Radikaler Kurswechsel der Bundesregierung
Trotz Schulden und Massenarbeitslosigkeit: Der Verbleib Griechenlands in der Eurozone war für Angela Merkel "alternativlos". Laut einem Bericht des "Spiegel" hat sich die Stimmung nun gedreht. Die Angst vor einem Dominoeffekt scheint verschwunden.
Dem "Spiegel"-Bericht zufolge seien Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble anders als noch vor ein paar Jahren zuversichtlich, dass der Euro das Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion verkraften würde. Die Furcht vor einem Dominoeffekt, der auch andere Länder ergreifen könnte, sei mittlerweile weniger groß, da Portugal und Irland als saniert gelten und Zypern auf gutem Wege sei, seine Bankenkrise zu bewältigen. Sollte Griechenland sich nach den Wahlen vom Sparkurs verabschieden, sei ein Austritt in den Augen der Bundesregierung sogar "nahezu unausweichlich", so der Bericht. Dies wäre ein radikaler Kurswechsel: Bislang hatte Angela Merkel den Verbleib Griechenlands in der Eurozone immer als "alternativlos" dargestellt.
Tsipras kündigt Ende des Sparkurses an
Damit wächst drei Wochen vor der vorgezogenen Parlamentswahl in Athen der Druck auf die griechische Linkspartei Syriza. Deren Parteichef Alexis Tsipras führt derzeit bei den Umfragen, er hat angekündigt, den radikalen Sparkurs zu beenden und die Sozialleistungen zu verbessern, von Brüssel verlangt er einen weiteren Schuldenerlass.
"Frau Merkel und Herr Schäuble tun so, als könnten sie nicht hören. Aber die Wahrheit wird sie einholen. Die Eurozone kann nicht ewig auf des Messers Schneide balancieren. Entweder sie streicht einen Großteil der Schulden, oder sie werden alle in den Abgrund stürzen."
"Unwahrscheinlich, dass Griechenland seine Schulden je zurückzahlen kann"
Unterstützung für seine Forderung erhielt Tsipras vom Wirtschaftswissenschaftler und Chef des Münchner Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn. Einen weiteren großen Schuldenschnitt bezeichnete er im Tagesspiegel als "folgerichtig". Das Land habe heute doppelt so viele Arbeitslose wie 2010, es sei unwahrscheinlich, dass es seine Schulden je zurückzahlen könne. Eine Rückkehr Griechenlands zur Drachme sei "bedenkenswert", über eine Währungsabwertung könnte das Land wieder wettbewerbsfähig werden. Den Euro sieht Sinn nicht in Gefahr. Dem widersprach der Ökonom Peter Bofinger heute in der "Welt am Sonntag": "Ein solcher Schritt wäre mit sehr hohen Risiken für die Stabilität des Euro-Raumes verbunden", sagte der Wirtschaftsweise. Damit würde möglicherweise ein "Geist aus der Flasche gelassen, der nur schwer beherrschbar wäre".
"Nicht systemrelevant für den Euro"
In der Politik hatte sich bereits in den vergangenen Tagen der Ton gegenüber Griechenland verschärft. "Die Zeiten, in denen wir Griechenland retten mussten, sind vorbei. Es gibt kein Erpressungspotenzial mehr", sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Fuchs mit Blick auf verbesserte Sicherungsmechanismen der Währungsgemeinschaft. Griechenland sei "nicht systemrelevant für den Euro".
Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warnte heute die Griechen in der "Welt am Sonntag" für den Fall, dass die Linkspartei Syriza gewählt werde: Es gebe keine Leistung ohne Gegenleistung, eine Abkehr vom Konsolidierungskurs wäre eine neue Geschäftsgrundlage. Griechenland wird seit 2010 mit Rettungsprogrammen in Höhe von 240 Milliarden Euro von EU, Europäischer Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Wasser gehalten. Tsipras' Partei führt zwar in den Wählerumfragen, gleichzeitig sprachen sich jedoch drei Viertel der Befragten für einen Verbleib in der Euro-Zone aus.