Europas Resterampe entdeckt Bio
In Tschechien ist die ökologische Landwirtschaft ein prosperierender Wirtschaftszweig geworden. Mittlerweile ist ihr Anteil an der landwirtschaftlichen Produktion doppelt so groß wie in Deutschland - sahen sich die Tschechen lange als "Mülleimer Europas", können sie sich nun über ein breites Angebot freuen.
Später Nachmittag am Rande des Riesengebirges. Vom Stall aus geht der Blick weit hinunter ins Tal mit den saftig grünen Wiesen. Es ist die geschäftigste Stunde auf dem Bauernhof, nach und nach kommen die Kühe an den Melkstand. Jan Holub wischt sich den Schweiß von der Stirn.
"Hier sind gerade etwas mehr als 20 Kühe. Den Tag über sind sie draußen auf der Weide, nur zum Melken holen wir sie rein. Bis zum Herbst sind sie eigentlich immer an der frischen Luft. Wenn dann der erste Schnee fällt, holen wir sie für den Winter in den Stall."
Jan Holub arbeitet auf dem tschechischen Bio-Bauernhof Filoun, er ist für den Kuhstall zuständig: Füttern, putzen, melken, ausmisten – alles das gehört zu seiner Arbeit. 70 Rinder gehören zum Bauernhof, darunter sind viele Kälber.
"Wir melken am Tag so 550 bis 600 Liter Milch. Wir haben ein paar Kühe, die gerade kalben, deshalb ist es ein bisschen weniger als sonst. An guten Tagen haben wir bis zu 800 Liter. Schauen Sie, hier im Heft steht, wie viel Milch die einzelnen Kühe geben. Hier, 26 Liter am Tag, das ist unsere Rekordhalterin."
Der Bio-Bauernhof im böhmischen Riesengebirge ist vergleichsweise klein: 90 Hektar Landwirtschaft und 10 Hektar Wald, dazu eine Pension für Feriengäste – das ist der ganze Betrieb, der drei Familien ernährt. Vater Josef Sourek hat den Bauernhof an seine beiden Söhne weitergegeben, er selbst packt aber immer noch kräftig mit an.
"Hier sind gerade etwas mehr als 20 Kühe. Den Tag über sind sie draußen auf der Weide, nur zum Melken holen wir sie rein. Bis zum Herbst sind sie eigentlich immer an der frischen Luft. Wenn dann der erste Schnee fällt, holen wir sie für den Winter in den Stall."
Jan Holub arbeitet auf dem tschechischen Bio-Bauernhof Filoun, er ist für den Kuhstall zuständig: Füttern, putzen, melken, ausmisten – alles das gehört zu seiner Arbeit. 70 Rinder gehören zum Bauernhof, darunter sind viele Kälber.
"Wir melken am Tag so 550 bis 600 Liter Milch. Wir haben ein paar Kühe, die gerade kalben, deshalb ist es ein bisschen weniger als sonst. An guten Tagen haben wir bis zu 800 Liter. Schauen Sie, hier im Heft steht, wie viel Milch die einzelnen Kühe geben. Hier, 26 Liter am Tag, das ist unsere Rekordhalterin."
Der Bio-Bauernhof im böhmischen Riesengebirge ist vergleichsweise klein: 90 Hektar Landwirtschaft und 10 Hektar Wald, dazu eine Pension für Feriengäste – das ist der ganze Betrieb, der drei Familien ernährt. Vater Josef Sourek hat den Bauernhof an seine beiden Söhne weitergegeben, er selbst packt aber immer noch kräftig mit an.
Kein Bio-Pionier?
Josef Sourek ist einer der Öko-Pioniere in Tschechien. Schon 1993, kurz nach der Wende, hat er seinen Hof auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. Der kräftige Bauer steht auf der Terrasse vor seinem Haus, in der Hand hält er ein Bierglas.
