In Österreich gehören die Romane Heimito von Doderers zum Literaturkanon, in Deutschland kennen dagegen nur wenige den Schriftsteller, dessen 120. Geburtstag und 60. Todestag in diesem Jahr stattfinden. Zu den Fans zählt auch die Schriftstellerin Eva Menasse, die ein Buch über Doderer veröffentlicht hat.

Dieser sei ein "Schrull", ein Kauz und ein in mancher Hinsicht unsympathischer Zeitgenosse gewesen, aber ein Gott der Literatur, meint Menasse. "Er ist einer der Meister des Großromans, des Monumental-Epos, also vergleichbar im Grunde, von dem Ansatz, den er hat mit seiner Literatur, mit Thomas Mann und Proust. Er versucht, Romane zu schreiben, die die Welt als Ganzes erfassen - in ihrer Zeitgebundenheit, aber eben auch in einem Porträt der Gesellschaft, wie er sie erlebt hat." Mit Doderers Romanen könne man heute zurückreisen in die Vergangenheit, in die ausgehenden Jahre der Habsburger Monarchie.

Von Doderers Hauptwerk "Die Strudlhofstiege" rät Menasse Doderer-Neulingen allerdings ab: "Lesen Sie das nicht!" Zum Einstieg empfiehlt sie ihren Lieblings-Doderer-Roman "Die Wasserfälle von Slunj": "Es ist idyllisch, es ist schön, es ist bewegend und es ist wahnsinnig lustig und unterhaltsam." Gerade auf der Humorebene sei Doderer ein noch unterschätzter Autor, betont Menasse. "Man lacht sich schier kaputt, wenn man sich mal auf ihn eingelassen hat."

Auch in Deutschland gebe es inzwischen eine kleine, frenetische Doderer-Gemeinde, "angeführt auch von einigen Schriftstellern, zum Beispiel von Martin Mosebach, der ein eminenter Kenner von Doderers Werk ist."