EU-Kommission zu den deutschen Visa-Erlassen

Von Gerhard Irmler |
Über ein Jahr hat der Europa-Abgeordnete Joachim Würmeling auf Antwort gewartet. Von der EU-Kommission wollte er wissen, ob der so genannte Volmer-Erlass, der die Visa-Erteilung für Angehörige aus Nicht-EU-Staaten regelt, mit europäischem Recht vereinbar ist.
Doch mitten in der heißen innenpolitischen Auseinandersetzung um die deutsche Visa-Erteilungspraxis hatten es Außenminister Fischers Beamte nicht eilig, die notwendigen Prüfungsunterlagen an die EU-Kommission zu verschicken. Und die Kommission rührte sich nicht, wohl wissend um die Brisanz der Materie. Erst im Januar übersandten die deutschen Behörden, was der ehemalige Staatsminister im Außenamt, Ludger Volmer, mit Genehmigung Fischers, zu Papier gebracht hatte. Und es dauerte weitere drei Monate bis das gesamte Kovolut von mehr als 30 Teil-Runderlassen aus den Jahren 1995 bis 2004 Brüssel schließlich erreichte. In Berlin wusste man nur allzu genau, wie das Prüfungsergebnis der Brüsseler Kommission ausfallen würde. Der so genannte Volmer-Erlass war mit EU-Recht nicht vereinbar. Er entsprach nicht den Anforderungen, der von den europäischen Staaten gemeinsam verabschiedeten "Konsularischen Instruktionen". Dass die EU-Kommission ihrerseits mehrere Monate brauchte, um zu diesem für die Bundesregierung vernichtenden Urteil zu kommen, ist erstaunlich, da jeder Anwärter eines diplomatischen Dienstes auf den ersten Blick hätte erkennen können, dass Volmer-Erlass und die gemeinsamen "Konsularischen Instruktionen" der EU nicht zusammengehen.

Die Bundesregierung hat spät zwar, aber dann doch mit einigem Nachdruck, Konsequenzen gezogen. Dem Volmer-Erlass folgte der Chrobog-Erlass, der die eklatanten Verstöße gegen bestehendes EU-Recht auszubügeln versuchte. Doch auch der Chrobog-Erlass findet nicht die volle Zustimmung der EU-Kommission und dies zu Recht.
Denn was soll ein Visa-Beamter vor Ort mit folgender Formulierung anfangen:

"Ein Visum darf nur dann versagt werden" - und jetzt kommt's – "wenn die Zweifel am angegebenen Einreisezweck und der Rückkehrbereitschaft ein solches Gewicht erreicht haben, dass die Wahrscheinlichkeit einer Umgehung von Einreisebestimmungen bzw. des längerfristigen oder dauerhaften Verbleibs im Bundesgebiet höher einzuschätzen ist, als die Wahrscheinlichkeit der Einreise und des Aufenthalts zum angegebenen Zweck bzw. der Rückkehr." Ende des Zitats.

Geschraubter und gedrechselter geht’s nimmer.

In den gemeinsamen konsularischen Instruktionen der EU heißt es hingegen: "Der Antragsteller muss die mit dem Antrag befasste Auslandsvertretung davon überzeugen, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfügt und die Rückreise in das Herkunftsland gewährleistet ist."

Empfehlung an die Bundesregierung also: Werfen Sie den Chroborg-Erlass dahin, wo der Volmer-Erlass bereits gelandet ist, nämlich in den Papierkorb.

Die EU-Kommission kann, es in diesem Falle wenigstens, weitaus besser.
Schengen funktioniert nur dann, wenn die daran beteiligten Staaten den gleichen Text mit einheitlichen Kriterien anwenden.