"Hier im Kreis waren wir damals die Einzigen, die Bio-Lebensmittel produziert haben. In ganz Tschechien gab es mit uns zusammen insgesamt fünf Bauern. Die Idee dazu kam mir bei einer Mittagspause. Da saß ich auf dem Feld und habe eine Wurst gegessen, und durch Zufall habe ich auf dem Etikett gesehen, was da alles drin ist: chemische Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Aromastoffe, die ganze Palette. Da habe ich gemerkt: Das ist ja wirklich schlimm, was wir da alles essen und trinken!"
Als Pionier würde sich Josef Sourek trotzdem nie bezeichnen: Eigentlich, sagt er, sei es ja nur eine Rückbesinnung gewesen auf die Art, in der schon seine Vorfahren gewirtschaftet haben. Schon sein Großvater war Bauer hier am Rande des Riesengebirges, sein Vater wurde dann von den Kommunisten in eine Produktionsgenossenschaft gedrängt. Nach der Wende hat die Familie ihre alten Flächen wieder zurückbekommen – und einfach dort weitergemacht, wo sie ein paar Jahrzehnte zuvor aufgehört hat. Wenn Josef Sourek heute von seiner Terrasse aus hinunterblickt ins Tal, wirkt er zufrieden.
"Bis da unten zu den ersten Häusern des Ortes ist es unser Land, das ist aber nur der kleinste Teil des Hofes. Die größten Flächen sehen wir von hier aus gar nicht, die ziehen sich hinter dem Haus den Hügel hoch bis auf die Gemarkung der nächsten Gemeinde."
Die Verankerung in der Region ist für Bauer Sourek das Wichtigste. Hier sollen die Produkte hergestellt und konsumiert werden. Deshalb hat er sogar eine kleine Molkerei in seinen Stall gebaut: Er will nicht mehr an Großunternehmen liefern, die dann die Milch billig auf den Markt werfen. Er möchte alles selbst unter Kontrolle behalten. Sourek pasteurisiert seine Milch selbst, er füllt sie selbst in Flaschen, er produziert Butter, Käse und Quark. Das Geschäftsmodell, sagt er, funktioniere sehr gut.
"In unserem Hofladen verkaufen wir etwa 20 Prozent unserer Produktion. Montags, mittwochs und freitags fahre ich durch die Region und liefere die Ware aus, sie geht an örtliche Bäckereien, an kleine Tante-Emma-Läden, an zwei Altenheime und ein paar Schulen. Alle zwei Wochen liefern wir unsere Produkte auch nach Prag."
"Hier im Kreis waren wir damals die Einzigen, die Bio-Lebensmittel produziert haben. In ganz Tschechien gab es mit uns zusammen insgesamt fünf Bauern. Die Idee dazu kam mir bei einer Mittagspause. Da saß ich auf dem Feld und habe eine Wurst gegessen, und durch Zufall habe ich auf dem Etikett gesehen, was da alles drin ist: chemische Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Aromastoffe, die ganze Palette. Da habe ich gemerkt: Das ist ja wirklich schlimm, was wir da alles essen und trinken!"
Als Pionier würde sich Josef Sourek trotzdem nie bezeichnen: Eigentlich, sagt er, sei es ja nur eine Rückbesinnung gewesen auf die Art, in der schon seine Vorfahren gewirtschaftet haben. Schon sein Großvater war Bauer hier am Rande des Riesengebirges, sein Vater wurde dann von den Kommunisten in eine Produktionsgenossenschaft gedrängt. Nach der Wende hat die Familie ihre alten Flächen wieder zurückbekommen – und einfach dort weitergemacht, wo sie ein paar Jahrzehnte zuvor aufgehört hat. Wenn Josef Sourek heute von seiner Terrasse aus hinunterblickt ins Tal, wirkt er zufrieden.
"Bis da unten zu den ersten Häusern des Ortes ist es unser Land, das ist aber nur der kleinste Teil des Hofes. Die größten Flächen sehen wir von hier aus gar nicht, die ziehen sich hinter dem Haus den Hügel hoch bis auf die Gemarkung der nächsten Gemeinde."
