Eurasische Union

Nur ein Vehikel der Politik

Ernst-Jörg von Studnitz im Gespräch mit Nana Brink |
Die geplante Eurasische Union ist ein rein politisches Projekt ohne wirtschaftlichen Mehrwert, glaubt Ernst-Jörg von Studnitz. Der russische Präsident Wladimir Putin wolle, dass die beteiligten Länder eine einheitliche Haltung zum Westen einnehmen.
Nana Brink: Als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts hat Russlands Präsident Putin mal den Zusammenbruch der Sowjetunion vor zehn Jahren bezeichnet. Kaum ein Satz, der nicht nur viel zitiert wurde seit Ausbruch der Krise in der Ukraine, ein Satz auch, der klarmacht, was das Rückgrat der Putinschen Strategie ist: wenn nicht politisch, so doch wirtschaftlich viele ehemalige Teile des Sowjetreiches zusammenzubinden. Wobei er das Vorbild EU vor Augen hat, wie er einmal bekannte. Morgen soll in Moskau nun eine Erklärung für die Gründung einer Eurasischen Union unterzeichnet werden. Erst mal zwischen Russland, Kasachstan und Weißrussland, die schon bereits im Rahmen einer Zollunion zusammenarbeiten. Geplant – und jetzt wird es interessant – war auch die Aufnahme der Ukraine, was durch deren wiederum geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU ja die Krise erst überhaupt ausgelöst hat. Ernst-Jörg von Studnitz war ehemals Botschafter in Moskau und ist Ehrenvorsitzender des Deutsch-Russischen Forums. Schönen guten Morgen, Herr von Studnitz!
Ernst-Jörg von Studnitz: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Was will denn Präsident Putin mit dieser Eurasischen Union erreichen wirklich?
von Studnitz: Sie haben es in Ihrer Anmoderation eigentlich ja schon ausgedrückt: Es geht ihm darum, das, was einmal zur Sowjetunion und damit zu dem großen russischen Reich ja auch in der Zarenzeit schon gehört hat, wieder in den russischen Einflussbereich fester einzufügen. Da sind sicherlich in erster Linie politische Absichten dahinter, nicht so sehr wirtschaftliche Absichten. Dass das nachher das Gewand der Wirtschaftsunion annimmt, ist nur das Vehikel, in dem diese Gedanken, diese Pläne vorangebracht werden können.
Auch die Ukraine sollte in Eurasische Union einbezogen werden
Brink: Dann ist es eigentlich nicht zum Nutzen dieser Satellitenstaaten, kann man ja sagen, sondern ausschließlich zum Nutzen Russlands?
von Studnitz: Naja, der Nutzen der Satellitenstaaten, also, wenn man die so bezeichnen will, ist eigentlich natürlich der, dass sie dann auch an gewissen Zollvergünstigungen beteiligt sein können, wovon vor allen Dingen so ein Land wie Weißrussland in hohem Maße abhängig ist. Für Kasachstan gilt das nicht. Kasachstan ist ja eine sich sehr gut entwickelnde, boomende Wirtschaft aufgrund der reichen Öl- und Gasvorräte, die es in diesem Lande gibt. Dort geht es eigentlich mehr darum, die Abflusskanäle, sprich: die Pipelines zu kontrollieren, die ja ohne die – da ja Kasachstan ein Binnenland ist –, ohne den Ausweg über Russland eigentlich kaum zu vermarkten wären.
Brink: Nun sollte ja die Ukraine auch mal Bestandteil dieser Union werden und vielleicht verstehen wir erst jetzt, wie kritisch es dann natürlich im Sinne Putins war, dass ihm das jetzt weggebrochen ist.
von Studnitz: Sie haben eingangs gesprochen von Plänen. Ich würde eher sagen: von Absichten. Denn seitens der Russen bestand natürlich der Wunsch, vielleicht auch sogar ein Plan, die Ukraine in diese Eurasische Union einzubeziehen. Derartige Absichten und Pläne hat es auf der ukrainischen Seite nicht gegeben. Man hat eigentlich mit allen Mitteln versucht, sich dem zu entziehen. Das hat man dann in der Orientierung auf die Europäische Union versucht und darüber ist dann in der Tat der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und dem Westen ausgebrochen.
Brink: Nun ist es ja trotzdem interessant, dass das morgen ja in Russland mit viel Aplomb, also mit einer großen Feierlichkeit veröffentlicht werden soll. Das ist ja auch eine PR-Aktion. Wie weit muss man sich in der Europäischen Union darum sorgen?
