Drei Städte, drei Kulturbegriffe
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Ist Kulturhauptstadt gleich Kulturhauptstadt? In diesem Jahr tragen ausnahmsweise nicht zwei, sondern drei Städte in Europa diesen Titel: Esch-sur-Alzette, Kaunas und Novi Sad setzten dabei auf erkennbar unterschiedliche Konzepte.
Die Pandemie hat in den letzten beiden Jahren alle Planungen durcheinandergebracht. Deshalb gibt es in diesem Jahr drei Europäische Kulturhauptstädte: Esch-sur-Alzette in Luxemburg, Kaunas in Litauen und Novi Sad in Serbien. Es sind drei Städte, die nicht nur geografisch Welten trennen, sondern auch in ihrem Kulturverständnis.
Großevents und Brückenmotiv
Novi Sad an der Donau setzt auf Großevents und spielt mit dem Motiv des Brückenbauens: Die Donaubrücken als Metapher für die Situation Serbiens: Das Land auf dem Balkan ist EU-Kandidat, und Novi Sad will sich als Brücke zwischen Serbien und der Europäischen Union präsentieren.
Lokale Kritiker bemängeln allerdings, dass die Stadt mit dem auf große Ereignisse und Bilder fokussierten Konzept der Auseinandersetzung mit den Gegenwartslasten der jüngsten Geschichte ausweichen. Sie vermissen eine Auseinandersetzung mit dem serbischen Nationalismus und dem Bombenkrieg der späten 90er-Jahre.
Aufarbeitung der eigenen Geschichte
Kaunas in Litauen hingegen nutzt das Kulturhauptstadtjahr gezielt, um eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu führen.
Virginija Vitkiené, die Chefin des Organisationskomitees von Kaunas 2022, betont: “Wir haben nicht betrogen, als wir sagten: ‚Wir brauchen diesen Titel ganz dringend.‘ Denn Kaunas hatte bis dahin keine Identität. Beziehungsweise: Wir wussten, da verbirgt sich ein Schatz, aber es gab keinen Weg, diesen zu enthüllen. Und damit ist nicht nur Schönes gemeint; unsere Traumata und unsere schamvollsten Erinnerungen waren genauso verborgen.“
Zu den Traumata gehört die Kollaboration von Litauern bei Judendeportationen und -ermordungen im Zweiten Weltkrieg. Spuren des jüdischen Lebens im Stadtbild von Kaunas werden erkundet, anders als in Novi Sad wird die Vergangenheit der Stadt offensiv thematisiert.
Und die Bürgerschaft soll intensiv darin einbezogen werden. Nach den Jahrzehnten der sowjetischen Herrschaft arbeitet Kaunas daran, sich wieder seiner europäischen Wurzeln zu vergewissern.
Eine Industriestadt erfindet sich neu
Für die luxemburgische Industriestadt Esch-sur-Alzette ist das nicht nötig: Sie atmet europäischen Geist, seitdem an der europäischen Einigung gearbeitet wird. Das große Thema dieser Stadt ist der Strukturwandel von der industriellen zur postindustriellen Gesellschaft.
Für Nancy Braun, die Generaldirektorin von Esch2022, ist dieser Wandel das zentrale Kulturhauptstadtthema.
„Mit einem Projekt wie Esch2022 wollen wir den Bewusstseinswandel vollziehen: Die Leute sollen dazu gebracht werden, zusammenzuarbeiten und aktiv daran teilzuhaben, eine gemeinsame Zukunft zu gestalten“, erklärt sie.
(wist)
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Redaktioneller Hinweis: Wir haben das Audio aufgrund eines inhaltlichen Fehlers um einen Halbsatz gekürzt.