Europäisches Asylsystem

"Da muss eine Balance gefunden werden"

Flüchtlinge versuchen im Bahnhof von Gevgelija in Mazedonien in einen Zug zu gelangen.
Flüchtlinge versuchen im Bahnhof von Gevgelija in Mazedonien in einen Zug zu gelangen. © AFP / Dimitar Dilkoff
Stefan Telöken im Gespräch mit Katja Schlesinger und Frank Meyer  · 18.08.2015
Wie könnte eine gerechte Aufteilung der Flüchtlinge in Europa aussehen? Darüber wird derzeit viel diskutiert. Es fehle die notwendige Balance, sagt Stefan Telöken vom UN-Flüchtlingshilfswerk. So sei das gesamte europäische Asylsystem gefährdet.
Stefan Telöken, Sprecher des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, sieht die Diskussion um eine gerechtere Aufteilung von Flüchtlingen in Europa an einem Wendepunkt. Es gehe jetzt um die Frage, wie das gemeinsame europäische Asylsystem in Zukunft aussehen solle, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Es gebe einen Nachholbedarf bei der Lösung des Problems, wie angesichts der hohen Zahl der Asylbewerber effektiver Schutz gewährt und ein qualitativ hochstehendes Aufnahmesystem aufgebaut werden könne:
"Da sehen wir einfach, dass zum einen der Süden klagt. Die Länder an den Außengrenzen der EU sind überlastet. Und dass in wenigen Staaten des Nordens Asylanträge gestellt werden und tatsächlich auch in einem fairen und effektiven Asylverfahren durchgeführt werden müssen. Das muss sich ändern."
Man müsse auch darüber nachdenken, was es für das gesamte europäische Asylsystem bedeute, wenn nur einige wenige Staaten auf ein solides Asylsystem bauten, andere sich jedoch nicht in der Verantwortung sehen würden, forderte Telöken:
"Da muss eine Balance gefunden werden. Sonst steht in Frage, ob wir in wenigen Jahren tatsächlich noch von dem sprechen können, was vor zwei Jahren als gemeinsames europäisches Asylsystem angekündigt worden ist."
Deutschland hat mit die meisten Antragsteller registriert
Deutschland gehöre zu den Staaten, die in den letzten Jahren die meisten Asylantragsteller registriert hätten, sagte Telöken - bezogen auf die absoluten Zahlen. In Deutschland gebe es im Prinzip ein stabiles Asylsystem, das jetzt jedoch bei der Aufnahme an seine Grenzen gestoßen sei und ausgebaut werden müsse:
"Wir haben in Deutschland eine sehr grundsätzliche Diskussion derzeit. Aber wir haben auch weiterhin eine Aufnahmebereitschaft. Es geht hier um die Frage: Kann Deutschland Asylverfahren weiterhin fair und effizient in Zukunft durchführen? Was muss dafür getan werden?"
"Das vielfach gescholtene Dublin-System"
Grundsätzlich setze der UNHCR weiterhin auf das "vielfach gescholtene Dublin-System", sagte Telöken – sofern es menschenrechtskonform angewendet werde:
"Dazu muss aber ein Mechanismus geschaffen werden, der in besonderen Situationen eine gleichmäßigere Verteilung innerhalb der Europäischen Union ermöglicht."
Er verwies auf einen Pilot-Versuch der Europäischen Kommission, der rund 40.000 besonders schutzbedürftige Menschen innerhalb der EU verteilen wolle. Der UNHCR unterstütze dieses Projekt:
"Wir halten dies für eine Möglichkeit, in Zukunft das gemeinsame europäische Asylsystem zu stärken."
Mehr zum Thema