Eva Schmidt: "Ein langes Jahr"
Roman, Verlag Jung und Jung, Salzburg 2016.
212 Seiten, 20 Euro
Durch Hundeschicksale Menschen kennenlernen
Eva Schmidts Roman "Ein langes Jahr" ist der Überraschungstitel auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. In ihm fügen sich Miniaturen zu einem Logbuch des trostlosen Nebeneinanders.
Ein kleiner Junge wünscht sich einen Hund, kriegt aber keinen. Ein Hund stirbt und seine Asche wird im Garten vergraben. Ein alter Mann kann sich um seinen Hund nicht mehr kümmern, seit er im Altersheim mit der pflegebedürftigen Ehefrau leben muss.
Eine kranke Frau sorgt sich, was aus dem treuen Hund nach ihrem Tod wird und wendet sich deswegen an eine Freundin. "Durch Hunde lernt man Menschen kennen, ob man will oder nicht."
Die Hundeschicksale verknüpfen in "Ein langes Jahr" die Geschichten und die handelnden Personen miteinander. In einer knappen, kunstlosen Sprache erzählt die österreichische Autorin - in ihrem ersten Buch nach 20 Jahren als Hausfrau und Mutter – von den Bewohnern eines tristen Hochhauses und denen, die nahebei in Einfamilienhäusern und Villen leben.
Im Zentrum stehen aber "Amores Perros" (wie der großartige Debütfilm des mexikanischen Regisseurs Inarritu heißt), die geliebten Hunde.
Ortlosigkeit und Glücklosigkeit
Wenn man den Ort kennt, erkennt man wohl Bregenz, die Heimatstadt von Eva Schmidt wieder, aber über dem trostlosen Siedlungsalltag, von dem hier die Rede ist, liegt eine grundsätzliche Ortlosigkeit. Und eine Glücklosigkeit.
Die Protagonisten in diesem Reigen der traurigen Begegnungen und stillen Verzweiflung erleben keine frohen Momente. Die Frau trägt ein zu kurzes Kleid und zu hohe Schuhe zum vielversprechenden Rendezvous im feinen Restaurant. Sie sieht billig aus und weiß das.
Eine ältere Frau erinnert sich an ihr totgeborenes Kind und daran, dass kein einziger Tag vergangen ist, an dem sie nicht an diese Tochter gedacht hat. Die Freundschaft zwischen zwei Jungen scheitert, ein junger Mann bricht mit großen Plänen und Hoffnungen in die Welt auf und kehrt desillusioniert in seinen Heimatort zurück, seine Mutter tröstet sich mit der Arbeit im Garten.
Die Autorin arrangiert geschickt ein Mosaik aus Geschichten und Alltagsbildern, Beziehungen und Blicken. Eine Frau beobachtet ihre Nachbarn, bis sie merkt, dass sie selber beobachtet wird.
Der kleine Junge hilft dem alten Mann, der seinen Hund viel lieber mag als seine Frau. Seine Mutter träumt von einem besseren Leben, das sich nie erfüllen wird. Die Suche nach dem guten Job wird ebenso wenig erfolgreich sein wie die nach dem richtigen Mann.
Atmosphärisch dichte Bilder
Froh ist hier keiner und auch die Lektüre dieser kleinen Alltagsgeschichten, die sich zum Panorama menschlicher Existenzen erweitern, stimmt nicht gerade heiter. Das Leben ist, wie es ist, Ausschmückungen helfen weder der Erzählerin noch ihren Figuren.
Eva Schmidt entwirft atmosphärisch dichte Bilder. Wenn sich aus diesen Bildern allerdings Gespräche, Dialoge entwickeln, gerät sie an ihre literarischen Grenzen.
Dass der Verlag diesen Miniaturenreigen einen Roman nennt, hat sich zwar als richtige Vermarktungsstrategie erwiesen - "Ein langes Jahr" steht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis - ist aber trotzdem und grundsätzlich albern. Diese literarische Kurzform braucht kein falsches Etikett.