Europapolitiker: Weitere Mitarbeit des IWF an Schuldenproblematik unnötig
Die Eurozone sollte ihr Schuldenmanagement in Zukunft ohne den Internationalen Währungsfonds (IWF) meistern können, meint der liberale Europapolitiker Wolf Klinz. Er erteilt zudem der Aufstockung des permanenten Rettungsschirms eine Absage.
Gabi Wuttke: Mehr Geld, noch mehr Geld und noch viel mehr Geld will Mario Monti für den Euro-Rettungsschirm von Deutschland. Auch der Internationale Währungsfonds bittet Europa, noch tiefer in die Kasse zu greifen. Deshalb traf sich dessen Chefin Christine Lagarde gestern Abend zu einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Merke: Viele Köche sind beim Krisenmanagement zu Gange. Frage: Was für ein Süppchen kocht eigentlich der IWF? Um auch das zu besprechen, begrüße ich um 07:50 Uhr den Liberalen-Politiker Wolf Klinz, er ist der Vorsitzende des EU-Finanzkrisenausschusses. Einen guten Morgen!
Wolf Klinz: Schönen guten Morgen!
Wuttke: Herr Klinz, sind in der Schuldenkrise zu viele Köche am Werk?
Klinz: Ja, wir haben natürlich eine Reihe von Beteiligten, das ist auch ganz natürlich, denn nicht ein Land allein kann hier für Lösungen sorgen. Die Euro-Gruppe besteht immerhin aus 17 Mitgliedsstaaten, also sind die 17 alle gleichberechtigt dabei, das versteht sich. Und der IWF ist ja schon vor geraumer Zeit an Bord genommen worden, weil man glaubte, auf die Expertise des IWF, also des Internationalen Währungsfonds, nicht verzichten zu können. Und außerdem glaubte man mit dem IWF einen geschickten Schachzug machen zu können, weil der IWF Forderungen stellen kann an die Empfängerländer, die möglicherweise ein Euro-Mitgliedsstaat nicht hätte stellen können, weil man ihm sonst den Vorwurf der Unsolidarität gemacht hätte.
Wuttke: Kann es denn aber auch sein, dass der IWF ein solches Gewicht bekommen hat, weil die Staats- und Regierungschefs bei den ersten Alarmsirenen in Sachen Krise sich lange Zeit wegduckten?
Klinz: Ja, das kann sein, aber ich glaube, das ist auch müßig, darüber jetzt nachzudenken. Die Frage ist, welche Rolle man dem IWF in Zukunft zukommen lassen möchte. Und da halte ich es mit Jean-Claude Trichet, dem früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank, der sagte, eigentlich müsste eine Gruppe wie die Euro-Zone, die immerhin mit 330 Millionen Mitgliedern so groß ist wie die Vereinigten Staaten von Amerika, die Probleme selber ohne den Internationalen Währungsfonds lösen können.
Wuttke: Ja, was sagen Sie denn? Heißt das auch, der Internationale Währungsfonds ist längst Koch und die Euro-Zone nur Kellner?
Klinz: Nein, so weit würde ich mit Sicherheit nicht gehen. Ich glaube, wir sollten für die Zukunft anstreben, dass bei den Lösungen, die man schon gefunden und beschlossen hat in der Vergangenheit, wo der IWF dabei ist, dass er dort auch dabei bleibt. Aber für die Zukunft würde ich meinen, gerade wenn man den permanenten Rettungsschirm installiert – am 1. Juli diesen Jahres ist es ja jetzt vorgesehen –, dass man dann ohne den Internationalen Währungsfonds auskommt.
Wuttke: Lassen Sie uns trotzdem noch mal beim IWF bleiben. Denn seine harten Programme haben ja gerade in Entwicklungsländern die Lage nicht unbedingt verbessert. Er hat ein Legitimitätsproblem. Glauben Sie, auch mit Europa soll und kann das Image aufgemöbelt werden?
Klinz: Ich glaube, das ist nicht der eigentliche Grund. Also, ich bleibe bei dem, was ich eingangs gesagt habe: Man war daran interessiert, die Erfahrung des IWF, die ja nicht nur negativ war, nutzen zu können, und zweitens – in der Tat, da haben Sie einen Punkt – mithilfe des IWF tatsächlich knallharte Forderungen durchsetzen zu können. Und man muss eins sagen: Es geht, in manchen Ländern geht es ja ganz gut mit den Reformbemühungen, in manchen geht es weniger gut. Also, wenn wir uns Griechenland anschauen, da muss man sagen, trotz des Engagements und der Einbeziehung des IWF kommen die Griechen nicht so recht voran.
Wuttke: Ja, eben!
Klinz: Ja, aber das ist … Ich sage, mal, das sagt nicht, dass die Teilnahme des IWF dort nun ein Fehler war. Das sagt nur, dass die Situation in Griechenland eben noch deutlich schlechter ist, als man sich es vorgestellt hat.
Wuttke: Der IWF will mehr Geld und fordert auch eine Aufstockung des Rettungsschirms. Würde es Ihrer Meinung nach helfen, die Restgelder des EFSM in den ESM fließen zu lassen?
