EU-Fangquote für Hobbyangler

Bei fünf Dorschen pro Tag ist Schluss

Hobbyangler Jens Thamm mit stolzen Dorsch-Fängen in der Gegend vor Wismar.
Hobbyangler Jens Thamm mit stolzen Dorsch-Fängen in der Gegend vor Wismar. © Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Von Silke Hasselmann · 20.06.2017
Der Dorsch ist ein so beliebter Fisch, dass die EU sich genötigt sieht, ihn mit Fangquoten zu schützen. Die Quoten gelten inzwischen sogar für Hobbyangler. Das wiederum beeinträchtigt diejenigen, die mit Hobbyanglern Geschäft machen: Betreiber von Angelkuttern rechnen mit herben Verlusten.
Vor der Ostseeküste zwischen Wismar und Boltenhagen, unterwegs mit der Fischereiaufsicht. Ob die Kollegen heute Bußgelder verhängen müssen, weil Hobbyangler mehr als fünf Dorsche pro Person an Bord haben?
"Der hat gerade was rausgeholt, denk' ich mal. Das haben wir gesehen, dass sie geangelt haben. Jetzt können sie uns nicht mehr sagen, sie haben nicht geangelt, und jetzt sprechen wir sie an: 'Fischereiaufsicht Mecklenburg-Vorpommern - bitte einmal die Angel einziehen! Wir führen eine Kontrolle durch.'"
Fischereiinspektor Christian Schmiedeberg und seine Kollegen müssen in diesem Jahre nicht mehr nur das Fangverhalten der Berufsfischer kontrollieren, sondern erstmals auch das der von Hobbyanglern wie diese beiden Mittvierziger.
"Einen wunderschönen guten Tag! Erlaubnisschein und Fischereischein!"
Angler 1: "Alles drinne."
Inspektor: "Und dann nachher bitte einmal den Fang sehen. Wie viele Dorsche?"
Angler 2: "Was sind Dorsche?"
Inspektor: "Tja, weiß nicht. Habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen..."
Zwar seien sie schon eine Weile auf dem Wasser, hätten aber auch heute nur einen mickrigen Dorsch gefangen - "und wieder reingeschmissen."
Angler 2: "So schlecht wie dieses Jahr war es noch nie."
Angler 1: "Es war ja ein schlechtes Frühjahr: kalt, lange, lange kalt. Das ist mit den Bienen genauso. Es gibt dieses Jahr keinen Honig. Und das ist mit den Dorschen auch."
Ein Dorsch wird in einer Kesche an Bord geholt.
Ein Dorsch wird in einer Kesche an Bord geholt.© dpa picture alliance/ Bernd Wüstneck
Dabei sah es noch im Januar so aus, als würde sich der 2016 geborene Jahrgang rekordverdächtig entwickeln. Vielleicht würde sich der überfischte Dorschbestand schneller erholen als vermutet, nachdem der Jahrgang 2015 praktisch ausgefallen war. Nun heißte es weiterhin den Bestand schonen, und dass das nun auch für Hobbyangler gilt, findet Fischereiinspektor Schmiedeberg richtig:
"Wenn die Dorsch-Bestände so rapide zurückgegangen sind, wie es die Wissenschaftler festgestellt haben, dann kann man die Schutzmaßnahmen dieses Bestandes nicht nur auf die berufliche Fischerei abwälzen. Sondern da muss dann auch die Hobbyfischerei ihren Beitrag leisten."

