"Euphoria" von Julian Rosefeldt

Abgründe und Faszination des Kapitalismus

07:53 Minuten
In einer großen Halle werden Bilder auf fünf Bildschirme projiziert. Das zentralste Bild zeigt die Nahaufnahme einer Schwarzen Frau. Auf den seitlichen Monitoren sind Schlagzeugspieler und nebeneinander stehende Menschen in Lebensgröße zu sehen.
"Euphoria" auf der Ruhrtriennale 2022: Der Kapitalismus sei so erfolgreich, weil er auf den menschlichen Urbedürfnissen fuße, sich zu entwickeln und zu wachsen, sagt Julian Rosefeldt. © Ruhrtriennale / Katja Illner
Julian Rosefeldt im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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Premiere auf der Ruhrtriennale: Mit der aufwendigen Videoinstallation "Euphoria" führt der Künstler Julian Rosefeldt einen entfesselten Kapitalismus vor. Szenen unter US-Bankern hat er im Kiewer Hauptbahnhof gedreht. Bis der Krieg kam.
Mit seiner neuen Videoinstallation "Euphoria" erzählt der Münchner Filmkünstler Julian Rosefeldt von der menschlichen Gier. Auf der Essener Ruhrtriennale, in der Zeche Zollverein, hatte das auf 24 Bildschirmen gezeigte Werk am Donnerstag Premiere. Es zeigt einen entfesselten Kapitalismus, führt in Logistikzentren, einen Schiffsfriedhof, aber auch eine amerikanische Bank.
Als Gewissensstimme der Gesellschaft ist der Brooklyn Youth Chorus zu hören, und Verlierer des Systems kommen zu Wort. In Textcollagen hat Rosefeldt die kapitalistische Wirtschafstheorie zu "sprechbaren Szenen" verarbeitet, wie er sagt. Nur: Wie passt der Titel "Euphoria" zum Thema Gier?

Euphorie des Konsums als Triebfeder

Triebfeder des Kapitalismus sei nun einmal "die Euphorie des Konsums", erklärt der Künstler. Das betreffe auch kapitalismuskritische Menschen: "Die Euphorie ist aber das, was mir immer wieder erklärt, warum es tatsächlich das alternativlose System bis jetzt ist, weil die Menschen einfach mit großer Begeisterung wachsen wollen, sich entwickeln wollen, erfinden wollen und auch miteinander in Konkurrenz treten wollen. Die Euphorie kennen wir alle – auch die Euphorie des frisch gekauften Was-auch-immer-Produkts."

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Bei den Dreharbeiten musste Rosefeldt selbst auch den Regeln des Kapitalismus folgen: Es war billiger, Szenen in einer angeblichen New Yorker Bank in der großen Wartehalle des Hauptbahnhofs von Kiew zu drehen als in den USA. "Das sind ukrainische Schauspielerinnen, Tänzerinnen und Akrobaten, die wir in Kiew in Anzüge und Klamotten von Bankangestellten gesteckt haben", verrät er.
Doch kurz vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar mussten die Dreharbeiten abgebrochen werden, weil es "zu brenzlig" geworden sei: "Die Gegenwart hat uns eingeholt."
In Rosefeldts erfolgreichem vorherigen Werk "Manifesto" hatte Cate Blanchett 13 verschiedene Rollen verkörpert. In "Euphoria" verleiht sie dem Tiger ihre Stimme. Dieser ziehe ein "relativ bitteres Fazit". Welches genau, will der Künstler aber noch nicht verraten.
(bth)

"Euphoria" ist in der Zeche Zollverein auf der Ruhrtriennale in Essen zu sehen. Noch bis 10. September während der Öffnungszeiten täglich 12–19.30 Uhr.

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