NATO als Garant für die Sicherheit Polens und der Balten
von Studnitz: Ich meine, natürlich, da daran auch dran hängt der weiter schwelende Konflikt in der Ukraine, ist das natürlich eine Herausforderung für die EU. Und wenn es eben nicht gelingen sollte, diesen Ukraine-Konflikt zu entschärfen – es gibt ja viele Bemühungen gerade auch der deutschen Bundesregierung und des Außenministers Steinmeier, in diese Richtung zu wirken –, dann wird dieses Problem auch für die Europäische Union wieder an Schärfe gewinnen. Ich meine, in dem Maße, wie Moskau Drohgebärden gegenüber der Ukraine ausspricht und sich auswirken lässt – an der Krim haben wir es ja gesehen –, sind natürlich vor allen Dingen die östlichen Nachbarn der Europäischen Union, also in erster Linie die baltischen Staaten und Polen, sehr beunruhigt. Insofern schlägt das auch zurück auf die Europäische Union.
Brink: Das heißt also, Russland, kann man sagen, ist das auch der Versuch, einen Keil zu treiben zwischen Russland und den Vereinigten Staaten?
von Studnitz: Sie meinen, zwischen der Europäischen Union?
Brink: Ja, zwischen der Europäischen Union, Pardon!
von Studnitz: Das würde ich eigentlich so nicht formulieren, und zwar deshalb nicht, weil die Vereinigten Staaten natürlich eine eigene Politik in Europa auch in der Ukraine betreiben, die sich nicht voll deckt mit dem, was die Europäische Union tut. Aber ich sehe da eigentlich keinen Keil. Denn die Europäer wissen alle ganz genau, dass, wenn es zu einer Sicherheitsbedrohung für unsere östlichen Nachbarn, also die Balten und die Polen in erster Linie kommt, dann sind wir alle angewiesen auf die NATO und damit auf den amerikanischen Schutz. Und das ist auch die Garantie dafür, dass Putin es nicht wagen wird, gegen diese Länder vorzugehen, das ist ganz klar. Insofern gibt es da keine Keile.
Nein, die Frage für die Europäische Union in Bezug auf die Eurasische Union ist viel mehr: Wie wird sich, wie kann sich die Europäische Union auf diese eher politisch als wirtschaftlich gemeinte, aber gleichwohl natürlich jetzt Gestalt annehmende, neue wirtschaftliche Vereinigung einstellen? Und das ist natürlich keine müßige Frage, denn immerhin ist Russland für die EU ein ganz wesentlicher Handelspartner, ist auch ein wichtiger Handelspartner natürlich für Deutschland alleine. Aber Russland weiß auch ganz genau, dass mehr als 50 Prozent seines gesamten Außenhandels mit der Europäischen Union abgewickelt werden. Das wird immer irgendwo vergessen oder in den Hintergrund gedrängt, aber Russland hat schon ein gewaltiges Interesse daran, die Beziehungen zur Europäischen Union nicht zu stören, denn sonst würde dieser Handel gewaltig beeinträchtigt werden.
Keine wirklichen wirtschaftlichen Vorteile
Brink: Wenn man das jetzt von der anderen Seite sehen könnte, könnte das ja vielleicht durchaus auch positiv sein, die Gründung so einer Eurasischen Union?
von Studnitz: Wissen Sie, ich sehe eigentlich die wirklichen wirtschaftlichen Vorteile dieser Eurasischen Union bisher nicht. Denn die Handelsbeziehungen zu den europäischen Staaten, einschließlich auch Kasachstan, haben sich ja durchaus fruchtbar entwickelt. Wo also der Mehrwert dieser Eurasischen Union liegen sollte, das kann ich im Augenblick noch nicht sehen, zumal ich es eben wirklich überwiegend als ein politisches Projekt einschätze, das sichern soll, dass diese Länder unter russischer Führung eben eine einheitliche Haltung gegenüber dem Westen einnehmen.
Brink: Also: Russland keine Regionalmacht, wie das Präsident Obama abfällig gesagt hat?
von Studnitz: Nein, ich halte das für falsch, dass der Präsident Obama das gesagt hat, weil es nur dazu führt, dass sich die Russen abermals beleidigt fühlen. Und so was muss man nicht machen in internationalen Beziehungen.
Brink: Hans-Jörg von Studnitz, ehemals Botschafter in Moskau und Ehrenvorsitzender des Deutsch-Russischen Forums. Schönen Dank, Herr von Studnitz, für die Zeit!
von Studnitz: Schönen Dank, Frau Brink!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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