EU-Gipfel

Europa steckt in einem kalten Krieg

Viktor Janukowitsch zwischen den Stühlen: Gute Beziehungen zu Europa und zu Moskau - beides geht im Moment offenbar nicht.
Viktor Janukowitsch zwischen den Stühlen: Gute Beziehungen zu Europa und zu Moskau - beides geht im Moment offenbar nicht. © picture-alliance/dpa
Von Sabine Adler · 29.11.2013
Die Ukraine ist ein äußerst interessanter Nachbar. Sowohl für Russland als auch für die Europäische Union. Präsident Janukowitsch muss sich nun entscheiden, meint Sabine Adler.
Der Misserfolg war unvermeidlich, die Enttäuschung verhindern konnte er nicht. Europa steckt in einem kalten Krieg. Im Gang ist er seit einiger Zeit, aber weil er bislang kleine Länder wie Armenien, Weißrussland oder Moldau betraf, nahmen wir im Westen ihn kaum wahr. Nur als vor fünf Jahren in Georgien tatsächlich Panzer rollten, schreckte Europa erstmals hoch.
Der russische Präsident will den Schrumpfungsprozess der einstigen Sowjetunion mit allen Mitteln aufhalten, Georgien hat vor Augen geführt, wie ernst ihm damit ist.
Nun kann man die kleine Kaukasusrepublik kaum mit der Ukraine vergleichen. Die ist zehn Mal größer und gerade deshalb ein äußerst interessanter Nachbar. Sowohl für Russland als auch für die Europäische Union.
Für den Herrn im Kreml so etwas wie der Brillant in der Zarenkrone. Für die EU ein Schwergewicht, das die Anziehungskraft demokratischer Werte eindrucksvoll belegen würde. Ein ziemlich schweres Pfund, mit dem der Westen richtig wuchern könnte.
So klar der ukrainische Präsident den Assoziierungsprozess gestoppt hat, so unentschlossen ist er jedoch immer noch. Auch deshalb kam er nach Vilnius. Er wollte sich eine Hintertür zur EU offenhalten, dabei hätte er über den Haupteingang hereinspazieren können, der rote Teppich war ausgerollt.
Zollunion und EU-Assoziierung sind zusammen nicht zu haben
Doch er kann sich nicht entschließen. Für ihn ist Brüssel oder Moskau eben nicht nur eine Wahl zwischen westlichen Werten oder Putins Diktat, sondern die Entscheidung zwischen kurzfristigen Krediten und Flickschusterei oder einer umfassenden Modernisierung des Landes, die zunächst Arbeitsplätze kostet, bevor die Wirtschaft neu aufgestellt, endlich wettbewerbsfähig wäre. Es ist eine Entscheidung zwischen der Macht der Oligarchen und einem Spiel nach transparenten, einklagbaren Regeln.
Wenn die Kanzlerin immer wieder betont, dass es nicht um ein Entweder-oder geht, dann stimmt das nicht ganz. Zunächst geht es genau darum. Entweder für die EU, den Freihandel mit ihr oder für die Zollunion und damit Abhängigkeit von Russland. Zollunion und EU-Assoziierung sind zusammen nicht zu haben.
Gute Beziehungen zu Europa und zu Moskau - im Moment jedenfalls - offenbar auch nicht. Davor steht der russische Präsident, der eine Annäherung an den Westen, auch für sein eigenes Land, augenscheinlich als Selbstmarginalisierung fürchtet. Russland versteht er offenbar nur als Riesenreich, das er mit Druck nach innen zusammenhält, um umso stärkeren Druck nach außen zu üben. Ein Imperium kann nicht demokratisch sein, sagte die russische Menschenrechtsaktivistin Swetlana Gannuschkina, die einst den Zerfall der Sowjetunion sehr begrüßte.
Die litauische Präsidentin Grybauskaite hat Viktor Janukowitsch in Vilnius einen wichtigen Ratschlag gegeben: Nur der kann erpresst werden, dem es an politischem Willen fehlt, diesem Druck standzuhalten. Wer sich davon nicht einschüchtern lässt, für den ist die Entscheidung klar. Es ist ein Entweder-oder.
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