Eva Illouz: "Warum Liebe endet. Eine Soziologie negativer Beziehungen"
Aus dem Englischen von Michael Adrian
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
447 Seiten, 25 Euro
Der Kapitalismus ist an fast allem schuld
Die Soziologin Eva Illouz befasst sich in „Warum Liebe endet“ mit dem Scheitern von Beziehungen. Ihre These: Durch die Kommerzialisierung des Intimlebens sei Gelegenheitssexualität die neue Norm.
Wer Antworten auf drängende Beziehungsfragen sucht, wird in einer riesigen Auswahl an Ratgeberliteratur fündig. Unter eingängigen Titeln wie etwa "Das Geheimnis, wie sich ein Mann wieder in Sie verliebt" versprechen diese Bücher, eindeutige Wegweiser zu sein − in einer hypermodernen Zeit, die auch im Privaten unübersichtlich geworden ist.
Dass aber die Soziologie viel mehr dazu zu sagen, zeigt Eva Illouz, die ihre Gefühlserkundungen mit Ansätzen der Kritischen Theorie verbindet. Seit zwei Jahrzehnten erforscht die israelische Soziologin die Rückwirkungen des Konsum-Kapitalismus auf das Liebesleben. Eine verklärende Sicht auf die Gefühlswelt wird man Eva Illouz nicht nachsagen können; auf die Frage ihres letzten Buches, "Warum Liebe weh tut", folgt nun die Erörterung "Warum Liebe endet".
Gefühle bekommen Warencharakter
Nach der Lektüre ihrer ausführlichen Analyse ist man geneigt, eine einfache Antwort daraus abzuleiten: Der Kapitalismus ist an (fast) allem schuld. Er trägt, wie Illouz schon früher zu zeigen versuchte, zur "Kommodifizierung" der Gefühle bei, die also einen Warencharakter annehmen. Er zerstört die romantischen Liebesbeziehungen, die auf Dauer ausgerichtet sind. Er höhlt soziale Bindungen aus und verstärkt vor allem bei Männern die Scheu vor Verbindlichkeit. Der Kapitalismus ist es demnach auch, der aufgrund seines moralischen Gebots der Selbstmaximierung dazu führt, dass Beziehungen oft leichtfertig beendet werden.
Die Kommerzialisierung des Intimlebens, digitale Kommunikation und Dating-Apps machten Beziehungen flüchtig und das Gefühlsleben zutiefst ungewiss. Gelegenheitssexualität sei die neue Norm. Doch warum ist das ein Problem? Ist es nicht befreiend, dass niemand mehr ins Korsett der Ehe geschnürt wird? Hier entfaltet Eva Illouz ihre Analyse weniger eindeutig, als sie es im Schlusskapitel klarzustellen versucht. Denn entgegen ihren Beteuerungen, feste Paare nicht idealisieren zu wollen, scheint die moralische Präferenz gerade dafür klar hervor.
Überdramatisierung des Zusammenlebens
Den Freiheitsgewinn, den das kapitalistische System ermöglicht, sieht die Soziologin nicht; im Gegenteil zielt sie darauf ab, die (sexuelle) Freiheit als pathologisch zu entlarven. In dieser Hinsicht hat sie recht und auch nicht: In dem Streben, durch den Konsum der Schönheitsindustrie und die Anhäufung sexueller Beziehungen seinen Status zu vergrößern, spiegelt sich durchaus eine kapitalistische Steigerungslogik. Und doch negiert dieser zwanghafte Versuch, Freiheit als ihr Gegenteil zu dekonstruieren, den gesellschaftlichen Fortschritt, der zu einer tolerierten Pluralisierung von Lebensstilen geführt hat.
Viel Neues erfährt man in diesem Buch nicht. Eher schon ist man geneigt, darin eine Überdramatisierung ganz "normalen" menschlichen Zusammenlebens zu sehen. Gehört es nicht einfach zum Leben, dass Beziehungen zu Ende gehen? Und selbst wenn Eva Illouz recht hätte, dass der Kapitalismus die Flüchtigkeit von Beziehungen verursache: Wie ist es dann zu erklären, dass das hehre Ideal der patriarchalen Ehe in den 50er-Jahren auch in einem kapitalistischen System entstanden ist?