Die Verankerung in der Region ist für Bauer Sourek das Wichtigste. Hier sollen die Produkte hergestellt und konsumiert werden. Deshalb hat er sogar eine kleine Molkerei in seinen Stall gebaut: Er will nicht mehr an Großunternehmen liefern, die dann die Milch billig auf den Markt werfen. Er möchte alles selbst unter Kontrolle behalten. Sourek pasteurisiert seine Milch selbst, er füllt sie selbst in Flaschen, er produziert Butter, Käse und Quark. Das Geschäftsmodell, sagt er, funktioniere sehr gut.
"In unserem Hofladen verkaufen wir etwa 20 Prozent unserer Produktion. Montags, mittwochs und freitags fahre ich durch die Region und liefere die Ware aus, sie geht an örtliche Bäckereien, an kleine Tante-Emma-Läden, an zwei Altenheime und ein paar Schulen. Alle zwei Wochen liefern wir unsere Produkte auch nach Prag."
Bio-Landwirtschaft ist wichtiger Wirtschaftszweig
Heute ist Josef Sourek längst nicht mehr der Exot, als den ihn viele seiner Kollegen noch vor zwei Jahrzehnten gesehen haben: Die Bio-Landwirtschaft ist in Tschechien mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftszweig.
Die Frau, die hinter diesem Trend steht, heißt Katerina Nesrstova. Sie ist Geschäftsführerin des tschechischen Biobauern-Verbandes und damit oberste Lobbyistin für die aufstrebende Branche. Ihr Büro hat sie auf dem Land, aber oft kommt sie in die Hauptstadt, für Treffen mit Politikern. Mit ihren Gesprächspartnern verabredet sie sich am liebsten in einem Prager Kaffeehaus.
"Etwa zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bei uns werden ökologisch bewirtschaftet. Das ist auch im Vergleich mit den Nachbarländern sehr viel. Bei uns gibt es etwa 4000 Biobauern."
Die tschechische Quote von zwölf Prozent ökologisch bewirtschafteter Fläche ist rekordverdächtig. In Deutschland beispielsweise ist sie nur halb so hoch. Den größten Anteil haben in Tschechien nicht etwa Getreide- oder Gemüseanbau, sondern die Milchwirtschaft. Es sind Bauern wie Josef Sourek, die auf ökologische Tierhaltung setzen. Darunter sind kleine Familienbetriebe mit etwas mehr als einem Hektar Land, aber auch große Agrarfirmen mit einigen Tausend Hektar. Viele setzen aus Überzeugung auf den Öko-Anbau, aber auch die Subventionen aus Brüssel spielen eine wichtige Rolle. Biologische Landwirtschaft, das ist die Botschaft von Katerina Nesrstova und ihrem Bio-Bauern-Verband, lohne sich – und das nicht nur finanziell. Derzeit befinde sich die tschechische Landwirtschaft in einem echten Strukturwandel, sagt sie.
"Es ist uns gut gelungen, den Startschuss für eine echte Wende zu geben. Wir haben viel Know-how aus der Schweiz, aus Österreich und Deutschland bei uns eingesetzt – denn dort gibt es nun einmal viel längere Erfahrungen mit der ökologischen Landwirtschaft. Dadurch haben wir den Zweig bei uns auf ein sehr gutes Niveau gebracht."
Die Frau, die hinter diesem Trend steht, heißt Katerina Nesrstova. Sie ist Geschäftsführerin des tschechischen Biobauern-Verbandes und damit oberste Lobbyistin für die aufstrebende Branche. Ihr Büro hat sie auf dem Land, aber oft kommt sie in die Hauptstadt, für Treffen mit Politikern. Mit ihren Gesprächspartnern verabredet sie sich am liebsten in einem Prager Kaffeehaus.
"Etwa zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bei uns werden ökologisch bewirtschaftet. Das ist auch im Vergleich mit den Nachbarländern sehr viel. Bei uns gibt es etwa 4000 Biobauern."
