Eva Menasse: "Lieber aufgeregt als abgeklärt"
Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2015
256 Seiten, 18,99 Euro
Plädoyer für die politische Moral
Eva Menasse streitet in ihrem Buch "Lieber aufgeregt als abgeklärt" für die öffentliche Rolle des Schriftstellers. Dabei setzt die Autorin sich mit dem Verhältnis von Schriftstellern zur Politik auseinander und bekennt sich zum politischen Engagement.
Eva Menasse plädiert für den politisch engagierten Autor. Das fällt mittlerweile natürlich auf. Die 1970 geborene Österreicherin scheint fast nahtlos an einen Typus von Schriftsteller anzuknüpfen, der mit Heinrich Böll und Günter Grass in den 60er- und 70er-Jahren den Höhepunkt seines Einflusses hatte: Ein Bürger, der aktiv an den Entscheidungsprozessen in der Gesellschaft teilnimmt.
2005 hatte sie ein Schlüsselerlebnis. Sie setzte sich im Wahlkampf für eine Fortsetzung der rotgrünen Koalition ein und stellte fest, wie sehr sie damit gegen den herrschenden Zeitgeist verstieß. "Lieber aufgeklärt als abgeklärt": Das zielt auf diesen "Comment des Literaturbetriebs". Es gelte seit einiger Zeit als uncool, sich im grass'schen Sinn zu äußern, politische Moral zu beanspruchen, sich in den öffentlichen Diskurs einzumischen. Der "engagierte Intellektuelle" wirke fast wie eine Witzfigur von gestern. Alle wohlmeinenden Berater, die ein Autor heute konsultieren kann, schlügen da die Hände über den Kopf zusammen.
Der Band vereint sehr unterschiedliche Texte, neben erkennbar tagespolitischen Stellungnahmen stehen Feuilletons, Preisreden, Literaturkritiken und auch zwei Erzählungen. Nach zwei erfolgreichen Romanen und einem Erzählungsband kann die Leser auch solch ein Kaleidoskop interessieren. Programmatisch sind auf jeden Fall die Texte, in denen sich die Autorin mit dem Verhältnis von Schriftstellern zur Politik auseinandersetzt.
Eindeutig und sachbezogen
Ihre Dankesrede zum Heinrich-Böll-Preis würdigt den Nonkonformisten Böll auf eine erfrischende Art, die nichts zu tun hat mit der verbreiteten abwinkenden und zynischen Haltung im Gewerbe. Und es ist durchaus beeindruckend, wie sie das zu fragwürdiger Berühmtheit gelangte Israel-Gedicht von Günter Grass angreift und die zugrundeliegende Haltung analysiert - gleichzeitig aber auch eine Rede zum 85. Geburtstag von Grass hält, in der sie diese Kritik aufrechterhält und sich dennoch zu seiner Art von Engagement bekennt. Ebenso eindeutig und sachbezogen sind Eva Menasses Äußerungen zur Präimplantationsdiagnostik und zur verunglückten Dresdner Rede Sibylle Lewitscharoffs.
Zur Hochform läuft sie auf, wenn sie das Wienerische beschreibt oder dem großen Musikerdichter Georg Kreisler huldigt. Und wie immer bleiben auch einige Fragen offen. Man würde sich wünschen, von Eva Menasse einmal eine detaillierte Auseinandersetzung damit zu lesen, warum eigentlich viele ihrer Generation die Rolle des Schriftstellers anders definieren - mit der Genese dieser "Coolness". Und in der Gegenübersetzung von "Schriftstellern" auf der einen und "Journalisten" auf der anderen Seite neigt Eva Menasse zu Pauschalisierungen. Dass ein Kritiker ein Wort wie "Konsensschrott" benutzt, kann ernstzunehmende Gründe haben. Und ein Kritiker ist nicht immer dasselbe wie ein Journalist.
Ein Wort am Rande: in den oft amüsanten Beobachtungen über die Unterschiede zwischen Österreichern und Deutschen fällt auf, dass Eva Menasse "die Deutschen" mit den preußisch geprägten Norddeutschen und vor allem den Berlinern gleichsetzt. Dass die Süddeutschen in ihrer Gewundenheit mit jenen kurzen Aussage- und Befehlssätzen, mit jenem "Auf den Punkt-Kommen" dieselben Schwierigkeiten haben wie die Österreicher, lässt die Sache noch weitaus komplexer erscheinen.