Neuschwanstein bleibt bayerisch
2011 hat sich der Freistaat Bayern Neuschwanstein als Marke schützen lassen, sehr zum Ärger der Souvenirhändler und -hersteller. Jetzt entschied der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über ihre Klage. Erledigt ist der Streit damit jedoch noch nicht.
Neuschwanstein, das von Ludwig dem Zweiten erbaute Märchenschloss, gehört zweifelsohne zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Deutschland. Aber mit welchen Hintergedanken erwirbt sich ein Besucher oder auch ein anderer Kunde einen Souvenirartikel mit der Aufschrift Neuschwanstein? Dann, wenn er vor Ort ist oder schon mal vor Ort war, argumentiert Bernhard Bittner. Der Patentanwalt vertritt die Belange des Bundesverbandes "Souvenir Geschenke Ehrenpreise":
"Stellen Sie sich vor, ein Tourist kauft ein T-Shirt mit dem Aufdruck Neuschwanstein, dann glaubt der nicht, dass dieses T-Shrit von einem speziellen Hersteller stammt, sondern er will einfach nur eine Erinnerung an das Schloss erwerben. Von daher glauben wir, es ist nicht markenfähig."
"Neuschwanstein" ist mehr als nur eine Ortsbezeichnung
Doch, sagt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Er hat heute einen Jahre dauernden Rechtsstreit zwischen dem Freistaat Bayern und dem Souvenirverband zugunsten des Freistaates entschieden. Das Wortzeichen Neuschwanstein sei sehr wohl eine Marke, weil das Zeichen so bekannt sei, dass es vom Verbraucher sofort ohne großes Nachdenken zugeordnet werden kann, also Unterscheidungskraft besitzt.
Damit sei – so die Argumentation der Europäischen Richter – die geschützte Marke Neuschwanstein auch nicht an den Ort gebunden, weil, es würden vor Ort eben keine Waren, also Mitbringsel hergestellt. Direkte Auswirkungen auf die Geschäfte der Souvenirhändler hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zunächst nicht, sagt Bittner:
"Es bleibt abzuwarten, ob nun tatsächlich der Freistaat Bayern Lizenzforderungen stellt. Bis ins Jahr 2016 wurde stets behauptet, ein solches Vorhaben würde nicht bestehen. In jüngster Zeit scheint sich die Meinung da aber geändert zu haben."
Erhebt Bayern jetzt Lizenzgebühren?
Die Bayerische Schlösserverwaltung hat heute mitgeteilt, dass sie inzwischen dazu übergegangen sei, in einigen wenigen Fällen Lizenzgebühren für die Nutzung der geschützten Wortmarke Neuschwanstein zu verlangen. Allerdings seien die eingeforderten Summen eher symbolischer Natur und die kleineren Souvenirhändler, die im Verband "Souvenir, Geschenke, Ehrenpreise" zusammengefasst sind, sind davon offenbar nicht betroffen.
Allerdings könnte die Frage der Lizenzgebühren noch von Bedeutung werden. Denn der Verband der deutschen Souvenirhersteller gibt sich noch nicht geschlagen: Er hat beim Europäischen Markenamt in Alicante erneut die Löschung der Unions-Marke Neuschwanstein beantragt. Bernhard Bittner:
"Dieses allerdings mit einem anderen Argument, nämlich mit dem Argument der Nichtbenutzung, wir haben argumentiert, der Freistaat Bayern hat diese Marke noch nicht verwendet."
Auch das Oktoberfest soll Marke werden
Das europäische Markenrecht ist quasi ein Ewigkeitsrecht, das immer wieder verlängert werden kann, sofern für die eingetragenen Schutzrechte gezahlt wird. Es kann aber auch gelöscht werden, wenn – so heißt es in den Statuten – ein Mangel an ernsthafter Benutzung festgestellt wird. Nur eintragen lassen, damit andere es nicht nutzen, geht auf Dauer nicht.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes weist daher über Neuschwanstein hinaus. Denn es ermöglicht nicht nur den Verwaltern oder Besitzern von Wahrzeichen, sondern beliebigen Dritten, sich diese als Marken eintragen zu lassen und damit Geschäfte zu machen. Jüngstes Beispiel sind die Überlegungen zum Oktoberfest in München. Die Stadt hat im März dieses Jahres die Eintragung der Marke Oktoberfest beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt. Damit soll die Nutzung der Wortmarke durch Dritte gesteuert werden und eventueller Missbrauch vermieden werden. Eine Entscheidung dazu aber steht noch aus.