Die tschechische Quote von zwölf Prozent ökologisch bewirtschafteter Fläche ist rekordverdächtig. In Deutschland beispielsweise ist sie nur halb so hoch. Den größten Anteil haben in Tschechien nicht etwa Getreide- oder Gemüseanbau, sondern die Milchwirtschaft. Es sind Bauern wie Josef Sourek, die auf ökologische Tierhaltung setzen. Darunter sind kleine Familienbetriebe mit etwas mehr als einem Hektar Land, aber auch große Agrarfirmen mit einigen Tausend Hektar. Viele setzen aus Überzeugung auf den Öko-Anbau, aber auch die Subventionen aus Brüssel spielen eine wichtige Rolle. Biologische Landwirtschaft, das ist die Botschaft von Katerina Nesrstova und ihrem Bio-Bauern-Verband, lohne sich – und das nicht nur finanziell. Derzeit befinde sich die tschechische Landwirtschaft in einem echten Strukturwandel, sagt sie.
"Es ist uns gut gelungen, den Startschuss für eine echte Wende zu geben. Wir haben viel Know-how aus der Schweiz, aus Österreich und Deutschland bei uns eingesetzt – denn dort gibt es nun einmal viel längere Erfahrungen mit der ökologischen Landwirtschaft. Dadurch haben wir den Zweig bei uns auf ein sehr gutes Niveau gebracht."
Export nach Österreich und Deutschland
Derzeit ist die Bio-Landwirtschaft so erfolgreich, dass die Bauern weitaus mehr Lebensmittel produzieren, als die Tschechen verbrauchen können. Beispielsweise Bio-Milch: Inzwischen exportieren die böhmischen Landwirte pro Tag 23.000 Liter nach Österreich und Deutschland. Verbandschefin Nesrstova:
"Etwa ein Drittel unserer gesamten Bio-Produktion geht in den Export. Wir führen leider vor allem Rohstoffe aus und nicht aufwendigere Produkte, die hier Arbeitsplätze schaffen. Wir verkaufen also etwa Getreide ins Ausland und bekommen es dann in Form von Tierfutter oder Müsli wieder zurück. Da müssen wir noch daran arbeiten, dass das nicht mehr passiert."
Mehr Wertschöpfung im Land behalten, das ist eines der Ziele der tschechischen Biobranche. Das Problem nur: Die Nachfrage der Endkunden ist noch nicht groß genug. In der Herstellung ist Tschechien europaweit schon ein wichtiger Standort, im Verbrauch hinkt das Land aber noch hinterher. Die Tschechen geben pro Kopf zwar doppelt so viel Geld für ökologische Lebensmittel aus wie etwa Polen, Ungarn oder Slowaken, damit sind sie in ihrer Region unangefochtene Spitzenreiter. Aber der Bio-Konsum liegt trotzdem noch deutlich niedriger als bei den westlichen Nachbarn. Das sei vor allem ein Problem des Geldbeutels, meint die Bio-Lobbyistin Nesrstova.
"Wenn man kaum das Geld hat, um seine Familie zu ernähren, denkt man nicht darüber nach, ob man Bio kauft oder nicht. Da verschließt man den Kopf – und man bekommt ihn dann schlecht wieder auf. Die Änderung der eigenen Prioritäten braucht viel Zeit."
Gerade in den Großstädten gibt es allerdings längst ein zahlungskräftiges Publikum. Das ist die Kundschaft von Tereza Vrbova. Die Zentrale ihrer Firma hat sie vor den Toren Prags aufgebaut, neben ein paar Büros erhebt sich eine große Lagerhalle. Hier steht die junge Frau zwischen raumhohen Regalen. Um sie herum fahren Gabelstapler mit vollen Paletten, gerade ist eine neue Lieferung eingetroffen.
"Hier ist unser Kühlraum, da lagern wir Schokolade und Milchprodukte. Am meisten verkaufen wir aber trockene Ware, also Zucker, Rosinen und Trockenobst."
"Etwa ein Drittel unserer gesamten Bio-Produktion geht in den Export. Wir führen leider vor allem Rohstoffe aus und nicht aufwendigere Produkte, die hier Arbeitsplätze schaffen. Wir verkaufen also etwa Getreide ins Ausland und bekommen es dann in Form von Tierfutter oder Müsli wieder zurück. Da müssen wir noch daran arbeiten, dass das nicht mehr passiert."
