Christina Weiss ist Publizistin, Beraterin und Hochschullehrerin. Die Literaturwissenschaftlerin war von 2002 bis 2005 Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Davor war sie zehn Jahre lang Kultursenatorin in Hamburg und zeitweise im Senat auch für die Gleichstellung zuständig. Weiss engagiert sich in verschiedenen Stiftungen und ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
Nicht belehren, nicht bekehren
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Gehört Ungarn noch in die EU? Darüber wird heftig debattiert, vor allem wegen eines LGBT-feindlichen Gesetzes, das vor kurzem verabschiedet wurde. Ex-Kulturstaatsministerin Christina Weiss wirbt um Verständnis und fordert bessere Kommunikation.
Im Streit um Werte und den richtigen Umgang mit Ungarn sollte die Europäische Union nicht stur auf "kulturelle Belehrung" setzen. Davon ist die frühere Kulturstaatsministerin Christina Weiss überzeugt. Forderungen, das Land möge die EU verlassen, wie sie zuletzt auf dem Gipfel in Brüssel laut wurden, sieht sie kritisch. Stattdessen sei "kommunikative Kraft" gefragt.
Hintergrund ist das homo- und transsexuellenfeindliche Gesetz, das kürzlich vom ungarischen Parlament verabschiedet worden war. Es widerspricht den menschenrechtlichen Grundsätzen der EU. Dazu sagt Weiss:
"Wir sind nicht diejenigen, die jetzt alle, die noch einen anderen Kultur- und Wertebegriff haben, sofort bekehren müssen. Sie sind vielleicht auch von einer anderen Seite noch gesteuert, die die freie westliche Gesellschaft immer noch nur negativ darstellt. Das ist für die Menschen kein kleiner Konflikt. Aber das Gespräch muss stattfinden und das Einklagen der Rechtsstaatlichkeit – das ist sehr wichtig."
Orbán "zum Schweigen bringen"
Aus ihrer Zeit als Staatsministerin sind ihre viele Gespräche über die Verfassungsformulierungen 2004 im Gedächtnis geblieben. Damals kam es zur EU-Osterweiterung, unter anderem traten Ungarn und Polen der Union bei:
"Ich habe so viel begriffen, dass sich diese Länder alle befreit fühlten und unbedingt wieder zu ihren alten christlichen Werten zurück wollten. Das muss man verstehen. Wir haben das schon überwunden, aber wir können nun nicht verlangen, dass die anderen das in Windeseile tun."
Ungarn sei "eine große europäische Kulturnation", betont Weiss. Das Verhalten von Regierungschef Viktor Orbán stehe dem allerdings entgegen: Er sei ein "Provokateur" und lasse sich gern vom russischen Präsidenten Wladimir Putin beraten. Natürlich müsse man Orbán "zum Schweigen bringen", so Weiss.
(bth)
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