EU-Experte

Das Fundament Europas bröckelt

Kai Olaf-Lang im Gespräch mit Oliver Thoma und Birgit Kolkmann |
Syriza in Griechenland, Victor Orban in Ungarn, Abspaltungstendenzen in Großbritannien: Der EU-Experte Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht die europäische Idee unter Beschuss.
Europa ging es schon mal besser. An gleich drei Fronten gebe es derzeit Versuche, die Europäische Union in Frage zu stellen, sagt Kai-Olaf Lang, Leiter der Forschungsgruppe EU/Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Syriza in Griechenland betreibe die "Fundamentalrevision" einer auf Konsolidierung ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Victor Orban in Ungarn spreche von "illiberaler Demokratie" und greife damit das Wertefundament an. Und Großbritannien versuche den "Status quo" der EU umzudefinieren, in dem es beständig versuche, Kompetenzen heimzuholen. Das alles berge eine Tendenz zur Erosion und zum Ausfransen des europäischen Systems in sich, sagte Lang.
Es gibt allerdings auch die Habenseite: So habe Russlands Präsident Putin es nicht geschafft, einen Keil zwischen die europäischen Länder zu treiben. Deswegen existiere eine einheitliche Sanktionspolitik. Doch das ist die hohe Politik. In den Niederungen hätten die Menschen die europäische Identität aus den Augen verloren. "Europa muss wieder liefern", sagt Lang. Das Wohlstandsversprechen sei der eigentliche Kitt der Europäischen Union.
Es gibt in der EU Aversionen gegen das deutsche Rezept, aber auch eine Nachfrage danach
Deutschland spielt für Lang dabei eine entscheidende Rolle. Zwar gebe es gerade im Süden Europas eine Aversion gegen das "deutsche Rezept". Auf der anderen Seite aber auch eine "Nachfrage nach mehr Deutschland", nach mehr deutscher Verantwortung. Spanien und Portugal seien dem deutschen Weg gefolgt, dort täten sich jetzt "erste Silberstreifen am Horizont" auf.
Notwendig sind laut Lang auch Politiker, die die europäische Idee "verdichten und an die Menschen glaubwürdig weitergeben" können. Die derzeitige Krise in Griechenland habe etwas mit der wirtschaftlichen und sozialen Situation zu tun, aber auch mit dem mangelnden Vertrauen in das Establishment. Das mache dann den Aufstieg von Parteien wie Syriza möglich. "Vertrauen und Glaubwürdigkeit gilt es zurückzugewinnen", sagt Lang.
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