Mehr Wertschöpfung im Land behalten, das ist eines der Ziele der tschechischen Biobranche. Das Problem nur: Die Nachfrage der Endkunden ist noch nicht groß genug. In der Herstellung ist Tschechien europaweit schon ein wichtiger Standort, im Verbrauch hinkt das Land aber noch hinterher. Die Tschechen geben pro Kopf zwar doppelt so viel Geld für ökologische Lebensmittel aus wie etwa Polen, Ungarn oder Slowaken, damit sind sie in ihrer Region unangefochtene Spitzenreiter. Aber der Bio-Konsum liegt trotzdem noch deutlich niedriger als bei den westlichen Nachbarn. Das sei vor allem ein Problem des Geldbeutels, meint die Bio-Lobbyistin Nesrstova.
"Wenn man kaum das Geld hat, um seine Familie zu ernähren, denkt man nicht darüber nach, ob man Bio kauft oder nicht. Da verschließt man den Kopf – und man bekommt ihn dann schlecht wieder auf. Die Änderung der eigenen Prioritäten braucht viel Zeit."
Gerade in den Großstädten gibt es allerdings längst ein zahlungskräftiges Publikum. Das ist die Kundschaft von Tereza Vrbova. Die Zentrale ihrer Firma hat sie vor den Toren Prags aufgebaut, neben ein paar Büros erhebt sich eine große Lagerhalle. Hier steht die junge Frau zwischen raumhohen Regalen. Um sie herum fahren Gabelstapler mit vollen Paletten, gerade ist eine neue Lieferung eingetroffen.
"Hier ist unser Kühlraum, da lagern wir Schokolade und Milchprodukte. Am meisten verkaufen wir aber trockene Ware, also Zucker, Rosinen und Trockenobst."
Bio-Laden für Großstädter
Tereza Vrbova hat in Tschechien ein Bio-Imperium aufgebaut: Bio-Nebio heißt ihr Großhandel, mit dem sie Bioläden, Supermärkte und Restaurants beliefert. Die meisten ihrer Waren kommen aber nicht aus Tschechien. Sie importiert vor allem aus Österreich und Deutschland. Vrbova greift in eines der Regale.
"Schauen Sie, hier haben wir zum Beispiel österreichisches Bier. Aus Österreich haben wir etwa auch Käse- und Ziegenmilchprodukte. Es ist natürlich nicht so, dass wir etwas gegen Waren aus tschechischer Produktion hätten – aber bei den Lebensmitteln aus Deutschland und Österreich ist die Qualität einfach sehr hoch."
Inzwischen ist die Firma von Tereza Vrbova zu einem der größten Biohändler Tschechiens aufgestiegen. Vor mehr als zehn Jahren hat sie das Geschäft gegründet – zu einer Zeit, als in Tschechien noch niemand von ökologischen Lebensmitteln sprach. Damals eröffnete sie zusammen mit ihrem Mann ein kleines Ladengeschäft in Prag.
"In den Jahren davor haben wir in Kanada gelebt. Dort war es kein Problem, gesunde Lebensmittel zu kaufen. Als wir nach Tschechien zurückgekommen sind, hat uns das gefehlt, hier gab es ja überhaupt nichts in dieser Art. So fing das an."
Es ist eine Geschichte, die typisch ist für den Bio-Boom, der in Tschechien derzeit herrscht. Vor allem die jungen und gebildeten Städter fangen an, sich für die Herkunft ihrer Lebensmittel zu interessieren. Sie pilgern immer häufiger in die Hofläden von engagierten Bauern und in die Geschäfte mit der Zusatz "Bio" im Namen.
In Prag gibt es noch einen anderen Trend: die sogenannten Bauernmärkte. Der schönste findet samstags statt, in der Fußgängerzone am Ufer der Moldau. Im Hintergrund erhebt sich majestätisch die Prager Burg auf dem Hradschin, und hier unten am Wasser bauen schon frühmorgens die Landwirte aus der Umgebung ihre Stände auf. Obst und Gemüse liegen in der Auslage, Milch und Butter, selbst gemachte Marmeladen oder rustikale Bauernbrote. Mit einem klassischen Wochenmarkt hat das aber trotzdem wenig zu tun: Es ist ein Lebensstil, der hier unten am Wasser zelebriert wird; dazu gehören auch die Freiluft-Konzerte von Musikern, die dicht von Zuhörern umdrängt sind.
