Evke Rulffes: "Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung"
HarperCollins, Hamburg 2021
288 Seiten, 22 Euro
Evke Rulffes: "Die Erfindung der Hausfrau"
"Der bürgerliche Lebensstandard ließ sich nur durch die Ausbeutung der Ehefrau halten.", erklärt Evke Rulffes © HarperCollins
Eine schleichende Entmündigung
11:30 Minuten
Das Konzept der Hausfrau ist fest in unserer Gesellschaft verankert. Dabei ist es eigentlich eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts. Evke Rulffes hat sich mit der Geschichte befasst und weiß, was sich ändern muss.
Die Ehefrau, die allein mit den Kindern zu Hause bleibt und den Haushalt schmeißt, ist für viele immer noch der Alltag. Erst in den letzten Dekaden ändert sich diese Realität langsam. Doch wie kam es überhaupt dazu? Damit hat sich die Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes in ihrem Buch "Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung" befasst.
Darin erklärt sie, dass die bürgerliche Hausfrau eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts ist. Zwar seien auch die Strukturen im Mittelalter sehr patriarchal gewesen, doch Frauen waren in allen Berufen und Zünften vorhanden. Über Jahrhunderte seien sie dann in schlecht bezahlte Zuarbeit-Positionen verdrängt worden. Komplett auf das Einkommen der Frauen zu verzichten, war indes damals für die meisten Familien undenkbar, so Rulffes.
Bis ins 18. Jahrhundert sei das Rollenmodell gewesen, dass Frau und Mann gemeinsam dem Haushalt vorstanden und als Arbeitspaar gesehen wurden. In dem damals sehr erfolgreichen Ratgeber "Die Hausmutter" sei ebenjene explizit als Chefin angesprochen worden, die den bürgerlichen Mittelstand repräsentiert und den Abstand nach unten wahrt. Der Umbruch begann dann hundert Jahre später, erklärt Rulffes:
"Die bürgerliche Mittelschicht wächst stark an in diesem Umbruch von der Standesgesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft. Der Mittelstand kann sich kein Personal mehr in dem vorigen Maße leisten, muss aber weiterhin repräsentieren. Das bedeutet, dass die Ehefrau unentgeltlich – vorher wurde sie bezahlt – immer mehr diese Dienstleistungen übernehmen muss. Der Lebensstandard lässt sich nur durch die Ausbeutung der Ehefrau halten."
Der hinterhältige Fortschritt
Im frühen 20. Jahrhundert sei dann die sogenannte Hausfrauenehe im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben worden, die Frau wurde verpflichtet, ohne Gegenleistung den Haushalt zu führen. Dazu kam ein Verlust der Schlüsselgewalt, was dazu geführt habe, dass Frauen keine Verträge mehr unterzeichnen, keine Bankkonten eröffnen und keine Führerscheine machen durften. Eine Regelung, die die DDR direkt bei der Gründung rückgängig gemacht habe, aber in der Bundesrepublik noch bis 1977 bestand.
In ihrem Bruch beschreibt Rulffes zudem den sogenannten hinterhältigen Fortschritt, die Einführung von vermeintlichen Hilfen wie Waschmaschinen:
"Das hat die Arbeit natürlich wahnsinnig erleichtert. Das Problem ist: In dem Moment, wo es durch eine Person machbar ist, wird es auch von dieser einen Person gefordert. Das hat die soziale Vereinsamung der Hausfrau zur Folge. Im Gegensatz zu früher, wo man in sehr viel offeneren, größeren Strukturen zusammengelebt hat, gibt es in 50er- und 60er-Jahren diese starke Vereinsamung."
Gängige Arbeitsstrukturen sind das Problem
Rulffes erkennt auch, dass sich in den vergangenen zehn bis 20 Jahren viel getan habe; man sehe auch mehr Väter auf der Straße. Doch sie habe das Gefühl, dass dieser Schein trügt. Viele Paare, die sich eigentlich gleichberechtigt die Hausarbeit teilten, kämen an ihre Grenzen, sobald Kinder ins Spiel kommen. Der Haushalt explodiere und bliebe oft an der Person hängen, die nach der Geburt zu Hause bleibt. Das sei eben meistens die Frau. So würden sich Strukturen einschleichen, die schwer wieder rückgängig zu machen seien.
Schon in den 70ern hätten Frauenbewegungen gefordert, Hausarbeit solle bezahlt werden. Ein Konzept, dem Rulffes ambivalent gegenübersteht, da sie die Sorge hat, dass es so zu einer Art Herdprämie kommen könnte, die sie vermeiden möchte. Viel mehr müssten sich allgemeine Arbeitsstrukturen ändern:
"Es gibt diese Wiener Scheidungsanwältin Helene Klaar, die sagt die meisten Scheidungen, die sie macht, stehen im Zusammenhang mit dem zweiten Kind und der 40-Stunden-Woche. Diese Strukturen müssten sich ändern. Im Grunde wäre ich dafür, dass alle in Teilzeit gehen und Hausarbeit einfach anerkannt wird."