Eva C. Schweitzer: "Links blinken, rechts abbiegen. Die unheimliche Allianz zwischen Neurechten, woken Antideutschen und amerikanischen Neokonservativen"
Westend Verlag, Frankfurt am Main 2021
224 Seiten, 18 Euro
Eine Verschwörung, die keine war
05:37 Minuten
Dass man Intoleranz in diesen polarisierten Zeiten auf beiden Seiten des politischen Spektrums findet, auch auf der progressiven, ist keine ganz neue Erkenntnis. Die Journalistin Eva C. Schweitzer präsentiert sie in äußerst polemischer Weise.
Eva Schweitzer hat sich viel vorgenommen. Der Untertitel ihres Buchs verspricht, eine "unheimliche Allianz zwischen Neurechten, woken Antideutschen und amerikanischen Neokonservativen" aufzudecken.
Bereits im Vorwort nimmt die Journalistin kein Blatt vor den Mund, denn sie fühlt sich bedroht. Von einem linken Totalitarismus, der alle ihre Freunde durch "woke Klone" ersetzt.
Um diesem vermeintlichen Umerziehungsprogramm etwas entgegenzusetzen, schreibt Schweitzer bereits auf den ersten Seiten so viel auffällig politisch Inkorrektes, dass Social-Media-Kontroversen Teil der Verkaufsstrategie sein müssen.
Bei ihr habe es mit den Transfrauen angefangen, schreibt sie, nur um dann klarzustellen: "von mir aus kann sich jeder als Klingone oder Indianerhäuptling identifizieren", aber das "gehirnlose" Mitmachen der "über-woken" Medien sei einfach zu viel.
Im gleichen Ton geht es dann über mehrere Kapitel weiter, hauptsächlich um eine der extremsten, aber auch kleinsten Gruppen der radikalen Linken zu kritisieren: die Antideutschen.
Eine allzu aggressive Abrechnung
Antideutsche wollten mit allen Mitteln Deutschland zerstören. Sie bejubelten die Bombardierung Dresdens durch die Briten 1945, und würden Migranten als Waffe zur Abschaffung der deutschen Kultur nutzen. Dabei unterstützten sie die israelische Regierung so vehement, "als habe sich der Mossad im Oberstübchen eingerichtet".
Schweitzer wird gegenüber Journalistinnen und Aktivisten schnell beleidigend. Hengameh Yaghoobifarah nennt sie "Yabba", weil das Leben zu kurz sei, den ganzen Namen zu lernen. Mely Kiyak sei auf einem "völkischen Trip", Mohamed Amjahid wenig talentiert, die Linken-Politikerin Julia Schramm ein "dumme[s] antideutsche[s] Mädel".
Malcolm Ohanwe sei wegen eines problematischen Tweets aus dem Jahr 2020 der beste Beweis dafür, warum kaum jemand enge nigerianische Freunde habe. Nigerianer seien nämlich in Afrika generell unbeliebt. Die israelische Öffentlichkeitsarbeit "Hasbara" hingegen sei dilettantische Propaganda und Schuld an Israels "schlechtem Ruf".
Wie sie auf solche Ideen kommt, erklärt sie kaum. Manchmal wartet man, ob statt einer Erklärung vielleicht noch eine Pointe kommt, aber auch das ist vergebens.
Wurde Trump durch deutsche Schlagzeilen zum Präsidenten?
Schweitzers stärkste Textpassagen sind die, in denen sie die grobschlächtige Polemik außen vorlässt, und historisch schreibt. Die Geschichte der New York Times ist recht interessant, auch das Zusammentragen deutschenfeindlicher Weltkriegspropaganda.
Dann aber wird es wieder absurd. So behauptet Schweitzer, dass Trumps Wahlsieg im Jahr 2016 Schuld der Antideutschen sei.
Die Assoziationskette, die sie dorthin führt, ist wild. Antideutsche hätten im Jahr 2015 für die Öffnung der Grenzen gesorgt, um kriminelle Migranten ins Land zu holen, so dass der gesamte Trump'sche Wahlkampf sich auf Schreckensmeldungen zu Migrantenkriminalität in Deutschland hätte aufbauen können. "Und diese mediale Dauerbeschallung habe mit dafür gesorgt, dass Trump gewählt wurde."
Ganz geheuer scheint ihr diese Schlussfolgerung aber nicht zu sein, denn sie legt sie der New-Yorker-Journalistin Jane Mayer in den Mund. In Mayers Artikel kommt Deutschland aber gar nicht vor. Woher die Analyse dann stammt, bleibt unklar.
Am Ende war doch nichts
Sicherlich hat Schweitzer Recht, wenn sie die deutsche Linke als verstritten beschreibt, einige Randgruppen sogar als intolerant und feindselig. Dass sie diese Kritik jedoch selbst in einem intoleranten und feindseligen Ton hervorbringt, birgt eine Ironie, die der Autorin selbst nicht auffällt.
Von der großen Verschwörung zwischen Antideutschen und amerikanischen Neokonservativen bleibt am Ende auch nicht viel übrig. Dafür sei der Einfluss der Antideutschen in Deutschland viel zu begrenzt, gibt Schweitzer zu, und so suchten sich die Neokonservativen ihre Verbündeten lieber im Lager der Transatlantiker, nämlich bei Merkel und Merz.
Das hätte im Untertitel aber wohl nicht so spektakulär geklungen.