Europa und die Medien

Von Claudia van Laak |
In Berlin und Brandenburg trifft sich derzeit die Medienbranche auf der Internationalen Funkausstellung und der Medienwoche. Außerdem fand in Potsdam fand der Kongress M 100 statt. Hier diskutierten Journalisten, Herausgeber und Verleger aus ganz Europa über die Zukunft des Kontinents.
Die Chefredakteure der großen europäischen Zeitungen haben den Weg nach Potsdam nicht gefunden, eine wichtige Plattform für den Austausch von Medienmachern aus zwölf Europäischen Ländern ist der Kongress trotzdem geworden. Quo Vadis - Europa? lautete der eher nichts sagende Titel. Günther Verheugen, Vize-Präsident der Europäischen Kommission - gab die Richtung vor. Ja, wir haben eine sehr ernste, tiefe Krise der EU, sagte er in seiner auf Englisch gehaltenen Rede und warnte seine Kollegen in Brüssel davor, einen Superstaat Europa zu propagieren.

"Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, wir wollten den Leuten ihre kulturelle und nationale Identität wegnehmen. Die einzige realistische Möglichkeit, die ich sehe, ist, wir bleiben eine Union, ich habe nichts dagegen zu sagen, eine noch stärkere Union von souveränen Nationen, das leitende Prinzip unseres System ist der Pool von souveränen Staaten, diesen Pool, den wir gemeinsam leiten und teilen. "

Die britische Journalistin und Euroskeptikern Melanie Phillips glaubte Günther Verheugen kein Wort. Rhetorisch brillant pflückte sie die Rede des Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission auseinander und beklagte in erster Linie eine fehlende demokratische Legitimation der EU.

"Wir haben im Moment ein neues und ein altes Europa. Das neue Europa will nicht den alten statischen verknöcherten, antidemokratischen Weg gehen. Es versteht genau was es heißt, keine Demokratie zu haben. Die Länder haben nicht den stalinistischen Albtraum aufgegeben, um ihn gegen einen neuen bürokratischen stalinistischen Albtraum zu tauschen. "

Besonders die Journalisten aus den neuen EU-Ländern Polen, Estland und Ungarn verfolgten die Debatte zwischen EU-Befürwortern und -Skeptikern mit großem Interesse. Alexander Zukerman, Fernsehjournalist aus der estnischen Hauptstadt Tallin, kann die Argumente seiner Kollegen aus den EU-kritischen Ländern wie Großbritannien nicht nachvollziehen.

"Das ist ein Traum unserer Bevölkerung, seit Generationen, zusammen zu sein, Kriege zu vermeiden, und wir sprechen nur über Bürokratie und über diese Verfassung, die man auf estnisch überhaupt nicht lesen kann, weil sie viel zu lang ist, wir sprechen nur über Sachen, die das Herz nicht anrühren. "

Alexander Zukerman sieht seine Aufgabe als Journalist darin, dafür zu sorgen, dass der Europa-Enthusiasmus seiner estnischen Landsleute nicht abflaut. Seine Erkenntnis nach der Rede von EU-Vize-Präsident Verheugen.

"Ich denke, was sie sofort machen sollten, sie sollen ihnen verbieten, mit den Leuten zu reden. Sie sollten in Brüssel bleiben und ihre Gesetze verabschieden, aber wenn sie zu den normalen Leuten gehen, sind sie einfach so langweilig. Die Europäische Union ist ein Traum ganzer Generationen, und das darf einfach nicht so langweilig vermittelt werden. Aber natürlich hatte er Recht, mit dem Inhalt seiner Rede bin ich ganz und gar einverstanden. "

Der Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt" Roger Köppel forderte seine Kollegen auf, kritischer mit der Europäischen Union umzugehen. Viele Journalisten hätten sich von der Wahrnehmung normaler Menschen entfernt und seien Teil des Euro-Establishments geworden.

"Die beste Aufgabe des Journalismus ist es doch, Autorität und Macht zu kritisieren. Da müssen die Journalisten früher aufstehen, um das auch wirklich Kritisch zu betrachten. "

Höhepunkt des Kongresses M 100 war die Verleihung des Europäischen Medienpreises an einen verdienten Europäer. Eigentlich sollte der ukrainische Staatspräsident Victor Juschenko den Preis bekommen. Doch dieser sah sich nicht in der Lage, ihn persönlich entgegenzunehmen. So entschied sich die Jury für den britischen Stararchitekten Norman Foster, der die Euroskepsis seiner Landsleute nicht teilt.

"Ich erinnere mich, als ich ein junger Architekt war. Die Möglichkeiten waren einfach eingeschränkt. Es war unmöglich einen Zugang zu Aufträgen in anderen Europäischen Ländern zu bekommen, dort öffentliche Gebäude zu bauen. Es war einfach nicht zu machen. Jetzt nehmen wir es als selbstverständlich an, dass wir ein europäisches Ausschreibungssystem haben, und das ist Wettbewerb in einem gesunden Sinne. "

Norman Foster zog Parallelen zwischen dem Beruf des Architekten und dem des Journalisten. Wir haben beide keine direkte Macht, sagte er in seiner Dankesrede, wir hängen in gewisser Weise ab vom Mut unserer Auftraggeber. Trotz der bekannten Abhängigkeiten rief er die anwesenden europäischen Medienmacher dazu auf, ihrer Verantwortung stärker als bislang gerecht zu werden.

"Zusätzlich dazu, Spiegel der Gesellschaft zu sein, in den wir sehen, und wir sehen uns dort mit unserer ganzen Kraft, aber auch unserer Schwächen und Fragilitäten, sollten wir eine Kraft für einen progressiven Wandel sein. "

Der Medienkongress M 100 in Potsdam und die Verleihung des Europäischen Medienpreises sollen künftig jährlich stattfinden, als Teil der Medienwoche Berlin-Brandenburg.