EU-Ukraine-Abkommen

Brüssel verlangt Einlenken im Fall Timoschenko

Von Annette Riedel |
Kommende Woche soll ein Abkommen zwischen der EU und der Ukraine unterzeichnet werden. Doch die EU-Außenminister sperren sich. Sie fordern, dass die inhaftierte Ex-Regierungschefin für eine medizinische Behandlung ausreisen darf.
Eigentlich wollten die EU-Außenminister heute eine Entscheidung fällen: Kann mit der Ukraine, wie geplant, in der kommenden Woche in der litauischen Hauptstadt ein Abkommen unterzeichnet werden, das das Land dichter an die Europäische Union heranführen würde oder nicht? Eigentlich.
Tatsächlich könnte es heute nur ein Nein geben, weil die Ukraine aus Sicht der EU die Bedingungen dafür noch nicht erfüllt hat. Ein Nein soll es aber nicht geben. Und so wird heute nichts entschieden – in der Hoffnung, dass in Kiew bis zum Gipfel mit den östlichen Partnern in zehn Tagen noch entscheidende Weichen gestellt werden.
"Die Zeit rennt und die Zeit läuft aus. Und das muss auch jeder in der Ukraine wissen",
sagte Bundesaußenminister Westerwelle am Morgen in Brüssel. Der Ball liegt im Spielfeld des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, befindet der schwedische Außenminister Bildt und so sehen es wohl auch die meisten seiner Kollegen.
"Wir wissen, was wir tun. Ich bin nicht sicher, dass Janukowitsch es weiß."
Es geht um drei Bereiche, in denen aus Sicht der EU-Außenminister noch entscheidende Schritte in der Ukraine ausstehen:
Ukrainisches Parlament hat bisher nicht eingelenkt
"Es geht um das Wahlsystem, saubere Gewaltenteilung und selektive Justiz",
bringt der litauische Außenminister Linkevicius die Bereiche auf den Punkt, in denen die EU noch Bewegung Kiews sehen will. "Selektive Justiz" bezieht sich dabei in erster Linie auf den Fall der kranken inhaftierten Ex-Regierungschefin Timoschenko.
"Wir haben ein Angebot gemacht, dass Frau Timoschenko in Deutschland medizinisch behandelt werden kann, ich habe dieses Angebot auch persönlich Staatspräsident Janukowitsch unterbreitet. Und dieses Angebot steht."
Allerdings steht es im Moment im luftleeren Raum, denn das ukrainische Parlament hat es bisher abgelehnt, die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Morgen tritt das Parlament in Kiew erneut zusammen.
Auch intern gibt es durchaus Kritik an der Haltung der EU. Tenor: Ein so wichtiges Abkommen wie das mit der Ukraine würde zu sehr vom Wohl und Wehe einer einzelnen umstrittenen Politikerin abhängig gemacht. Der Bundesaußenminister verwies noch einmal darauf, dass die Causa Timoschenko als exemplarische begriffen wird.
"Dass der Fall von Frau Timoschenko eine besondere Aussagekraft hat, auch für die Abkehr von selektiver Justiz, für Rechtsstaatlichkeit – das ist ganz offensichtlich."
Vor allem im Osten EU-Europas allerdings fürchtet man, dass die EU sich in eine schwierige Lage manövriert haben könnte mit der ultimativen Forderung, dass vor der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine das Schicksal von Julia Timoschenko geklärt sein müsse. Es geht da letztlich mittlerweile längst auch um Gesichtswahrung.
Kiew könnte sich für Russland und gegen für die EU entscheiden
Gerade in den östlichen EU-Ländern sieht man die Gefahr, dass sich Kiew doch noch für eine engere Annäherung an Russland auf Kosten der Annäherung an die EU entscheiden könnte, wenn man die Hürden dafür zu hoch schraubt. Denn Moskau hat einiges Potenzial, die Ukraine mit Drohungen und Verlockungen zu motivieren, sich wieder stärker nach Osten zu orientieren. Das wäre niemandem in der EU Recht, aber vor allem den ehemaligen Ländern des Ostblocks wäre eine solche Entwicklung mehr als unbehaglich.
"Das, was zählt, ist, glaube ich, die Sache. Der Ukraine geht es wirtschaftlich nicht sehr gut. Eine Annäherung an die Europäische Union wäre im Interesse der Ukraine, selbstverständlich auch der Europäischen Union und im Interesse Russlands."
Erkennbar teilt man weder in Kiew noch in Moskau diese Einschätzung des luxemburgischen Außenministers Asselborn uneingeschränkt.
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