EU-Türkei Flüchtlingsabkommen

Bilanz fällt ernüchternd aus

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, der EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker präsentieren in Brüssel das gemeinsame Flüchtlingsabkommen.
Vor einem Jahr wurde das Flüchtlingsabkommen präsentiert. © Imago/Belga
Von Thomas Otto |
Nur wenige Ziele des Flüchtlingsabkommens zwischen der Türkei und der EU wurden nach einem Jahr erreicht. Zwar kamen weniger Flüchtlinge auf den griechischen Inseln an, aber legale Migrationswege nach Europa konnten nicht geschaffen werden.
Obwohl es schon mehrmals totgesagt wurde und die türkische Seite wiederholt die Drohung ausgesprochen hat, es aufzukündigen: Offiziell steht das Flüchtlingsabkommen zwischen EU und Türkei. Auch, wenn die Stimmung zwischen den EU-Staaten und Ankara bei weitem nicht mehr so freundlich ist wie vor einem Jahr, als Ratspräsident Donald Tusk die Einigung verkündete und der damalige türkische Premier Ahmet Davutoglu davon sprach, dass die Türkei und die EU das gleiche Schicksal, die gleichen Herausforderungen und die gleiche Zukunft hätten.
Damals war auf dem EU-Türkei-Gipfel in Brüssel ein umfangreicher Plan beschlossen worden: Die Türkei erhält bis Ende 2017 drei Milliarden Euro zur Versorgung der Flüchtlinge im Land. Bisher wurden 39 Projekte im Umfang von 1,5 Milliarden Euro vereinbart.

EU-Beitrittsverhandlungen und Visa-Liberalisierung

Die EU sagte der Türkei außerdem zu, die Verhandlungen über weitere Kapitel im Beitrittsprozess aufzunehmen. Nachdem im Mai 2016 die Gespräche im Bereich Haushalt und Finanzen begonnen wurden, wurde allerdings kein weiteres Kapitel mehr eröffnet. Drittens wurde der Türkei versprochen, den Prozess der Visa-Liberalisierung schneller voranzutreiben, wie Premier Davutoglu damals erklärte:
"Die Türkei muss einige Voraussetzungen erfüllen: Wir hatten 72 Bedingungen, von denen wir bereits 37 erfüllt haben. Es bleiben also noch 35. Und wir hoffen, dass wir sie bis Mai alle erfüllen. Und dann muss Europa in Parlament, Rat und Kommission seinen Teil erfüllen und die Visa-Liberalisierung umsetzen."
Bis heute sind allerdings nicht alle Bedingungen erfüllt, weshalb es auch keine Visa-Befreiung gibt. Die türkische Seite sieht darin wiederum einen Bruch des Abkommens. Im Gegenzug für die Zusagen der EU versprach die Türkei, alle aus Griechenland abgeschobenen Flüchtlinge aufzunehmen. Für jeden Flüchtling, der über die Ägäis auf eine der griechischen Inseln kommt und in die Türkei wieder abgeschoben wird, nimmt die EU im Rahmen dieses 1:1-Mechanismus einen syrischen Flüchtling direkt aus der Türkei auf. Das Ziel der EU, wie es Angela Merkel vor einem Jahr darlegte:
"Mit dem, was wir heute beschließen, werden wir das Geschäftsmodell der Schmuggler und Schlepper wirklich noch einmal hart treffen, indem wir Alternativen aufzeigen, wie man auf legalen Wegen auch nach Europa kann."

Weniger Flüchtlinge auf griechischen Inseln

Das erste Ziel wurde erreicht: Kamen Mitte Dezember 2015 über 5.000 Menschen am Tag auf den griechischen Inseln an, waren es nach Inkrafttreten des Abkommens weniger als 50. Gab es im Jahr 2015 über 1.000 ertrunkene Flüchtlinge in der Ägäis, waren es 2016 nur noch 80.
Anders sieht es aber bei den legalen Migrationswegen aus: Im Rahmen des 1:1-Mechanismus wurden bisher 916 Flüchtlinge aus Griechenland wieder abgeschoben und etwa 4.000 syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufgenommen. Die Wahrscheinlichkeit, auf diesem legalen Weg Asyl in Europa zu erhalten ist also äußerst gering.
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