Evangelischer Theologe

Nicht vorgezeichnete Wege gehen

Der Theologe Friedrich Schorlemmer, aufgenommen am 19. Oktober in Magdeburg.
Der Theologe Friedrich Schorlemmer © picture alliance / ZB / Jens Wolf
Von Joachim Hildebrandt |
In seiner Autobiografie erzählt Friedrich Schorlemmer von seinem politischen Leben, seinen Visionen und von der Freiheit in einer unfreien Situation. Auch seine Beziehung zu Gott kommt nicht zu kurz.
Friedrich Schorlemmer hat den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert. Trotzdem durfte er Theologie studieren. Auf den politischen Kurs der Staatsführung suchte er immer eine theologische Antwort - was ihm half, auch in der Unfreiheit der DDR einen aufrechten Gang beizubehalten:
"Ich bin der Meinung, dass man sich die Freiheit nicht von den Herren nehmen oder geben lassen kann, sondern die muss man sich immer erkämpfen. Das habe ich sehr früh verstanden. Das hängt zusammen mit der Lektüre eines großen Theologen und Widerstandskämpfers, nämlich Dietrich Bonhoeffer. Bei ihm habe ich gelernt, was Zivilcourage heißt."
In seinem Buch erwähnt Schorlemmer Bonhoeffers Schrift "Widerstand und Ergebung" über die Erweckung der Kirche, die Lösung von Erstarrung und strengen Dogmen. Bonhoeffer macht in dieser Schrift klar, dass das Leben eines Christen zwischen Widerstand und Ergebung angesiedelt ist. Zwischen dem Akzeptieren dessen, was wir vorfinden und diesem aber auch zu widerstehen.
"Um es noch einmal zugespitzt zu sagen: Wer will, dass die Welt bleibt, muss alles tun, dass die Welt nicht so bleibt, wie sie ist."
Tröstendes Lied
Von den evangelischen Kirchenliedern liegt Friedrich Schorlemmer das Lied "Befiehl du deine Wege" besonders am Herzen.
Dieses Lied, sagt Schorlemmer, tröstet den Menschen, der unsicher wird und sich verloren fühlt. Deshalb ist ihm das Lied so wichtig geworden.
Die DDR war ein graues Land. Wenn man sich auffällig verhielt, konnte man große Schwierigkeiten bekommen. Schorlemmer ging das Risiko ein, indem er sich engagiert hat in Arbeitsgruppen innerhalb der Kirche zu Themen wie "Frieden", "Menschenrechte" und "Umweltschutz". Alle diese Gruppen wurden regelmäßig von der Staatssicherheit infiltriert.
"Ich wusste, wer der Spitzel in unserem Dorf ist"
Schorlemmer: "Die Staatssicherheit war Schild und Schwert der Partei, um Menschen zu beobachten, auch zu zersetzen und das berufliche und menschliche Umfeld kaputtzumachen. Ich wusste, wer der Spitzel in unserem Dorf ist und wie gefährlich der war für die Bauern, die verjagt wurden. Aber es ist wie mit der Angst vor Hunden. Wenn man dem Hund zeigt, dass man Angst hat, beißt er. Man muss zuerst seine Angst besiegen, auch vor dem SSD, dem Staatssicherheitsdienst."
Ein wichtiges Symbol, das Schorlemmer geschaffen hat, entstand mit der Aktion "Schwerter zu Pflugscharen". Am 24. September 1983 ließ er von dem Schmied Stefan Lau ein Schwert zu einer Pflugschar umschmieden und nannte diese Aktion: "Frieden schaffen ohne Waffen". Frieden gibt es seiner Meinung nach nur dauerhaft als Frieden mit dem Gegner.
In seinem Buch berichtet Schorlemmer ausführlich über Anfeindungen, denen er ausgesetzt gewesen ist. Und das in einem Maße, dass man sich bei der Lektüre unwillkürlich fragt, wie er das alles aushalten konnte:
"Ich glaube, ich konnte auch üble Anfeindungen, übrigens auch nach 1989, bestehen, weil ich mich erinnert hatte, was ich alles schon bestanden hatte. Wenn man dankbar ist für das, was man schon geschafft hat, dann hat man auch Kraft für das, was noch zu schaffen ist. Das Zweite ist, ich hatte eigentlich immer Menschen, denen ich mich anvertrauen konnte und ich lese jeden Tag mindestens ein Gedicht."
Das Poetische in den biblischen Texten
Für seinen Glauben ist es Schorlemmer außerordentlich wichtig, auch das Poetische in den biblischen Texten aufzugreifen:
"Ich lernte begreifen, dass Theo-Logie der Theo-Poesie bedarf, wenn sie den Glauben in Bildern, in Geschichten, Gedichten, Gleichnissen, Gebeten in der Sprache und in den Lebenserfahrungen unserer Zeit zum Ausdruck bringen will."
"Theologie neigt auch dazu, Punkte herauszugreifen, Dogmen, dogmatisch zu werden. Und Theo-Poesie ist der Versuch des Menschen, über die Bildhaftigkeit dem Geheimnis des Lebens näher zu kommen."
Das Buch von Friedrich Schorlemmer "Klar sehen und doch hoffen" handelt von seinem politischen Leben, seinen Visionen, von Freiheit in einer unfreien Situation, vom Sinn des Lebens und seiner Beziehung zu Gott. Es gibt lesenswerte und spannende Geschichten über Begegnungen mit Künstlern, Politikern und Personen der Zeitgeschichte.
Zugleich macht Schorlemmer deutlich, dass die Mauern in unseren Köpfen noch nicht beseitigt sind und für Friedensinitiativen in der Welt noch viel getan muss.

Friedrich Schorlemmer: "Klar sehen und doch hoffen. Mein politisches Leben."
Aufbau Taschenbuch, 2014
528 Seiten mit 40 Abbildungen, 9,90 Euro

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