Klinz: Das fordert nicht nur der IWF, das hat ja auch der neue Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ins Gespräch gebracht …
Wuttke: … ja, eben! …
Klinz: … und auch jetzt schon haben sich die Spanier angeschlossen. Das ist natürlich immer leicht zu sagen, also, der Rettungsschirm ist nicht groß genug, lasst uns ihn doch noch mal aufstocken. Ich persönlich halte die Diskussion für nicht sehr glücklich im jetzigen Zeitpunkt. Denn wir haben ja gerade in den letzten 18 bis 24 Monaten festgestellt, dass sehr häufig das, was gestern entschieden wurde, heute schon wieder infrage gestellt wurde, weil man plötzlich über Nacht um Schluss gekommen ist, das reicht nicht aus.
Wir müssen den Märkten und überhaupt auch den Bürgern endlich wieder das Vertrauen zurückgeben. Und das geben wir nicht zurück, indem wir Entscheidungen, die wir gerade getroffen haben, noch bevor sie umgesetzt worden sind, schon wieder infrage stellen. Deswegen meine ich auch hier, wir sollten zunächst einmal bei dem bleiben, was wir uns vorgenommen haben. Es ist ja schon ein großer Schritt nach vorne, dass wir den ESM, also den permanenten Rettungsschirm nicht erst im Jahr 2013, sondern schon im Juli 2012 permanent installieren wollen. Und da soll man nicht jetzt schon wieder über eine Erhöhung, möglicherweise sogar eine Verdoppelung des Geldvolumens sprechen. Denn wenn wir das machen, dann wird übermorgen die nächste Forderung kommen.
Wuttke: Das heißt, für Sie als FDP-Politiker ist der Zeitpunkt entscheidend und nicht die Summe, um die es da jetzt geht?
Klinz: Beides. Denn ob die Summe ausreicht oder nicht, das können wir heute noch gar nicht abschätzen. Und ich finde, wir arbeiten doch hier mit einer Reihe von Instrumenten: Die EFSF, also die Finanzstabilitätsfazilität, ist im Moment existent, sie ist noch gar nicht voll ausgeschöpft. Jetzt soll der permanente Rettungsschirm kommen am 1. Juli. Darüber hinaus ist ja auch die Europäische Zentralbank nicht untätig. Sie hat den Geschäftsbanken zu äußerst interessanten Konditionen immerhin eine halbe Billion Euro zur Verfügung gestellt in der Annahme und in der Hoffnung, dass ein Teil zumindest dieses Geldes genutzt wird, um auch Staatsanleihen aufzukaufen.
Wuttke: Man sollte den Ball jetzt erst mal flach halten, so kann man zusammenfassen, …
Klinz: … so könnte man es sagen, ja …
Wuttke: … was der Vorsitzende des EU-Finanzkrisenausschusses im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur gesagt hat. Vielen Dank an den Liberalen Wolf Klinz!
Klinz: Guten Morgen!
Wuttke: Morgen in der "Ortszeit" hören Sie übrigens die IWF-Chefin im Interview!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links bei dradio.de:
Sammelportal dradio.de: Euro in der Krise
Wolf Klinz: Schönen guten Morgen!
Wuttke: Herr Klinz, sind in der Schuldenkrise zu viele Köche am Werk?
Klinz: Ja, wir haben natürlich eine Reihe von Beteiligten, das ist auch ganz natürlich, denn nicht ein Land allein kann hier für Lösungen sorgen. Die Euro-Gruppe besteht immerhin aus 17 Mitgliedsstaaten, also sind die 17 alle gleichberechtigt dabei, das versteht sich. Und der IWF ist ja schon vor geraumer Zeit an Bord genommen worden, weil man glaubte, auf die Expertise des IWF, also des Internationalen Währungsfonds, nicht verzichten zu können. Und außerdem glaubte man mit dem IWF einen geschickten Schachzug machen zu können, weil der IWF Forderungen stellen kann an die Empfängerländer, die möglicherweise ein Euro-Mitgliedsstaat nicht hätte stellen können, weil man ihm sonst den Vorwurf der Unsolidarität gemacht hätte.
Wuttke: Kann es denn aber auch sein, dass der IWF ein solches Gewicht bekommen hat, weil die Staats- und Regierungschefs bei den ersten Alarmsirenen in Sachen Krise sich lange Zeit wegduckten?
Klinz: Ja, das kann sein, aber ich glaube, das ist auch müßig, darüber jetzt nachzudenken. Die Frage ist, welche Rolle man dem IWF in Zukunft zukommen lassen möchte. Und da halte ich es mit Jean-Claude Trichet, dem früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank, der sagte, eigentlich müsste eine Gruppe wie die Euro-Zone, die immerhin mit 330 Millionen Mitgliedern so groß ist wie die Vereinigten Staaten von Amerika, die Probleme selber ohne den Internationalen Währungsfonds lösen können.
Wuttke: Ja, was sagen Sie denn? Heißt das auch, der Internationale Währungsfonds ist längst Koch und die Euro-Zone nur Kellner?
