Europatour des Filmkomponisten Hans Zimmer

"Auf der Schulter sitzt ein kleiner Kritiker"

Komponist Hans Zimmer bei der Filmpremiere von "Interstellar" im Jahr 2014
Komponist Hans Zimmer bei der Filmpremiere von "Interstellar" im Jahr 2014 © Imago/Future Image
Von Vincent Neumann |
Mit seiner Filmmusik zu "Batman" oder "Fluch der Karibik" hat Hans Zimmer Hollywood seinen Stempel aufgedrückt. Doch trotz seines Erfolges zweifelt der gebürtige Frankfurter immer wieder an seiner Arbeit. Nun geht Zimmer mit Orchester auf Europatour.
Es wäre nicht fair, Hans Zimmer vor seiner allerersten Konzerttour Lampenfieber oder Nervosität zu unterstellen. Sein Empfinden reicht weitaus tiefer:
"Nervenkitzel? Panik! Aber man kann ja dieses Abenteuer nicht aufgeben wegen Angst. Also, wenn ich das jetzt nicht mache, dann werde ich es nie machen!"
Nach fast 30 Jahren im Filmgeschäft stellt sich Hans Zimmer einer neuen Herausforderung: raus aus seinem fensterlosen Studio in Hollywood, rauf auf die große Bühne und hinaus in die weite Welt. Die Musik, die aus Jack Sparrow den erfolgreichsten Piraten der Filmgeschichte machte – ohne die begleitenden oder zu begleitenden Bilder.
"Es hat mich immer gestört: Entweder sieht man Filmmusik mit einem Film, mit einem Live-Orchester, und nach 20 Minuten schau ich das Orchester nicht mehr an, sondern ich bin in der Geschichte drin – oder man schaut den Rücken des Regisseurs an."

"Schauen, ob die Musik auf eigenen Beinen stehen kann"

Doch ein Filmmusik-Konzert ohne Film; Musik, die ursprünglich für bestimmte Szenen geschrieben wurde und nicht immer ohne diese funktioniert – das ist auch für eine Hollywood-Größe wie Hans Zimmer ein gewisses Risiko. Allerdings ein kalkuliertes:
"Ich wollte, dass es Spaß macht. Ich wollte auch trotzdem mal wirklich sehen, ob die Musik auf eigenen Beinen stehen kann, und ich vor dem Publikum stehen kann und denen mal in die Augen schaue. Und entweder haut’s hin oder es geht nicht, aber ich wollte das Abenteuer eben mal eingehen."
Anders als Kollegen wie John Williams oder Ennio Morricone inszeniert sich Hans Zimmer dabei nicht als großer Maestro am Dirigentenpult: Sein Instrument ist nicht der Taktstock, sondern das Keyboard oder die Gitarre – was natürlich auch dem in Hollywood mittlerweile etablierten, typischen Hans Zimmer-Sound geschuldet ist.
"Ich mit meinen Computern kann jeden Sound machen und dem Regisseur vorspielen. Und ich hab schon oft mit dem Steven Spielberg drüber gesprochen: 'Wie geht das denn mit Euch beiden?' Und der John Williams ist eben dieser fantastische Klavierspieler, der dann einfach diese ganze Partitur auf dem Klavier spielen kann. Ich kann das nicht, aber ich bin ein guter Programmierer – ich bin eben eine ganz andere Generation."
Und diese Generation, allen voran Hans Zimmer, gibt in Hollywood inzwischen den Ton an: Von "Rain Man" und dem "König der Löwen" bis hin zur "Fluch der Karibik"-Reihe und der "Dark Knight"-Trilogie konnte der gebürtige Frankfurter dem Klangbild der Traumfabrik in den vergangenen drei Jahrzehnten seinen Stempel aufdrücken.

"Am Ende des Tages bin ich immer Europäer"

Dass ihn seine erste große Tour nun aber ausgerechnet nach Europa führt, mit Start in London und immerhin sechs Terminen in Deutschland, ist kein Zufall.
"Ich weiß nie, wo ich eigentlich zu Hause bin. Ich bin nicht in Amerika zu Hause, ich bin nicht ganz in Deutschland zu Hause – das hört man glaube ich schon am Akzent – und ich glaube, am meisten bin ich in London zu Hause. Am Ende des Tages bin ich immer Europäer." (0’15)
Eine Tatsache, die sich auch in den Kompositionen von Hans Zimmer widerspiegelt:
"Meine musikalische Sprache ist immer europäisch. Ich bin mit klassischer Musik aufgewachsen, und ich hab auch immer irgendwie diesen europäischen Akzent in meiner Musik."
"Das Glück, dass ich wirklich gehabt habe mit meiner Karriere – jetzt bin ich 58 Jahre alt und noch irgendwie relevant. Meine Kinder denken, ich wäre cool, weil ich Musiker bin. Ich meine, das besondere Wort bei Musik ist natürlich 'spielen'. Und ich glaube, man kann entweder ein Erwachsener werden oder spielen."

Offene Zweifel an der eigenen Arbeit

Doch bei aller Leichtigkeit und Freude, die sich Hans Zimmer in der von Zeitdruck und festen Vorgaben geprägten Welt der Filmbranche bewahrt hat – mit sich selbst und seiner Arbeit geht er überraschend hart ins Gericht. Das Stück, das ihn selbst vollkommen zufrieden stellt, hat der Oscar-Preisträger bislang noch nicht geschrieben.
"Auf meiner Schulter sitzt ein kleiner Kritiker, der mir immer beim Schreiben ins Ohr flüstert, dass es besser sein soll und dass es nichts wird, und ich soll sowieso aufgeben und einen richtigen Job kriegen. Aber auf der anderen Seite sitzt so ein Kleiner, der sagt: 'Mach nur weiter, es wird schon irgendwie hingehen!' Und dann gibt’s natürlich den Regisseur, der sagt: 'Na, ich glaube, das wird noch was!'"
Und ob dieser Regisseur nun Ridley Scott, Ron Howard oder Christopher Nolan heißt – für Hans Zimmer zählt vor allem ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis. Auch zu seinen Musikern, ohne die es den Konzertabend wohl nie gegeben hätte:
"Ich war in meiner typisch deutschen Stimmung, wo alles nur schlecht war, und ich hab 90 Sekunden ausgewählt. Und dann hab ich einfach zu den Musikern gesagt, mit den ich immer arbeite: 'OK, Ihr macht mal eine Liste, was Ihr spielen möchtet!'"
Hans Zimmer on tour – das ist nicht nur eine Ansammlung seiner größten Erfolge; es ist auch eine Art Klassentreffen alter Freunde und Wegbegleiter wie Lebo M, die Stimme des Löwenkönigs, oder "The Smiths"-Gitarrist Johnny Marr. Ein Spektakel – auf und (dank aufwändiger Lichttechnik auch) über der Bühne; immerhin ist Hans Zimmer ja auch die klanggewaltige, musikalische Stimme von Superhelden wie Batman, Superman oder Sherlock Holmes. Nur für sich selbst wählt er den Anzug lieber eine Nummer kleiner.
"Ich wollte nie so pompös und prätentiös der große Komponist sein und so weiter. Ich wollte immer Entertainment."
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