EU-Fördermittel

"EFRE hab ich noch nie gehört"

Das Rathaus von Weißwasser in der sächsischen Lausitz, einst die bedeutendste Glasmacherstadt der Lausitz und ein wichtiger DDR-Industriestandort
Das Rathaus von Weißwasser in der sächsischen Lausitz (Archivbild von 2006) © dpa / Matthias Hiekel
Von Nadine Lindner |
Die Kleinstadt Weißwasser in Sachsen will an das große Geld. Acht Millionen Euro sollen in der neuen Förderperiode aus dem EU-Topf EFRE fließen. Die Stadt ist ein erfolgreicher Antragsteller, aber die Bürger wissen wenig über die EU-Hilfen.
Bürgermeister Torsten Pötzsch ist sichtlich zufrieden, als er ein flaches Gebäude am Sorauer Platz in Weißwasser betritt. Es ist einer der drei sogenannten Pavillons, in denen Gewerbe, ein Vereinsheim sowie kulturelle Aktivitäten ihren Platz haben. Pötzsch wird begleitet von Frank Schwarzkopf, der hier in Weißwasser als Quartiersmanager arbeitet:
"Es nennt sich Stadtteilzentrum, hier ist also der Sitz von Vereinen."
Ob Tanzgruppe oder Seniorentreffen, hier im Pavillon kommen ganz unterschiedliche Altersgruppen zusammen. Sogar eine Stillgruppe junger Mütter war mal da
"Hier ist jeden Nachmittag ausgebucht. Insgesamt kann ich sagen, wenn sie nachmittags kommen, hier sind Kleinkinder, hier sind Senioren, eine Mehrgenerationsgeschichte. Wenn sich Menschen zusammen finden, habe ich immer den Eindruck, dass es ihnen gut geht, bei allen Problemen, die wir haben."
Die städtebaulichen Veränderungen sind wichtig für Weißwasser, denn sie zeigen, dass etwas vorwärts geht. Auch wenn die Stadt noch immer mit Arbeitslosigkeit und Abwanderung zu kämpfen hat, findet Bürgermeister Pötzsch.
"Wenn jetzt jemand nach fünf Jahren mal wieder hier ist, der sieht das ganz anders. Da hatte ich gestern ein Gespräch, die waren vor vielen Jahren hier und hatten die Stadt als ganz negativ in Erinnerung. Und die waren jetzt ganz angetan."
EFRE - Kleinstadtförderung aus Brüssel
Weißwasser hat sein einigen Jahren die Fördertöpfe der EU entdeckt. Auch hier in den drei Pavillons steckt Geld aus dem Europäischen Fond für Regionale Entwicklung – kurz EFRE. Er half bei der Finanzierung von Projekten, die sich die Kleinstadt sonst nicht hätten leisten können.
"Zwischen Mai 2006 und Juni 2007 hat die ganze Sanierung 590.000 Euro gekostet, 442.000 Euro kamen von EFRE. Die 600 Quadratmeter des Gebäudes wurden neu gemacht."
Rund um die Pavillons stehen sanierte Plattenbauten. Das Viertel wirkt aufgeräumt, aber auch etwas steril. Es sind an diesem Vormittag nur wenige Menschen auf der Straße zu sehen. Ähnlich wie das nicht weit entfernte Hoyerswerda hat Weißwasser nach der Wiedervereinigung rund die Hälfte seiner Einwohner verloren. Zwischen 1990 und 2014 sank die Zahl der Bürger von Weißwasser von fast 40.000 auf unter 20.000. Mit den DDR-Industriearbeitsplätzen verschwanden auch die Bürger.
Ein bisschen neuen Schwung und neue Arbeitsplätze soll auch die Tanzschule von Andrea Weiss bieten, die den Pavillon daneben nutzt und sich über guten Zuspruch freut, es laufe.
"Zum Glück gut. Ich kann mich nicht beklagen. Wir haben Tänzer von zwei Jahren bis 80, die das Tanzbein schwingen."
Um die Förderung der Privatwirtschaft ging es auch bei der Sanierung des sogenannten Boulevards. Einer Fußgängerstraße mit vielen kleinen Geschäften in der Innenstadt von Weißwasser. Rund fünf Millionen Euro aus dem Regionalentwicklungs-Fonds EFRE hat die Stadt hier von 2000 bis 2006 verbaut.
Überwiegend positive Bilanz
Nicht alle Läden haben überlebt, aber die meisten von ihnen sind auch heute noch geöffnet, bieten Arbeitsplätze und beleben das Viertel. Die Bilanz der EU-Förderprojekte in Weißwasser ist überwiegend positiv. Bei der Frage nach EFRE schaut man auf der Straße allerdings in ratlose Gesichter.
"Hab ich noch nie gehört."
"Man hat den Kopf unten in der Arbeit, man hört es vielleicht. Aber dann vergisst man es auch gleich."
Eine wirklich nachhaltige Veränderung in der Wahrnehmung der EU durch die Bürger scheint der Regionalentwicklungs-Fonds nicht bewirkt zu haben.
"Nee, ich hab auch keine Tageszeitung, ich lese auch nie. Und ich freue mich, wenn was neu gemacht wird. Aber mehr ist dann auch nicht interessant."
Anträge für nächste Förderperiode sind bereits in Arbeit
Bürgermeister Pötzsch ist dagegen sehr gut informiert. Er lässt gerade die Anträge für die neue Förderperiode der EU von 2014 bis 2020 schreiben. Acht Millionen Euro will Pötzsch beantragen. Im Fokus steht die Entwicklung des Tourismus mit der Sanierung der sogenannten Park-Eisenbahn und die Aufwertung des Jahnbades. Es sind alles Maßnahmen, die die Stadt sonst nicht umsetzen könnte. Bis Ende August muss das Gesamtkonzept vorliegen.
Hilfe gibt es vom Stadtentwicklungsbüro "Die Steg" aus Dresden. Das berät Weißwasser bei der Antragstellung. Wichtig sei die Bürger einzubeziehen, erzählt Martin Neumann. Deshalb gab es eine Einwohnerversammlung.
"Ich fand das sehr positiv, was da gekommen ist von den Bürgern. Da wurde darauf hingewiesen, dass man mehr auf die Bedürfnisse von Bürgern mit Behinderungen achten soll. Wir haben auch inhaltlich diskutieren können. Das ist für uns, die wir die Kommunen beraten, toll, wenn wir Anregungen nicht nur von Verwaltungen, sondern auch von Bürgern bekommen."
Denn, so die Stadtentwickler, nur wenn es im Vorfeld Mitsprache gebe, würden sich die Bürger später auch damit identifizieren.
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