EU-Gipfel zur Flüchtlingsfrage

Ein wichtiger Zwischenerfolg

François Hollande, Ahmed Davutoglu, Donald Tusk und Angela Merkel unterhalten sich beim Aufstellen zum Gruppenfoto.
Aufstellen zum Gruppenfoto der Staats- und Regierungschefs vor dem Gipfel: Frankreichs Präsident François Hollande, der türkische Ministerpräsident Ahmed Davutoglu, EU-Ratspräsident Donald Tusk und Bundeskanzlerin Angela Merkel (v.l.). © picture alliance / dpa / Christopher Licoppe
Von Jörg Münchenberg |
Statt eines glanzvollen Durchbruchs in der Flüchtlingskrise nur eine weitere Zwischenetappe, aber immerhin: Erstmals liegt nun nach dem EU-Sondergipfel ein Grundgerüst auf dem Tisch, das den Erfolg bringen könnte. Allerdings sind die Widerstände noch immer groß und die Türkei übt erheblichen Druck aus.
Es ist nicht der glanzvolle Durchbruch geworden, den die Kanzlerin gerne verkündet hätte: ein umfassendes Paket zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in enger Zusammenarbeit mit der Türkei, rechtzeitig verkündet vor den wichtigen Landtagswahlen am kommenden Wochenende. Stattdessen wurde auf dem EU-Sondergipfel nur eine weitere Etappe erreicht. Vollzug, wenn überhaupt, beim nächsten Treffen der Staats- und Regierungschefs in gut zehn Tagen.
Trotzdem ist das vorliegende Gipfelergebnis, bei allen Risiken, ein wichtiger Zwischenerfolg. Denn erstmals liegt jetzt ein Grundgerüst auf den Tisch, das bei geglückter Umsetzung tatsächlich den ersehnten Erfolg bringen würde. Eine drastische Absenkung der Flüchtlingszahlen, ein besserer Schutz der Außengrenzen sowie die nachhaltige Beschädigung des perfiden Geschäftsmodells der Schlepper und Schleußer.

Hoffnungslos abhängig von Ankara

Natürlich, noch steht die Lösung nur auf dem Papier, sind die Widerstände in einzelnen Mitgliedstaaten groß. Was letztlich auch daran liegt, dass sich die Türkei ihr Angebot, alle illegalen Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen, teuer abkaufen lassen will. Die EU wird zu erheblichen Zugeständnissen genötigt, nicht nur unmittelbar mit der Forderung nach einer schnelleren Umsetzung des visafreien Reisens für türkische Bürger oder der deutlichen Erweiterung der Beitrittsverhandlungen.
Auch moralisch setzt Ankara die 28 Mitgliedsstaaten erheblich unter Druck. Denn während über eine umfassende Lösung bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise verhandelt wird, geht der türkische Staat zeitgleich massiv gegen unliebsame Zeitungen im eigenen Land vor. Deutlicher lässt sich kaum demonstrieren, dass der türkischen Regierung die europäischen Kernwerte wie etwa Meinungsfreiheit ziemlich gleichgültig sind. Wohl wissend, dass aber Europa, dass gerade Deutschland von der Kooperationsbereitschaft Ankaras hoffnungslos abhängig ist.

Durchbruch möglich - mit Streit um Details

Dass besonders Deutschland von dem anvisierten Maßnahmenpaket besonders profitieren würde, steht dabei außer Frage. Und wird sicherlich auch zu erheblichen Diskussionen in den anderen Mitgliedstaaten führen, die sich jetzt solidarisch zeigen und ihre eigenen, zum Teil völlig berechtigten Bedenken bei einzelnen Vorhaben zurückstellen sollen. Von grundsätzlichen Einwänden wie etwa gegen die geplante Umverteilung von syrischen Flüchtlingen aus türkischen Lagern auf die gesamte EU einmal ganz abgesehen.
Doch entscheidend ist am Ende zweierlei: Mit nationalen Alleingängen wie etwa dem Bau von Grenzzäunen oder der Einführung von Obergrenzen ist die Flüchtlingskrise nicht zu lösen, auch wenn dies derzeit einige Mitgliedsstaaten suggerieren. Zudem ist die EU auf die Unterstützung der Türkei und letztlich auch anderer Nachbarstaaten dringend angewiesen, denn alleine kann sie die Herkulesaufgabe am Ende nicht schultern.
Wird diese Einsicht zum Grundkonsens der 28, dann könnte der Durchbruch bis zum nächsten Gipfel tatsächlich gelingen − Streit um viele wichtige Details mit eingeschlossen.
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