"Wir Angler sind ja nicht unbedingt auf den Fang angewiesen"

Ortswechsel; Boltenhagen. Hier bereitet dieser Schweriner Petrijünger sein Kajak vor für die nächste Dorsch-Tour. Auch er habe anfangs gedacht: "Was jetzt? Nur noch fünf pro Tag?", denn:
"So an die zwanzig bin ich schon mal rangekommen. Aber mittlerweile glaube ich, dass die Einsicht in die Notwendigkeit gesiegt hat. Denn wir wollen uns natürlich den Ast, auf dem wir sitzen, nicht absägen. Wenn die Zahlen stimmen und die Angler genauso viele Dorsche an den Haken kriegen wie die Fischer in ihre Netze, ist das Verständnis natürlich umso größer. Zumal wir als Angler ja nicht unbedingt auf den Fang angewiesen sind."
Wohl aber die Berufsfischer, die in diesem Jahr nur noch 56 Prozent der Vorjahresmenge aus der westlichen Ostsee ziehen dürfen - insgesamt knapp 1.200 Tonnen Dorsch. Betroffen sind auch die Betreiber jener rund 30 Ostseekutter in Mecklenburg-Vorpommern, die von den Angeltouristen leben.
"Und die hat's eigentlich ganz schön hart getroffen. Hauptsächlich Angelkuttern, die Mehrtagesfahrten machen. Die haben schon Storno-Quoten von über 50 Prozent", berichtet Lothar Schlicker, der in Rostock den Angelkutter "MS Storkow" betreibt. Ein Kollege ergänzt, dass nun vor allem Kunden aus Süd- und Westdeutschland wegblieben. Deren Begründung: Fünf Dorsche pro Mann und Tagestour lohnten sich nicht. Oder:
"Wir veranschlagen ja acht Stunden. 'Und wenn wir nun mittags die Quote voll haben - was machen wir dann?' Diese Frage wurde mir auch schon gestellt."

20.000 Euro Verlust pro Angelkutterbetreiber

Fünf Dorsche liegen an Bord eines Angelkutters.
Fünf Dorsche liegen an Bord eines Angelkutters.© dpa picture alliance/ Bernd Wüstneck
Mit durchschnittlich 20.000 Euro Verlust müssen die Angelkutterbetreiber in MV in diesem Jahr nur aufgrund der Dorsch-Quote rechnen, sagt der Landesanglerverband voraus. Dabei fangen die Hobbyostseeangler im Durchschnitt nur drei Dorsche pro Tag und bleiben damit unter dem staatlichen Limit. Alles Psychologie, glauben die Kutterbetreiber.
"Letztens hat 'ne Gruppe angerufen. Das sind dreißig Leute gewesen. Die wollen im September angeln, und dann sagten die: 'Naja, wir müssen denn Butt angeln.! Ich sag: 'Warum wollt ihr Butt angeln?' 'Tja, wenn wir nur noch fünf Dorsche fangen dürfen?'` Und dann sag' ich: 'Mit dreißig Mann könnt ihr hundertfünfzig Dorsche fangen. Wann habt ihr die das letzte Mal gefangen?'"
"Aber fünf Dorsche ist meiner Meinung nach 'n bisschen wenig. Man hätte das anders regulieren können. Man hätte sagen können: 'Pass auf, wir machen ein Mindestmaß von 45 und nach oben über 70 werden wieder zurückgesetzt. Dann hätten wir auch wieder große Laich-Dorsche."

Warum dürfen Dorsche in der Laichzeit gefangen werden?

Der Landesangelverband Mecklenburg-Vorpommern will nun dafür kämpfen, dass Hobbyangler künftig zehn statt fünf Dorsche pro Fangtag aus der westlichen Ostsee ziehen dürfen. Im Gegenzug sollten Dorsche erst ab einer Länge von 45 statt 35 Zentimetern mitgenommen werden dürfen, und für die Laichzeit müsse ein Fangverbot gelten.
"Fischereiaufsicht. Erlaubnisschein und Fischereischein..."
Richtig so, findet Volkmar Barsin, der dem Wismarer Fischereiinspektor die nötigen Papiere und vier gefangene Dorsche zeigen kann. Alles in Ordnung also. Er könne übrigens mit der jetzigen Obergrenze gut leben, sagt Hobbyangler Barsin. Nicht aber mit diesem Teil der EU-Regelung:
"Dass man in der Schonzeit, in der Laichzeit überhaupt angeln und überhaupt Dorsch fangen darf - das ist idiotisch. Schonzeit, Laichzeit - das sollen die doch in Ruhe laichen. Sich vermehren."
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