Manche Prager verbringen hier ihren ganzen Vormittag. An manchen Ständen gibt es gegrillte Fische oder Spezialitäten vom Balkan, an anderen Holzspielzeuge für Kinder. Die meisten Besucher kommen jede Woche, so wie diese junge Pragerin.
"Das Schöne hier ist, dass man immer Freunde trifft. Mit denen schlendert man über den Markt, setzt sich vielleicht zur Musik und dann geht es weiter mit dem Einkaufen. Wenn Sie hier Obst und Gemüse kaufen – das schmeckt völlig anders als im Supermarkt, das ist eine ganz neue Erfahrung!"
"Schauen Sie, hier haben wir zum Beispiel österreichisches Bier. Aus Österreich haben wir etwa auch Käse- und Ziegenmilchprodukte. Es ist natürlich nicht so, dass wir etwas gegen Waren aus tschechischer Produktion hätten – aber bei den Lebensmitteln aus Deutschland und Österreich ist die Qualität einfach sehr hoch."
Inzwischen ist die Firma von Tereza Vrbova zu einem der größten Biohändler Tschechiens aufgestiegen. Vor mehr als zehn Jahren hat sie das Geschäft gegründet – zu einer Zeit, als in Tschechien noch niemand von ökologischen Lebensmitteln sprach. Damals eröffnete sie zusammen mit ihrem Mann ein kleines Ladengeschäft in Prag.
"In den Jahren davor haben wir in Kanada gelebt. Dort war es kein Problem, gesunde Lebensmittel zu kaufen. Als wir nach Tschechien zurückgekommen sind, hat uns das gefehlt, hier gab es ja überhaupt nichts in dieser Art. So fing das an."
Es ist eine Geschichte, die typisch ist für den Bio-Boom, der in Tschechien derzeit herrscht. Vor allem die jungen und gebildeten Städter fangen an, sich für die Herkunft ihrer Lebensmittel zu interessieren. Sie pilgern immer häufiger in die Hofläden von engagierten Bauern und in die Geschäfte mit der Zusatz "Bio" im Namen.
In Prag gibt es noch einen anderen Trend: die sogenannten Bauernmärkte. Der schönste findet samstags statt, in der Fußgängerzone am Ufer der Moldau. Im Hintergrund erhebt sich majestätisch die Prager Burg auf dem Hradschin, und hier unten am Wasser bauen schon frühmorgens die Landwirte aus der Umgebung ihre Stände auf. Obst und Gemüse liegen in der Auslage, Milch und Butter, selbst gemachte Marmeladen oder rustikale Bauernbrote. Mit einem klassischen Wochenmarkt hat das aber trotzdem wenig zu tun: Es ist ein Lebensstil, der hier unten am Wasser zelebriert wird; dazu gehören auch die Freiluft-Konzerte von Musikern, die dicht von Zuhörern umdrängt sind.
Manche Prager verbringen hier ihren ganzen Vormittag. An manchen Ständen gibt es gegrillte Fische oder Spezialitäten vom Balkan, an anderen Holzspielzeuge für Kinder. Die meisten Besucher kommen jede Woche, so wie diese junge Pragerin.
"Das Schöne hier ist, dass man immer Freunde trifft. Mit denen schlendert man über den Markt, setzt sich vielleicht zur Musik und dann geht es weiter mit dem Einkaufen. Wenn Sie hier Obst und Gemüse kaufen – das schmeckt völlig anders als im Supermarkt, das ist eine ganz neue Erfahrung!"
Jahrelang Restrampe Europas
Viele Tschechen sind müde geworden von den ständigen Lebensmittelskandalen, die das Land in den vergangenen Jahren erschüttert haben. "Wir sind der Mülleimer Europas", titelte unlängst eine große Tageszeitung voller Empörung. In Tschechien, so heißt es hinter vorgehaltener Hand auch in der Lebensmittelbranche, werden in den Supermärkten und Discountern oft Waren angeboten, die im Westen Europas unverkäuflich wären – Prag war lange Jahre gewissermaßen die Resterampe für ganz Europa. Allmählich verbessert sich das zwar, aber das Misstrauen vieler Verbraucher sitzt tief.
