"Es gab einen Mangel an Mut"
Europa habe angesichts Hunderttausender Toter im Syrien-Krieg politisch versagt, sagt der langjährige Diplomat Wolfgang Ischinger. Er halte es für einen "Schandfleck der jüngeren und jüngsten europäischen Geschichte", dass man nicht in den Konflikt eingegriffen habe.
Seit sieben Jahren herrscht Krieg in Syrien. Bis heute wurde kein verlässlicher Friedensplan oder gar eine Nachkriegsordnung für das Land gefunden.
Anfang der Woche immerhin hatten Russlands Präsident Putin und der türkische Präsident Erdogan die Schaffung einer entmilitarisierten Zone in der nordsyrischen Provinz Idlib vereinbart. Eine Handschrift der Europäer für einen Friedensprozess ist nicht zu erkennen.
Für den Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, ist diese Entwicklung nur das Ende eines langen Versagens europäischer Politik. In unserem Programm sagte er:
"Jetzt wird über die Frage 'Krieg oder Frieden?' zwischen der Türkei und Russland, vielleicht im Hintergrund noch der Iran, gesprochen. Wo sind denn die Flüchtlinge seit dem Jahr 2011 alle hin? Die sind ja weder auf dem Roten Platz in Moskau noch in Washington aufgetreten."
Europa hätte "Kampfhähne" einladen müssen
Es bewege ihn sehr, dass die Europäische Union in den sieben Kriegsjahren zu keinem Zeitpunkt den Mut hatte, eine Friedenslösung aktiv anzugehen.
"Wir hätten doch zu irgendeinem Zeitpunkt – vielleicht schon vor fünf Jahren – sagen können: Wir laden diese ganzen Kampfhähne - den Iran, die Saudis, die Syrer selbst, die Amerikaner, die Russen und so weiter – wir laden sie alle nach Brüssel oder nach Genf oder irgendwohin ein. Und wir stehen erst wieder auf, wenn ein Friedensprozess in Gang gesetzt ist."
Die Frage nach den Gründen dieses Versagens sei eine bittere Frage, auf die es keine guten Antworten gebe, sagte Ischinger. Europa habe angesichts von Hunderttausenden Toten eigentlich nur weggeschaut. "Es gab einen Mangel an Mut und einen Mangel an Geschlossenheit und einen Mangel an Selbstbewusstsein, die Interessen von 500 Millionen Europäern angemessen zu vertreten", sagte er. "Ich halte das für einen Schandfleck der jüngeren und jüngsten europäischen Geschichte."
Frieden Schaffen mit Waffen, Mandat und Strategie
Mit einer planlosen militärischen Intervention ohne langen strategischen Atem wäre allerdings auch nichts Positives erreicht worden, betonte der Diplomat.
"Einfach zu sagen im Falle Syrien – 'Assad muss weg' – und dann nichts zu tun, ist ganz falsch. Assad wegzukriegen durch ein wie auch immer geartetes militärisches Eingreifen und dann keinen Plan zu haben, was man mit diesem Land macht und wer denn da regieren soll, das wäre in der Tat genauso schlecht."
Er selbst sehe drei grundlegende Voraussetzungen, um ein militärisches Eingreifen in einem Konflikt zu rechtfertigen: Man brauche ein Mandat, also eine rechtliche Grundlage. Die Intervention müsse zudem "unabdingbar" sein und die beteiligten Staaten "wie ein Mann" dahinter stehen. Zudem müsse eine Strategie mit kurz-, mittel- und langfristigen Zielen für das militärisch befriedete im Vorfeld festgelegt sein.
(huc)