Geistliche Grenzgänger
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Die Grenze zwischen Ost und West trennte auch die evangelische Kirche: 30 Jahre nach dem Mauerfall blicken eine Pfarrerin und zwei Pfarrer zurück, wie unterschiedlich der Glaube jeweils gelebt wurde – und was sich mit der Einheit veränderte.
Reinhard Kees, 1957 geboren in Brandenburg, trat seine erste Pfarrstelle 1990 im Ostteil Berlins an:
"Das war eine echte Aufbruchstimmung damals, 1990. Man hatte ja prophezeit, dass jetzt ganz viele Leute wieder in die Kirche kommen, aber das passierte nicht. Ich hatte dann Anfang der 90er-Jahre einen evangelischen Erwachsenenunterricht angeboten. Da waren etliche Leute, die gesagt haben: Wir sind nicht gläubig, aber wir wollen mal wissen, was ihr macht! Das war spannend."
Klaus Wollenweber, geboren 1939 in Nordrhein-Westfalen, übernahm seine erste Pfarrstelle 1967 in Bonn. Von 1995 bis 2004 war er Bischof der Landeskirche Schlesische Oberlausitz mit Sitz im sächsischen Görlitz:
"Die Kreuzkirche in Bonn ist die größte Kirche in Bonn und da sind sehr viele anonym zum Gottesdienst gekommen und freuten sich auch, dass sie in dieser großen Kirche nicht gleich erkannt und gesehen wurden. In Görlitz habe ich das völlig anders erlebt. Eine Gemeinde, die froh ist, dass ein Prediger da ist, der mit ihnen redet, der sie kennt, der die Vertrautheit mit trägt. Für mich ganz positiv."
Bettina Naumann, geboren 1964 in Sachsen, ging nach der Maueröffnung für einen Studienaufenthalt in die Schweiz und trat ihre erste Pfarrstelle 1995 in Chemnitz an:
"Wir haben im Moment einen extremen Abbruch von Religion in Deutschland. Da bin ich so sehr Ostdeutsche, dass ich glaube, dass sich die Religion nicht in andere Bereiche verlagert. Ich glaube, dass sie verlorengeht. Das ist jedenfalls eine Erfahrung, die wir in Ostdeutschland gemacht haben."