Das Radio läuft im Bio-Laden von Filip Riha. Der Unternehmer sieht sich als Missionar für besseres Essen – und er beobachtet immer wieder, wie die anfängliche Skepsis gegenüber Lebensmitteln in Begeisterung umschlägt, wenn seine Kunden erst einmal in eine Tomate oder einen Apfel gebissen haben, die nicht aus einem sterilen Großzucht-Betrieb kommt. Filip Riha steht im Erdgeschoss eines Gründerzeithauses am Rand der Prager Altstadt. Seine Mitarbeiter packen hier Obst und Gemüse in große Kartons. "FreshBedynky" heißt Rihas Geschäftsmodell, zu Deutsch Frischekisten. Mit eigenen Lieferfahrzeugen bringen die Mitarbeiter die Bio-Lebensmittel direkt zu den Kunden nach Hause. Es hat lange gedauert, bis der Laden zum Selbstläufer wurde. Am Anfang war es für den jungen Firmengründer sogar schwierig, passende Landwirte zu finden.
"Wir haben gesehen, dass man gute Sachen in Tschechien nicht so einfach kaufen kann. Dann sind wir selbst die Bauernhöfe abgefahren, haben Lieferanten gesucht. Alles, was Sie bei uns kaufen können, ist mit Liebe ausgewählt."
Die Geschäftsräume von Filip Riha waren früher einmal eine Wohnung. Jetzt ist hier im früheren Ess-Zimmer der Kühlraum untergebracht, und vorne im Zimmer zur Straße packen junge Männer mit bunten T-Shirts Obst und Gemüse in die Kisten, die dann am Abend zu den Kunden gebracht werden. Jeder Handgriff sitzt, die Zeit ist knapp kalkuliert. Die Männer sind ein eingespieltes Team, das Firmengründer Filip Riha mit viel Sorgfalt zusammengestellt hat.
"Jede Woche kocht einer der Jungs. Wir nehmen unsere guten Lebensmittel und bereiten uns selbst das Mittagessen zu. Das ist Team-Spirit. Deshalb ist es auch so schwierig, die richtigen Leute zu finden."
Noch vor ein paar Jahren hätte Filip Riha den Kopf geschüttelt über so ein Geschäftsmodell. Er war auf einer ganz anderen Erfolgsspur: In Prag und Sankt Gallen hat er Wirtschaft studiert, arbeitete dann bei einer Unternehmensberatung und war als Vielflieger in ganz Europa auf seinen Geschäftsterminen unterwegs – bis er irgendwann die Nase voll hatte von der Hektik.
Das Radio läuft im Bio-Laden von Filip Riha. Der Unternehmer sieht sich als Missionar für besseres Essen – und er beobachtet immer wieder, wie die anfängliche Skepsis gegenüber Lebensmitteln in Begeisterung umschlägt, wenn seine Kunden erst einmal in eine Tomate oder einen Apfel gebissen haben, die nicht aus einem sterilen Großzucht-Betrieb kommt. Filip Riha steht im Erdgeschoss eines Gründerzeithauses am Rand der Prager Altstadt. Seine Mitarbeiter packen hier Obst und Gemüse in große Kartons. "FreshBedynky" heißt Rihas Geschäftsmodell, zu Deutsch Frischekisten. Mit eigenen Lieferfahrzeugen bringen die Mitarbeiter die Bio-Lebensmittel direkt zu den Kunden nach Hause. Es hat lange gedauert, bis der Laden zum Selbstläufer wurde. Am Anfang war es für den jungen Firmengründer sogar schwierig, passende Landwirte zu finden.
"Wir haben gesehen, dass man gute Sachen in Tschechien nicht so einfach kaufen kann. Dann sind wir selbst die Bauernhöfe abgefahren, haben Lieferanten gesucht. Alles, was Sie bei uns kaufen können, ist mit Liebe ausgewählt."
