Kein einziges Rettungsschiff mehr auf See
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Die EU-Staaten halten sich bei der Seenotrettung von Geflüchteten zurück. Als Grund schöben sie nun die Coronakrise vor, sagt Ruben Neugebauer von der Rettungsorganisation Sea-Watch - für ihn ist das "ein Riesenskandal".
Die Rettungsorganisation Sea-Watch lässt in Kürze ein neues Rettungsschiff in See stechen, um vor der libysche Küste das Leben Schiffbrüchiger zu retten. Fast täglich gerieten auf dem Mittelmeer Menschen in Seenot, berichtet Ruben Neugebauer, Sprecher von Sea-Watch. Vonseiten der EU-Staaten sei mit Hilfe nicht zu rechnen – auch weil ihnen das Coronavirus nun eine gute Ausrede liefere.
Quarantäne verlängert, Schiffe beschlagnahmt
Die Schutzmaßnahmen gegen das Virus würden benutzt, um die Seenotrettung einzuschränken, so Neugebauer. "Das ist ein Riesenskandal. Wir erleben zum Beispiel, dass Malta mit dem Vorwand eine Corona-Quarantäne durchführen zu wollen, Menschen über vier Wochen auf sehr kleinen Schiffen, die überhaupt nicht dafür geeignet sind, auf See quasi gefangenhält. Das hat mit Schutz nichts mehr zu tun. Man weiß eigentlich, dass zwei Wochen ausreichend sind."
Gleichzeitig hätten Malta und Italien ihre Häfen für Menschen, die aus Seenot gerettet wurden, geschlossen und die Rettungsschiffe von Sea-Watch festgesetzt – mit der Begründung, es gebe technische Mängel. "Während der Corona-Maßnahmen hat man mal eben die Schiffe wegbeschlagnahmt – ohne, dass es jemand groß mitbekommen hätte."
Schiffsbrüchige sind auf dem Meer auf sich gestellt
Für die Seenotrettung sei das ein riesiges Problem, so Neugebauer, "weil wir dadurch jetzt eine Situation haben, wo kein einziges ziviles Rettungsschiff auf See ist und die Menschen eben völlig auf sich allein gestellt sind". Die neue Sea-Watch 4 werde daher dringend gebraucht.
Zu befürchten sei aber, dass auch dieses Schiff bald festgesetzt werde, da die Europäer derzeit alles täten, damit keine Seenotrettung stattfindet. "Die europäischen Staaten wolle lieber Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken lassen, als dass sie europäische Häfen erreichen."
(cmk)