Europa

Das Bürokratie-Monster EU

Der ehemalige bayerische Ministerpräsident, Edmund Stoiber (CSU), auf der Konferenz "Bürokratie abbauen"
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident, Edmund Stoiber (CSU), auf der Konferenz "Bürokratie abbauen" © picture alliance / dpa / Foto: Wolfgang Kumm
Von Thomas Otto  · 14.05.2014
Wenn Brüssels Beamte auch nicht für jede bürokratische Schandtat verantwortlich sind, die ihnen zugeschrieben wird – so trauen die Deutschen ihnen doch jederzeit alles zu. Wir berichten über das Bürokratie-Monster EU – Fiktion und Wirklichkeit.
Stück für Stück lädt der Postbote jedes einzelne Paket aus seinem Wagen. Es ist acht Uhr morgens in der zentralen Poststelle der EU-Kommission am Rande Brüssels. Hochbetrieb. Über ein Rollband laufen zig Pakete durch eine große, graue Maschine, werden durchleuchtet, sortiert und anschließend auf die 70 verschiedenen Gebäude der EU-Kommission verteilt. Claude Spielmann arbeitet seit 23 Jahren in dem fußballfeldgroßen Komplex. Hier hat alles seine Ordnung. Penibel genau richten sich die Mitarbeiter nach den Vorschriften, damit alle Sendungen sicher sind und den richtigen Empfänger finden.
"Das ist unsere Logistik-Plattform. Hier kommen die Paletten, die großen Pakete, und so weiter. Wir haben einen speziellen Screener, so wie auf den Flughäfen. Da wird alles gescreent, wird alles eingeschrieben und das wird dann ausgeliefert gegen Unterschrift. Wir geben nichts raus, ohne Unterschrift. Wir wissen, wer es reingebracht hat, wer es transportiert hat und wer es in Empfang genommen hat.“
Sicherheitsvorschriften seien da sehr genau
Viel Bürokratie für ein paar einfache Pakete und Briefe. Aber das müsse so sein, beharrt Spielmann, die Sicherheitsvorschriften seien da sehr genau. Und wenn wichtige Staatschefs wie US-Präsident Barack Obama nach Brüssel kommen, wird doppelt so oft durchleuchtet und kontrolliert. Die Klage über zu viel Bürokratie, zu langwierige Gesetzgebungsverfahren und Überregulierung in der EU ist älter, als die Union selbst. Es gab sie schon zu Zeiten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. So soll der damalige Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Alwin Münchmeyer, 1974 in einem Interview gesagt haben:
"Das Vaterunser hat 56 Wörter, die Zehn Gebote haben 297 und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300. Aber eine Verordnung der EWG-Kommission über den Import von Karamellen und Karamelprodukten zieht sich über 26 911 Wörter hin.“
Dieses Bonmot der EU-Kritik hat auch der langjährige CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident von Bayern Franz Josef Strauß gern genutzt. Nur leider hat es die Karamellenverordnung nie gegeben. Der Ausspruch ist blanker Populismus. EU-Stimmungsmache, die bis heute zur CSU gehört. Auch im aktuellen Wahlprogramm spricht die CSU von Überregulierung und Bürokratie. Damit kritisiert sie sogar indirekt ihren ehemaligen Vorsitzenden Edmund Stoiber, der seit sieben Jahren in Brüssel die EU-Arbeitsgruppe zum Bürokratie-Abbau leitet und hier bei diversen Pressekonferenzen auf seine Erfolge hinweist:
"Eine der wichtigsten ist, dass wir es geschafft haben, dass Europa seine Richtlinien geändert hat, dass auch eine elektronische Rechnung für das Finanzamt ausreich-end ist, um die Mehrwertsteuer zu berechnen. Bisher war das aufgrund europäischen Rechts nur durch eine Papierrechnung möglich. Die Kostenreduzierung in Europa sind etwa 18,4 Milliarden Euro, sie sind in Deutschland etwa 3,8 Milliarden Euro.“
Unnötige Bürokratie-Kosten
Ziel der Arbeitsgruppe von Edmund Stoiber ist es, bestehende Regelungen zu überprüfen, ob sie unnötige Bürokratie-Kosten für die Wirtschaft verursachen und somit Wachstum behindern. Edmund Stoiber beendet in diesem Jahr seine Arbeit in Brüssel. Aber der Bürokratie-Abbau soll weitergehen mit dem sogenannten REFIT-Programm, um EU-Recht zu verschlanken und einfacher für Unternehmen zu gestalten. Ein weiterer Kritikpunkt der EU-Skeptiker ist der große Beamtenapparat. 33.000 Mitarbeiter hat die EU-Kommission. Diesen Vorwurf kontert Präsident Barroso gern indem er seine Behörde mit deutschen Städten vergleicht. München zum Beispiel hat genauso viele Bedienstete wie die EU-Kommission. Berlin sogar dreimal so viele.
Mehr zum Thema