Journalistin Eva Biringer über Alkoholsucht

Vom Trinken und Loslassen

12:08 Minuten
Porträtfoto der Journalistin und Autorin Eva Biringer. Sie trägt ein schwarzes Oberteil und steht vor einer bunt gemusterten Wand.
Bei ihren zahlreichen Feinschmeckerreisen floss der Alkohol in Strömen. Irgendwann zog Eva Biringer die Notbremse – und schrieb anschließend ihr Buch "Unabhängig" über ihren Weg aus der Alkoholsucht. © Florian Reimann
Moderation: Joachim Scholl |
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Wer keinen Alkohol trinkt, gilt oft als Spaßbremse. Dass es auch ohne sehr gut geht, erkannte die Journalistin Eva Biringer erst während der Therapie gegen ihre Alkoholsucht. Wie sie zur Ex-Trinkerin wurde, beschreibt sie in ihrem Buch "Unabhängig".
Alkohol ist in unserer Gesellschaft omnipräsent. Werbung und Serien wie „Sex and the City“ suggerieren: Prosecco schon zum Frühstück und bunte Cocktails und auch härtere Getränke als Aperitif sind unabdingbar für ein cooles Lebensgefühl und, ähnlich wie Kostümchen und Designerpumps, ein Zeichen feinen Stils.
Wer dagegen nur alkoholfrei trinkt, muss sich auf Partys, beim Essen gehen oder bei anderen Feierlichkeiten oft dafür rechtfertigen und wird gar als Spaßbremse oder Moralapostel eingestuft.

Immer mehr Frauen trinken

Von solchen Erfahrungen berichtet die Journalistin Eva Biringer, Anfang 30 und Ex-Trinkerin. Als Fachjournalistin für Essen, Trinken und Lebensart sei Alkohol quasi bei jedem Pressedinner und jeder Feinschmeckerreise selbstverständlich gewesen und in Strömen geflossen.
Das erwies sich für Biringer, die unter anderem für „Die Zeit“, "Die Welt“ und „Der Feinschmecker“ schreibt, als verhängnisvoll: Schlafstörungen und depressive Stimmungen zählt sie als unangenehme Begleiterscheinungen des regelmäßigen, starken Alkoholkonsums auf.
Sie ging dem nach, las Studien zum Thema und stieß auf Zahlen wie jene, dass weltweit alle zehn Sekunden ein Mensch durch Alkoholkonsum stirbt. Andere Erhebungen belegen, dass statistisch gesehen immer mehr gebildete, studierte, beruflich erfolgreiche und wohlsituierte Frauen zur Flasche greifen. Frauen, die eigentlich auf gesunde Ernährung und einen fitten Körper achten.

Alkohol an Minderjährige auf Dorffesten

„Wow, diese Beschreibung passt exakt zu mir“, schoss es ihr durch den Kopf. Und sie habe auch zu vielen anderen Frauen in ihrem Bekannten- und Kolleginnenkreis gepasst, auf denen offenbar ein gewisser Perfektionierungsdruck lastet.
Biringer begann, weiter zu recherchieren, warum es ausgerechnet diese Zielgruppe trifft, und beschäftigte sich auch mit ihrer eigenen Trinkerinnen-Biografie. Daraus ist ihr Buch "Unabhängig. Vom Trinken und Loslassen" entstanden, das jetzt erschienen ist. Darin beschreibt sie, wie es ihr gelang, sich vom Alkohol zu lösen.

Eva Biringer: "Unabhängig. Vom Trinken und Loslassen"
Harper Collins, 2022
352 Seiten, 18 Euro

Mit elf habe sie angefangen, hier und da Alkohol zu trinken, das sei der Einstieg gewesen, sagt Biringer und fügt als Erklärung hinzu: „Dadurch, dass ich in einem Dorf großgeworden bin, war Alkohol sowieso auch noch auf eine andere Art immer präsent: Bei den Dorffesten hat es niemanden von denen, die dann an der Bar standen, interessiert, dass sie an Minderjährige Alkohol ausgeschenkt haben.“ Es sei Standard und normal gewesen zu trinken.
Der Konsum steigerte sich während des Studiums und weiter, als sie erfolgreich in den Journalistinnenberuf eingestiegen war. Genau hier, zeigt Biringer auch in ihrem Buch, lauert für junge Frauen die Gefahr: „Frauen können alles – auch trinken wie Männer.“ Und diese Haltung machten sich viel zu eigen, wie um zu beweisen, dass sie in allen Bereichen mithalten können.

"Man kann nicht immer nur funktionieren"

Getrunken werde in dieser Situation auch, weil „ein Ausgleich“ gebraucht werde: „Man kann nicht immer nur funktionieren, auch das weiß ich aus eigener Erfahrung“, sagt die Journalistin.
Bei der Alkoholsucht sieht sie einen großen Unterschied zwischen körperlicher und psychischer Abhängigkeit. Körperlich sei sie selbst nie abhängig gewesen, wohl aber mental.
Als ihr das bewusst wurde, begann Biringer eine ambulante Therapie. Die habe ihr sehr geholfen und letztlich zu der Erkenntnis geführt, „wie toll es sein kann, nicht zu trinken“.  Wer trinken wolle, solle dies natürlich auch dürfen – für alle anderen gebe es inzwischen sehr viele gute, alkoholfreie Alternativen.
(mkn)

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