Grenzschutz statt Flüchtlinge retten
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen die Seenothilfe im Mittelmeer ausbauen, um weitere Flüchtlingskatastrophen zu verhindern. Auf einem Sondergipfel in Brüssel beschlossen sie aber, dass der Schwerpunkt der Einsätze auf Grenzschutz und nicht auf Seenotrettung liegt.
Entschlossen will die EU verhindern, dass mehr Menschen auf illegalem Weg über das Mittelmeer nach Europa kommen. Die Grenzschutzbehörde Frontex und die Polizeibehörde Europol sollen systematisch gegen Schleuser vorgehen, kündigte Bundeskanzlerin Merkel nach Abschluss des Gipfeltreffens an:
"Da ist an die Zerstörung von Booten genauso gedacht, wie an die Beschlagnahme von Vermögenswerten, an das Aufspüren der Netze von solchen Schleppern und ähnliches mehr."
Gerade aber die Zerstörung von potentiellen Flüchtlingsbooten, für die militärische Unterstützung notwendig wäre, sei nicht ohne weiteres umsetzbar. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini soll deshalb die völkerrechtlichen Möglichkeiten ausloten. Frankreichs Präsident Hollande kündigte eine Resolution im UN-Sicherheitsrat an.
Erste Priorität habe aber - so die einhellige Meinung - die Rettung von Menschenleben, betonte Ratspräsident Donald Tusk:
"Ich kann bekanntgeben, dass die Staatsoberhäupter deutlich größere Unterstützung zugesagt haben, unter anderem mehr Schiffe, Flugzeuge, Experten und mehr Geld."
Dreimal so viel Geld
Das Budget der Grenzsicherungsmissionen Triton und Poseidon soll verdreifacht werden. Für Triton steht dann so viel Geld zur Verfügung wie für die italienische Vorgängeroperation Mare Nostrum. Allerdings bleibt die Triton-Mission auf den Bereich der italienischen Küste beschränkt.
Deutschland will zwei Bundeswehr-Schiffe zur Verfügung stellen. Großbritanniens Regierungschef David Cameron sagte neben dem Flaggschiff der britischen Marine drei Helikopter und zwei Boote des Grenzschutzes zu. In voller Wahlkampfrhetorik ergänzte er aber:
"Natürlich unter den richtigen Bedingungen. Das heißt, dass wir die Leute, die wir aufnehmen, ins nächstliegende Land - also nach Italien - bringen, damit sie im Vereinigten Königreich kein Asyl beantragen können."
Damit sprach er die Frage nach der Verteilung der Flüchtlinge in der EU an. Eine Lösung dieser extrem umstrittenen Frage konnte es auf diesem Gipfel noch nicht geben. Lediglich eine freiwillige Umverteilung von Flüchtlingen wurde in Aussicht gestellt.
"Wir haben uns geeinigt, dass wir den Kommissionsvorschlag unterstützen, Verfahren für die Verteilung von Flüchtlingen in Notsituationen zu entwickeln und dabei zu erproben - das kann im Augenblick nur freiwillig sein, weil wir dafür nicht die Rechtsgrundlage haben – dass eben Länder, bei denen sehr viele Flüchtlinge ankommen, dann auch entlastet werden durch eine vernünftigere Verteilung. Dass im Gegenzug aber dann auch die Registrierung so erfolgt, wie es in unserem Asylrecht, das wir gemeinsam verabschiedet haben, auch niedergelegt ist."
Neue Regeln für Verteilung von Flüchtlingen?
Damit kritisierte Merkel vor allem Italien, das viele Flüchtlinge ohne sie zu registrieren weiterreisen lässt. Grund dafür ist die Dublin-Verordnung, die festlegt, dass Flüchtlinge in dem Land einen Asylantrag stellen müssen, in dem sie EU-Boden betreten. Italien fühlt sich dadurch zu stark belastet. Merkel wurde in diesem Punkt dann auch ungewöhnlich deutlich:
"Ich glaube, dass angesichts der Aufgabe, wie wir sie jetzt vor uns sehen, die Dublin-Regeln verändert werden müssen."
Das ist aber ein politisches Langzeitprojekt, dem noch viele Hürden im Weg stehen.
Neben dem Umgang mit Flüchtlingen in Europa war auch die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern Thema des Gipfels. Frankreichs Präsident Hollande kündigte an:
Neben dem Umgang mit Flüchtlingen in Europa war auch die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern Thema des Gipfels. Frankreichs Präsident Hollande kündigte an:
"Wir müssen afrikanischen Ländern dabei helfen, ihre Grenzen zu kontrollieren, denn wir müssen die Wurzeln dieses bedauerlichen Phänomens – dieser Migrationsbewegungen – anpacken."
Im Laufe dieses Jahres soll es außerdem einen außerordentlichen EU-Afrika-Gipfel auf Malta geben. Im Juni will sich der Rat erneut mit der Flüchtlingsproblematik befassen.
Bundeskanzlerin Merkel betonte nach dem Gipfel zwar, dass den Worten nun Taten folgen müssten. In Sachen Flüchtlinge hat man das von den Staats- und Regierungschefs hier in Brüssel in den vergangenen Jahren aber schon oft gehört.