiert. Da bin ich übrigens mal optimistisch. Herr Malloch verbreitet selbst das Gerücht, dass er Botschafter würde, ich möchte das erst noch sehen, dass das erfolgt, und ich möchte sehen, wie Malloch im Senat bei den Hearings behandelt wird, sodass ich noch gar nicht sicher bin, dass dieser Vorschlag kommen wird.
Kassel: Sicher ist es ja auch noch nicht, aber wenn Sie selber sagen, wenn es denn passieren würde, dann wäre das eine sehr sinnvolle Option, die Akkreditierung zu verweigern, das wäre natürlich auch ein diplomatischer Eklat. Sie sagen also, im Falle des Falles muss die EU auch einen Eklat riskieren?
Brok: Ja, das wäre schon ein Schritt, bei dem ich keine Vergleichbarkeit kenne, aber jemand, der in einer solchen persönlichen Weise gegen die Europäische Union argumentiert, das wäre schon eine Problematik. Ich glaube, dass wir in dieser Frage signalisieren sollten: Also, Leute, übertreibt es nicht.

Europäische Werte gegen die USA verteidigen

Kassel: Der Chef der Fraktion der Europäischen Volksparteien im EU-Parlament Manfred Weber von der CSU hat sinngemäß gesagt, Europa müsse gegenüber Amerika auch seine Werte verteidigen. Sind wir inzwischen so weit, dass wir gegenüber einem eigentlich eng befreundeten Land unsere Werte verteidigen müssen?
Brok: Also, ich hätte nicht geglaubt, dass in meinem politischen Leben ich eine solche Frage beantworten muss. Es tut schon sehr weh, dass diese Vereinigten Staaten, die ja doch für viele von uns, für meine Generation ein Vorbild sind, ein Land, das entscheidend daran mitgewirkt hat, dass wir ein freiheitlicher Rechtsstaat sind, das damit geholfen hat, dass die Europäer zueinanderfinden, dass ein solches Land Positionen vertritt, die sehr tiefgreifend gegen unsere Werte verstoßen. Und deswegen muss man darauf reagieren.
Aber in erster Linie müssen wir glaube ich, jetzt auch in die USA hineingehen. Wir müssen Europas Position erklären, im Kongress, in der Bevölkerung, in den Medien. Diese Vorstellung, die Trump hat, die EU sei gegründet worden gegen die Interessen Amerikas, um Amerika zu schaden. Wir müssen deutlich machen: Das Gegenteil ist der richtige Fall! Die Amerikaner waren Geburtshelfer der europäischen Einigung.
Ich glaube, hier fehlt ein Mindestmaß an Verständnis. Herr Farage darf nicht derjenige sein, der Europa gegenüber Herrn Trump erklärt. Dann kommt man zu solchen Ergebnissen. Und ich glaube, dass wir da entsprechend Position aufbauen müssen, Klärung aufbauen müssen, um doch zu vernünftigen Beziehungen auf der Grundlage der Werte der Demokratie und der Freiheit und der gemeinsamen Interessen zu kommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.