Die Geschäftsräume von Filip Riha waren früher einmal eine Wohnung. Jetzt ist hier im früheren Ess-Zimmer der Kühlraum untergebracht, und vorne im Zimmer zur Straße packen junge Männer mit bunten T-Shirts Obst und Gemüse in die Kisten, die dann am Abend zu den Kunden gebracht werden. Jeder Handgriff sitzt, die Zeit ist knapp kalkuliert. Die Männer sind ein eingespieltes Team, das Firmengründer Filip Riha mit viel Sorgfalt zusammengestellt hat.
"Jede Woche kocht einer der Jungs. Wir nehmen unsere guten Lebensmittel und bereiten uns selbst das Mittagessen zu. Das ist Team-Spirit. Deshalb ist es auch so schwierig, die richtigen Leute zu finden."
Noch vor ein paar Jahren hätte Filip Riha den Kopf geschüttelt über so ein Geschäftsmodell. Er war auf einer ganz anderen Erfolgsspur: In Prag und Sankt Gallen hat er Wirtschaft studiert, arbeitete dann bei einer Unternehmensberatung und war als Vielflieger in ganz Europa auf seinen Geschäftsterminen unterwegs – bis er irgendwann die Nase voll hatte von der Hektik.
Vom Karrieristen zum Bio-Geschäftsmann
"Davor hatte ich an Geld, Auto, Status und solche Dinge gedacht. Aber dann habe ich mein Leben geändert. Ich sehe an unserer Firma, dass ich kein Einzelfall bin: Das Interesse wächst von Jahr zu Jahr; es ändert sich etwas am Bewusstsein der Leute. Wir haben viele Kunden, die noch vor zwei Jahren niemals bei uns eingekauft hätten. Aber jetzt sind sie begeistert."
Filip Riha ist in seinem Geschäft zum perfekten Selbstvermarkter geworden. Natürlich hilft ihm das Image vom Karrieristen, der auf einmal eine andere Welt entdeckt. Bei den Kunden kommt das gut an, denn viele erkennen sich selbst in dem jungen Geschäftsmann wieder: Sie leben allesamt in Prag, die meisten waren länger im Ausland; es ist das gebildete und urbane Publikum, das sich von ihm mit Bio-Gemüse beliefern lässt. Es sind keine Revoluzzer oder Weltverbesserer, die in Tschechien an der Spitze der Bewegung stehen – es ist die gut verdienende, bürgerliche Elite.
"Wir haben 600 Kunden, unsere Lebensmittel kommen von 25 Bio-Bauernhöfen und 10 Leute arbeiten bei uns. Wir bieten das ganze Spektrum an Lebensmitteln an, das man auch im Supermarkt bekommt – nur eben alles in Bioqualität. Uns geht es um die Beziehung zur Natur, zur Gesundheit – das alles wollen wir in unserem Angebot verbinden."
Inzwischen ist der Bio-Boom in Tschechien kein Nischenphänomen mehr. Dass die Nachfrage stetig steigt, das merken Filip Riha und die Bio-Großhändlerin Tereza Vrbova ebenso wie Josef Sourek, der Bauer aus dem Riesengebirge. Bis Tschechien, die Bio-Exportgroßmacht, auch im Verbrauch endgültig zu den westlichen Ländern aufgeschlossen hat, dürfte es nach Expertenschätzungen noch ein Jahrzehnt dauern – aber der Abstand verkürzt sich von Jahr zu Jahr.
Filip Riha ist in seinem Geschäft zum perfekten Selbstvermarkter geworden. Natürlich hilft ihm das Image vom Karrieristen, der auf einmal eine andere Welt entdeckt. Bei den Kunden kommt das gut an, denn viele erkennen sich selbst in dem jungen Geschäftsmann wieder: Sie leben allesamt in Prag, die meisten waren länger im Ausland; es ist das gebildete und urbane Publikum, das sich von ihm mit Bio-Gemüse beliefern lässt. Es sind keine Revoluzzer oder Weltverbesserer, die in Tschechien an der Spitze der Bewegung stehen – es ist die gut verdienende, bürgerliche Elite.
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