EU-Kommission plant Chatkontrolle

“Unsere Computer und Handys sind unser ausgelagertes Gehirn”

10:38 Minuten
Silhouette eines Mannes mit Smartphone in den Händen, aufgenommen durch ein strukturierte Glastür eines Hauses.
Auch der Kampf gegen Kindesmissbrauch rechtfertigt es nicht, dass Behörden anlasslos unsere persönlichen Daten durchforsten, meint Markus Reuter. © picture alliance / Zoonar / Ewald Fr
Markus Reuter im Gespräch mit Vera Linß und Marcus Richter |
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Um gegen Kindesmissbrauch vorzugehen, möchte die EU-Kommission Chatkontrollen einführen. Standardisiert sollen Bilder durchforstet und bei Verdachtsfällen an Behörden gemeldet werden. Ein gefährlicher Plan, findet Markus Reuter von netzpolitik.org.
Auf der Suche nach bedenklichen Inhalte proaktiv private Endgeräte durchforsten, so lautet der Plan der EU-Kommission.
“Bislang ist es nur eine Idee, die aber auch die Innenministerinnen und Innenminister der EU gut finden”, erklärt Markus Reuter von Netzpolitik.org. Ein Gesetzentwurf liegt noch nicht vor, wird aber erarbeitet.
Theoretisch soll die Privatsphäre weiterhin gewahrt bleiben, indem die Nachrichten mitsamt Bildern auch in Zukunft verschlüsselt versendet werden. So zumindest die Idee.

Durchleuchten vor dem Absenden

“Jedes Bild hat einen digitalen Fingerabdruck, an dem ich das erkennen kann, ohne dass ich mir das ganze Bild anschauen muss”, erklärt Reuter. Das macht es möglich, die Inhalte auf den Geräten vor dem Absenden mit einer Liste mit bedenklichen Inhalten abzugleichen. 
Solche Listen werden etwa von Organisationen gepflegt, die sich für die Bekämpfung von Kindesmissbrauch einsetzen. In diesen Datenbanken sind die digitalen Fingerabdrücke, sogenannte Hashes, von Bildern oder Videos, die bereits als illegal identifiziert worden sind. Diese Listen werden dann noch auf den Endgeräten vor dem Versenden mit den Bildern abgeglichen.
Schlägt das System Alarm, weil ein Inhalt wiedererkannt wurde, würden dann die zuständigen Behörden eingeschaltet werden. Zudem ist es möglich, das Senden dieser Inhalte zu verhindern, sodass sich die illegalen Dateien nicht weiter verbreiten können. Unklar ist noch, ob die Geräte oder die Apps der großen sozialen Netzwerke diese Kontrolle durchführen sollen.

Übers Handy in die Köpfe gucken

Markus Reuter hat allerdings starke Bedenken: “Diese Technologie funktioniert nicht nur mit Bildern von Kindesmissbrauchsdarstellung, sondern mit allen Dateien, die ich habe.” Behörden könnten also nach allen möglichen Bildern und Inhalten suchen, wenn sie diese der Liste hinzufügen, meint er.
Die Privatsphäre der Menschen spiele hier eine ganz wichtige Rolle: “Unsere Computer und Handys sind sowas wie unser ausgelagertes Gehirn. Da sind die intimsten Sachen. Ich denke einfach, dass selbst der Kampf gegen Kindesmissbrauch nicht rechtfertigt, so tief einzugreifen und anlasslos Dateien zu durchsuchen.”
Zudem sorgt sich Reuter um die Ausweitung der Technologie: “Dem wohnt sowas inne, dass am Ende der Staat die Endgeräte der Bürgerinnen und Bürger kontrollieren kann.”
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