Klinz: Nein, so weit würde ich mit Sicherheit nicht gehen. Ich glaube, wir sollten für die Zukunft anstreben, dass bei den Lösungen, die man schon gefunden und beschlossen hat in der Vergangenheit, wo der IWF dabei ist, dass er dort auch dabei bleibt. Aber für die Zukunft würde ich meinen, gerade wenn man den permanenten Rettungsschirm installiert – am 1. Juli diesen Jahres ist es ja jetzt vorgesehen –, dass man dann ohne den Internationalen Währungsfonds auskommt.
Wuttke: Lassen Sie uns trotzdem noch mal beim IWF bleiben. Denn seine harten Programme haben ja gerade in Entwicklungsländern die Lage nicht unbedingt verbessert. Er hat ein Legitimitätsproblem. Glauben Sie, auch mit Europa soll und kann das Image aufgemöbelt werden?
Klinz: Ich glaube, das ist nicht der eigentliche Grund. Also, ich bleibe bei dem, was ich eingangs gesagt habe: Man war daran interessiert, die Erfahrung des IWF, die ja nicht nur negativ war, nutzen zu können, und zweitens – in der Tat, da haben Sie einen Punkt – mithilfe des IWF tatsächlich knallharte Forderungen durchsetzen zu können. Und man muss eins sagen: Es geht, in manchen Ländern geht es ja ganz gut mit den Reformbemühungen, in manchen geht es weniger gut. Also, wenn wir uns Griechenland anschauen, da muss man sagen, trotz des Engagements und der Einbeziehung des IWF kommen die Griechen nicht so recht voran.
Wuttke: Ja, eben!
Klinz: Ja, aber das ist … Ich sage, mal, das sagt nicht, dass die Teilnahme des IWF dort nun ein Fehler war. Das sagt nur, dass die Situation in Griechenland eben noch deutlich schlechter ist, als man sich es vorgestellt hat.
Wuttke: Der IWF will mehr Geld und fordert auch eine Aufstockung des Rettungsschirms. Würde es Ihrer Meinung nach helfen, die Restgelder des EFSM in den ESM fließen zu lassen?
Klinz: Das fordert nicht nur der IWF, das hat ja auch der neue Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ins Gespräch gebracht …
Wuttke: … ja, eben! …
Klinz: … und auch jetzt schon haben sich die Spanier angeschlossen. Das ist natürlich immer leicht zu sagen, also, der Rettungsschirm ist nicht groß genug, lasst uns ihn doch noch mal aufstocken. Ich persönlich halte die Diskussion für nicht sehr glücklich im jetzigen Zeitpunkt. Denn wir haben ja gerade in den letzten 18 bis 24 Monaten festgestellt, dass sehr häufig das, was gestern entschieden wurde, heute schon wieder infrage gestellt wurde, weil man plötzlich über Nacht um Schluss gekommen ist, das reicht nicht aus.
Wir müssen den Märkten und überhaupt auch den Bürgern endlich wieder das Vertrauen zurückgeben. Und das geben wir nicht zurück, indem wir Entscheidungen, die wir gerade getroffen haben, noch bevor sie umgesetzt worden sind, schon wieder infrage stellen. Deswegen meine ich auch hier, wir sollten zunächst einmal bei dem bleiben, was wir uns vorgenommen haben. Es ist ja schon ein großer Schritt nach vorne, dass wir den ESM, also den permanenten Rettungsschirm nicht erst im Jahr 2013, sondern schon im Juli 2012 permanent installieren wollen. Und da soll man nicht jetzt schon wieder über eine Erhöhung, möglicherweise sogar eine Verdoppelung des Geldvolumens sprechen. Denn wenn wir das machen, dann wird übermorgen die nächste Forderung kommen.
Wuttke: Das heißt, für Sie als FDP-Politiker ist der Zeitpunkt entscheidend und nicht die Summe, um die es da jetzt geht?
Klinz: Beides. Denn ob die Summe ausreicht oder nicht, das können wir heute noch gar nicht abschätzen. Und ich finde, wir arbeiten doch hier mit einer Reihe von Instrumenten: Die EFSF, also die Finanzstabilitätsfazilität, ist im Moment existent, sie ist noch gar nicht voll ausgeschöpft. Jetzt soll der permanente Rettungsschirm kommen am 1. Juli. Darüber hinaus ist ja auch die Europäische Zentralbank nicht untätig. Sie hat den Geschäftsbanken zu äußerst interessanten Konditionen immerhin eine halbe Billion Euro zur Verfügung gestellt in der Annahme und in der Hoffnung, dass ein Teil zumindest dieses Geldes genutzt wird, um auch Staatsanleihen aufzukaufen.
Wuttke: Man sollte den Ball jetzt erst mal flach halten, so kann man zusammenfassen, …
Klinz: … so könnte man es sagen, ja …
Wuttke: … was der Vorsitzende des EU-Finanzkrisenausschusses im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur gesagt hat. Vielen Dank an den Liberalen Wolf Klinz!
Klinz: Guten Morgen!
Wuttke: Morgen in der "Ortszeit" hören Sie übrigens die IWF-Chefin im Interview!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links bei dradio.de:
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