Florence Braunstein/ Jean-François Pépin: "1 Kilo Kultur. Das wichtigste Wissen von der Steinzeit bis heute"
unter Mitarbeit von Alexander Kluy (für die deutsche Ausgabe), aus dem Französischen von Nikolaus de Palézieux
C.H. Beck Verlag, München 2017
1296 Seiten, 28,- Euro
Weltwissen mit Gewicht
Es mutet im Internetzeitalter fast anachronistisch an, und doch ist "1 Kilo Kultur" ein durchaus hilfreicher Crashkurs in Sachen Weltgeschichte. Die Autoren erzählen chronologisch die Kulturgeschichte vor allem Europas von der Steinzeit bis heute.
Dominique de Villepin, Ex-Premierminister Frankreichs, definierte Europa durch den Reichtum seiner Erinnerungen. Er schwärmte, "dass die Gründungsmythen Homers Seite an Seite neben den glühenden Worten des Apostel Paulus stehen, auf die Einheit des karolingischen Reiches die Aufteilung in Nationalstaaten folgt, den italienischen Madonnengesichtern die arabischen Kaligrafien der Paläste Andalusiens gegenüberstehen."
Dieses Zitat findet sich in Florence Braunsteins und Jean-François Pépins wuchtigem Buch mit dem launigen und wörtlich zu nehmenden Titel "1 Kilo Kultur". Es dient den beiden Autoren zur Einführung in die Geschichte der Europäische Union, könnte allerdings auch als Inspiration für das Buch im Ganzen taugen.
Tatsächlich denken die französischen Wissenschaftler de Villepins europäische Idee weiter und versammeln mit dem "wichtigsten Wissen von der Steinzeit bis heute" die gesamten Menschheitserinnerungen "Seite an Seite".
Braunstein und Pépin erzählen chronologisch und gliedern ihre Kulturgeschichte in elf Kapitel - nach Epochen, Ländern, Wissenschaften und Künsten. Als Orientierungshilfe bieten sie ein ausführliches Inhaltsverzeichnis. Unter Überschriften wie "Vor- und Frühgeschichte", "Das Mittelalter" oder "Die Welt im 17. Jahrhundert" finden sich über mehrere Seiten hinweg unzählige Unterpunkte. Diese dienen als Handlauf durch die Zeiten und erlauben ein gezieltes Ansteuern.
Das 17. Jahrhundert in drei Seiten erklärt
Wer sich beispielsweise für Deutschland im 17. Jahrhundert interessiert, liest zunächst von Prager Fenstersturz, Dreißigjährigem Krieg und Westfälischem Frieden, dann von der politischen Unabhängigkeit der deutschen Staaten, den Kriegen gegen Schweden und das Osmanische Reich und schließlich der Philosophie Gottfried Wilhelm Leibniz'.
Allerdings werden alle diese Ereignisse auf drei Seiten abgehandelt! Russland muss sich in der gleichen Epoche gar mit zwei Seiten begnügen. Allein das Heimatland Frankreich darf sich immerhin auf 20 Seiten ausbreiten, doch auch in dieser "Länge" lässt sich Historie allenfalls anreißen.
Das jedoch war zu erwarten in einer einbändigen Weltgeschichte, und die kurze Form meistern die Autoren inhaltlich überzeugend und sprachlich schnörkellos. Wer also glaubt, ein solches Buch sei in digitalen Zeiten entbehrlich, wird eines Besseren belehrt.
Auch macht es Freude, sich durch die Kapitel zu blättern und bei Ereignissen und Biografien festzulesen, die gar nicht gesucht, sondern von der Chronologie vorgegeben werden. Wer etwa über Albrecht Dürer liest, findet in dessen Nachbarschaft auch die Denker des Humanismus oder die Musiker aus dem Burgund.
Nicht überzeugend hingegen sind die Prioritäten der Autoren, die sich nie wirklich von ihrer westlich orientierten Blickrichtung lösen: 50 Seiten antikem Griechenland stehen jeweils fünf Zeilen Konfuzius und Laotse gegenüber, um nur ein Beispiel zu nennen. Auch die eine oder andere Karte oder Abbildung hätte dem Buch gut gestanden. Hier tut dann doch zumindest ein zweiter Band not.