Rettungspaket für Griechenland annehmen!
Am Mittwoch wird der Bundestag über das dritte Hilfspaket für Griechenland abstimmen: Es geht um bis zu 86 Milliarden Euro. In der Union könnte es erneut viele Nein-Sager geben. Zugleich kommen aber auch versöhnliche Töne aus der CSU.
Der CSU-Politiker und EVP-Vorsitzende im Europaparlament, Manfred Weber, hat sich deutlich für eine Annahme des dritten Hilfspakets für Griechenland durch den deutschen Bundestag ausgesprochen. Im Deutschlandradio Kultur sagte er, das Paket habe die Annahme verdient. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras habe in den letzten drei Wochen eine "180-Grad-Wende" hingelegt. In Brüssel habe sich die Stimmung deswegen gedreht, sagte Weber - "weil wir gesehen haben, dass jetzt der Wille da ist, Schritte zu gehen".
Zur Flüchtlingsfrage sagte Weber, hier stehe er vollkommen hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Der Grundsatz für Europa muss klar sein: Wir sind der Kontinent der Offenheit", sagte er. Es müsse aber in Europa zu einer gemeinsamen Asylpolitik und einer "gerechten Verteilung der Lasten" kommen. Nur dann werde es gelingen, bei den Bürgern dauerhaft Verständnis für die Aufnahme von Flüchtlingen zu erzeugen.
Das Gespräch im Wortlaut:
Nana Brink: Europa hält ja Griechenland weiter über Wasser, bislang hat das zumindest einen Bankrott, eine Tragödie verhindert. Und nun warten ja alle auf das griechische Sommermärchen, so könnte man etwas salopp die kommende Woche zusammenfassen.
Dafür kann man dann auch schon mal aus der Sommerpause zurückkommen. Am Mittwoch, also in zwei Tagen, muss der Bundestag dem dritten Hilfspaket in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro zustimmen.
Letzten Freitag haben das auch schon die Finanzminister abgenickt, die Euro-Finanzminister, und auch das griechische Parlament hat den darin geforderten Reformvorschlägen zugestimmt. Der Prolog für das Sommermärchen ist also geschrieben. Der niederbayerische CSU-Politiker Manfred Weber ist Vorsitzender der Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei, das ist die stärkste im Europaparlament. Guten Morgen, Herr Weber!
Manfred Weber: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: In dieser Woche stimmt der Bundestag ja über das dritte Paket ab. Sehen wir jetzt, um mal im Sprachbild zu bleiben, ein Sommermärchen mit der Überschrift "Griechenland ist gerettet"?
Weber: Schön wär's, aber Märchen sind leider Gottes selten mit der Realität gleichzusetzen, und deswegen geht es jetzt um Sachentscheidungen, welches der bessere Weg für Europa, für die Eurozone und für Griechenland ist. Und ich glaube, dass das jetzige Paket Zustimmung verdient hat.
Brink: Die Zustimmung des Bundestags, Sie haben es ja selber schon vermutet, gilt als sicher, aber besonders in der Unionsfraktion gibt es erheblichen Unmut. Man rechnet wieder mit vielen Abweichlern – 60 waren es bei der ersten. Wie wird diese Diskussion in Brüssel wahrgenommen?
Debatten über die Griechenlandhilfen zeugen von lebendiger Demokratie
Weber: Ja, zunächst mal ist es ein Zeichen von lebendiger Demokratie. Es wird ja Europa oft der Vorwurf gemacht, die Entscheidungen würden zu weit weg von den Menschen fallen. Wenn man jetzt erlebt, wie europaweit Parlamente abstimmen und sich Meinungen bilden, welcher der richtige Weg für unsere gemeinsame Währung ist, dann ist das zunächst einmal ein tolles Zeichen von lebendiger Demokratie.
Das ist gut so, und das Zweite ist jetzt die Diskussion in der Union, die auch richtig ist, dass wir ringen darum, was der beste Weg ist, ist in Ordnung. Jetzt liegt allerdings auch ein Paket am Tisch, das es eben abzustimmen gilt. Und ich denke wirklich, dass es gut wäre, wenn wir große Mehrheiten haben, die Angela Merkel auch Rückendeckung geben.
Brink: Ja, aber machen wir uns doch nichts vor. Es wird doch ganz genau hingeguckt, wie Deutschland, das ja sozusagen ein Beförderer dieses Paketes ist, immer ganz vorne mit dabei ist, wie da diskutiert wird.
Weber: Natürlich. Und es darf auch in Brüssel und soll auch in Brüssel wahrgenommen werden, was es für Probleme gibt. Übrigens ist das ja keine deutsche Diskussion. Wir haben das in Finnland, wir haben das in Lettland, wir haben das in der Slowakei, einem sehr armen Land in der Europäischen Union, die jetzt für die Griechen weiter haften sollen. Das heißt, das ist ja keine deutsche Debatte, sondern das ist eine europaweite Debatte, wie wir mit Griechenland umgehen und wie wir mit der Grundsatzfrage umgehen, nämlich: Hat dieses Land und hat vor allem die Regierung Vertrauen verdient?
