Große Oper mit großen Hindernissen
Wer keine Angst vor Ohrwürmern hat, wer einen Text akzeptiert, in dem sich "Lust" und "Brust" eher reimen als manche Handlungsstränge, wird an der "Euryanthe" von Carl Maria von Weber Freude haben. Große Oper trifft auf große Aufführungsprobleme.
Eine "Große romantische Oper in drei Aufzügen" hat Carl Maria von Weber seine 1823 in Wien uraufgeführte "Euryanthe" genannt. Später kam sie als "Große heroisch-romantische Oper" in Umlauf. Das hat sie noch etwas schwieriger gemacht: Schwer zu inszenieren ist sie sowieso und alles andere als leicht auch für die Ausführenden auf der Bühne wie im Graben. Ein Lieblingsstück guter Orchester und großer Dirigenten ist immerhin die Ouvertüre – eindrücklicher Vorgeschmack auf das, was kommt.
Hier geht es zur Playlist der Sendung.
Es geht um die Ehre der Frau und Moralbegriffe des Mittelalters, die sich denen der bürgerlichen Welt des 19. Jahrhunderts als gar nicht so fernliegend erweisen. Graf Lysiart, Frauenverächter übelster Sorte, provoziert auf einem königlichen Fest arglistig einen Streit mit seinem Satz: "Des Meeres Grund hegt Perlen, makelrein / Des Weibes Brust schließt keine Treue ein". Graf Adolar entgegnet angriffslustig: "Für Misslaut taugt mein gut gestimmtes Eisen ... Dich lehr’ ich Frauen ehren!"
Doch statt im Duell wird der Streit als Wette ausgetragen: eine Ausgangskonstellation ähnlich derjenigen in Mozarts "Così fan tutte", die sich als Komödie geriert. Hier jedoch geht es um Leben und Tod, Heimtücke und Verrat. Der Krieg als Handlungshintergrund verbindet beide Opern, nur dass "Euryanthe" nicht im Neapel des 18. Jahrhunderts spielt, sondern in Frankreich anno 1110.
Zwischen "Rosamunde" und "Lohengrin"
Das nicht erst für den heutigen Geschmack problematische, später von fremder Hand noch verschlimmbesserte Libretto zur Oper stammt von Helmina von Chézy, die auch die Vorlage zur "Rosamunde" von Franz Schubert schuf. Der musste angesichts der "Euryanthe" seine eigenen Opernambitionen zurückstellen, denn neben diesem Werk war für Schuberts ähnlich geartete Entwürfe wenig Platz.
Etwas jüngere Komponisten konnten mit Webers Vorbild freier umgehen, etwa Richard Wagner, zu dessen Werk von hier aus etliche Verbindungslinien laufen, beispielsweise zum "Lohengrin". Wagner stilisierte denn auch Weber zum nationalen Mythos, auf dessen Schultern er sich selbst zum Vollender des Musikdramas schlechthin erheben konnte.
Von der glanzvollen Ouvertüre abgesehen, hat es Webers "Euryanthe" nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Plattenstudio schwer. Neben manchen verdienstvollen und durchaus prominent besetzten Produktionen gibt es allerdings eine auch heute noch maßstabsetzende Einspielung von 1974 mit Jessye Norman in der Titelrolle und Marek Janowski am Dirigentenpult.