Europa-League-Teilnehmer F91 Düdelingen

Aus dem Autohaus in die Europa League

Fünf Schiedsrichter laufen vor den Mannschaften des F91 Düdelingen und des AC Mailand auf den Rasen eines Fußballstadions
Die Mannschaften des F91 Düdelingen und des AC Mailand vor dem Europa-League-Gruppenspiel im Luxemburger Stade Josy Barthel © Majerus/Imago
Von Heinz Schindler |
Für die Europa-League-Spiele wurden die Fußballer des F91 Düdelingen von ihren Arbeitgebern freigestellt. Nun kicken die Luxemburger Halbprofis gegen Mailand und Sevilla. Doch was wie ein Märchen klingt, ist eine Bedrohung für den Fußball im Großherzogtum
Weit geht der Blick über die bunten, gleichwohl schlichten Fassaden von Düdelingen ganz im Süden Luxemburgs. Die 20.000-Einwohner-Stadt ist mit ihrem Stahlwerk der wichtigste Industriestandort des Landes. Das Stadion Jos Nusbaum des F91 Düdelingen liegt am Ende einer Sackgasse, am Rande der Stadt. Nur die Haupttribüne aus Holz ist überdacht, die Gegenseite in den Berg gebaut, hinter einem Tor die Gärten der Anlieger, hinter dem anderen der Weg in die Umkleiden der angrenzenden Turnhalle. Fußball wird hier auf das Wesentliche reduziert. Und auch in der Stadt entdeckt man weder Veranstaltungsplakate noch Autoaufkleber von F91. Dessen erster Fanclub, zu dem auch Bob Kettenmeyer gehört, ist da schon eine Neuerung.
"Uns gibt’s eigentlich erst seit August 2018. Also eigentlich war es immer eine gespaltene Gruppe bei uns im Stadion. Das heißt, waren mehrere einzelne Gruppen, die jetzt Fußball schauen gegangen sind. Aber haben nach einer Zeit jetzt auch mit der Europa League gemerkt: jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um was Großes zu erreichen. Weil jetzt erreicht man auch Leute, die vorher nicht zum Fußballgucken gekommen sind."
Ein etwas trostloser Fußballplatz vor einem Wohnviertel, Nebel liegt über einem Berg im Hintergrund.
In dem Stadion des F91 Düdelingen dürfen keine Europa-League-Partien gespielt werden.© Heinz Schindler für Deutschlandfunk Kultur
Ist die Europa League mit F91 ein Wunder, so sind Heimspiele in Düdelingen unmöglich. – Selbst beim Nationalstadion in Luxemburg- Stadt, etwa zwanzig Autominuten entfernt, drückte die UEFA ein Auge zu, erzählt Manou Goergen vom Vorstand des F91 Düdelingen.
"Zum Beispiel die Kabinen hier, die haben keine eigenen Toiletten. Das heißt, Spieler vom AC Mailand gehen auf die gleiche Toilette wie die Spieler vom F91 Düdelingen. Und das natürlich dürfte nicht sein. Aber wir können jetzt nicht das ganze Stadion umbauen, nur um separate Toiletten zu haben. Also hat die UEFA geschluckt und hat uns das dann trotzdem genehmigt."
Für die Gegner aus Sevilla, Piräus und Mailand ist es wie eine Zeitreise mitten in Europa.

Mit einem Viertligisten-Etat Dauermeister in Luxemburg

"Die Leute von Sevilla und Piräus waren gleichzeitig hier um sich das Stadion anzuschauen. Und die haben schon insgeheim ein bisschen gelächelt. Die haben dann auch in ihrer Sprache untereinander kommuniziert, wo ich Gott sei Dank nicht alles mitbekommen habe, was die da gesagt haben. Die haben natürlich gesagt: Wir sind gewohnt, in großen Stadien zu spielen, multifunktionelle Arenen. Und das hier hat seinen Charme und es ist auch schön, dass es diese Sensation auch noch gibt um eben Fußball zu zeigen: es geht auch anders."
F91 Düdelingen muss einen Spagat meistern: In Europa Debütant, zu Hause dominant. Mit 2,8 Millionen Euro hat der Verein den größten Etat der Liga – vergleichbar mit manch deutschem Viertligisten.
Dabei stecken hinter der Sensation ein potenter Geldgeber und viele Spieler aus dem benachbarten Ausland. Das kommt nicht überall gleich gut an in einer Liga, die gehobenen Amateurfußball gewohnt ist und wo Spieler und Zuschauer einander oft noch kennen.
"Man kann nicht Meister werden, wenn man nur mit Luxemburgern spielt. So realistisch muss man sein. Wir versuchen natürlich, einen guten Mittelweg zu finden zwischen guten luxemburgischen Spielern, Perspektivspielern aus Luxemburg, aber dann auch einigen gestandenen Spielern aus dem Ausland hinzuzuholen. Ich denke, dass Luxemburg insgesamt davon profitiert, wenn wir auch die Erfahrung von ausländischen Spielern in die Mannschaften bekommen."

Luxemburger wollten Migranten lange nicht mitspielen lassen

Eine Art Befruchtung des luxemburgischen Fußballs, wie es sie schon einmal gegeben hat, wenngleich vor ganz anderem Hintergrund, erklärt Denis Scuto, Historiker an der Universität von Luxemburg.
"Das war dann die portugiesische Immigration ab den 60er-Jahren. Die wollten aber auch Fußball spielen und haben sich dann parallel sozusagen eine eigene Fußballmeisterschaft gegründet. Und das war nicht einfach. In den Nullerjahren gab es Versuche dieser portugiesischen Vereine, in die Luxemburger Fédération eingegliedert zu werden und da gab es Resistenzen. Und erst dadurch, dass sie fusioniert haben dann mit luxemburger Vereinen wurden sie eigentlich aufgenommen in die Luxemburger Fédération."
Erstligist Benfica Hamm aus Luxemburg-Stadt etwa vereint in seinem Namen die Anspielung auf Benfica Lissabon mit dem portugiesisch geprägten Viertel der Hauptstadt. Mindestens 100.000 Portugiesen leben in Luxemburg.

Zu Ligaspielen kommen in Düdelingen nur 500 Zuschauer

Während 8.000 Besucher die Europa League-Heimspiele sehen, interessieren sich nur 400 bis 500 davon für die Ligaspiele im Düdelinger Stadion. Wie fast überall im Land fehlt es an Komfort und Infrastruktur. Doch dem Ruf nach mehr Professionalisierung können und wollen nicht alle Vereine folgen. Der frühere Nationalspieler Denis Scuto, der zwanzig Jahre lang bei Jeunesse Esch gespielt hat, sieht den Fußball an einer Wegegabelung.
"Eine Möglichkeit ist die, man geht in Richtung Profitum, entwickelt Visionen in die Richtung. Oder die Nationalmannschaft wird immer mehr losgekoppelt vom Fußball, der hier in den Luxemburger Städten gespielt wird. Und der dann immer weniger Leute anzieht, während Fußballspieler, Luxemburger, immer mehr im Ausland ihren Weg machen und dann Nationalmannschaft spielen."

Hören Sie hier auch ein Interview mit Paul Philipp, Präsident des Luxemburger Fußballverbandes FLF.
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