Um die Frage geht es ja. Und da muss man schon sehen, dass die zunächst mal viel Vertrauen zerstört haben über die letzten Monate, über die letzten sechs Monate Tsipras-Regierung, aber jetzt auch, die letzten drei Wochen, Tsipras eine 180-Grad-Wende hingelegt hat. Er steht vor der Spaltung seiner eigenen Partei. Manchmal wird man ehrlich gesagt aus ihm als Führungskraft nicht ganz schlau, warum er sich so verhält, wie er sich verhält. Aber Fakt ist, dass wir jetzt so große Mehrheiten im griechischen Parlament für Reformen haben wie noch nie vorher.
Brink: Das wundert mich aber, dass Sie jetzt ihm doch das Vertrauen aussprechen. Anfang Juli haben Sie ja im Europaparlament gesprochen und ihm vorgeworfen, dass man ihm eigentlich nicht vertrauen kann. Was hat sich denn jetzt geändert?
Das Handeln von Regierungschef Tsipras ist beachtlich
Weber: Die letzten drei Wochen. Das ist eben das, wo man aus der Person nicht ganz schlau wird, was ich ganz ehrlich sagen muss. Allerdings, wenn er jetzt in seiner eigenen Partei vor der Spaltung steht, vor Neuwahlen steht, wirklich die Linken isolieren will, die Extremisten in seiner Partei isolieren will, dann ist das beachtlich.
Und wir gehen ja Schritt für Schritt vor. Das Paket sieht ja vor, dass Mittel nur freigegeben werden, wenn vorher Maßnahmen beschlossen und auch implementiert werden. Und die Vorleistungen, die das griechische Parlament jetzt schon beschlossen hat, mit Rentenreform, mit Mehrwertsteuerreform, sind beachtlich. Das muss man sehen, auch wenn man harter Kritiker von Tsipras ist, der ich bin, muss man diese konkreten ...
Brink: Ja, sind Sie es immer noch?
Weber: Natürlich. Er ist Kommunist, er ist politisch ...
Brink: Ist das ein Charakterfehler?
Weber: Das ist zunächst mal ein politischer Mitbewerber und Gegner. Ich bin bürgerlicher, ich bin christsozialer Politiker, und da darf man die Unterschiede auch herausarbeiten. Allerdings muss ich auch anerkennen, wenn Menschen dann ihre Fehler erkennen, einen richtigen Weg gehen.
Übrigens hat das europaweit auch dazu geführt, dass jetzt die Linkspopulisten, die ja europaweit auf dem Vormarsch waren, massiv im Rückschritt sind. In Spanien ist Podemos beispielsweise, die linke Kopie sozusagen von Syriza, mittlerweile um acht Prozent in den Umfragewerten zurückgefallen, weil die Menschen sehen, dass selbst Syriza die Welt sich nicht zurechtbiegen kann.
Sondern die Welt ist so: Wenn man kein Geld hat, kann man es nicht ausgeben, und wir brauchen Wirtschaftswachstum in allen Regionen Europas. Und der Süden macht das ja vor, weil wir in Spanien derzeit eine Wachstumslokomotive haben, wir haben über ein Prozent Wirtschaftswachstum in Spanien, weil dort die richtige Politik gemacht worden ist.
Brink: Dann verstehe ich Sie also richtig, hat sich auch die Stimmung in Brüssel gegenüber Griechenland gedreht?
Neue Sympathien für die Griechen in Brüssel
Weber: Die Stimmung hat sich gedreht, weil wir gesehen haben, dass jetzt der Wille da ist, Schritte zu gehen. Allerdings, aufgrund der Erfahrungen der letzten Wochen und Monate auch mit einer ganz gehörigen Portion Skepsis nach wie vor ausgestattet. Deswegen ist das Programm erstmals mit Methoden der Überwachung ausgestattet, die wir früher nicht hatten. Griechenland wird eher stärker an die Kandare genommen, als das früher der Fall war. Und das ist auch richtig so, wir brauchen jetzt wieder eine Phase, wo Vertrauen aufgebaut wird.
Brink: Wenn sich jetzt alle vertrauen, gibt es ja vielleicht doch ein Sommermärchen, also zumindest ein Sommermärchen, was Griechenland, die Rettung Griechenlands angeht. Nun hat Bundeskanzlerin Merkel gestern in ihrem Sommerinterview aber ein ganz anderes Thema noch aufgeworfen, nämlich das Flüchtlingsthema, und hat gesagt, das ist eigentlich noch viel wichtiger als Griechenland. Das ist das Thema, an dem sich Europa beweisen wird, ob wir eine gemeinsame Asylpolitik finden. Hat sie Recht?
Weber: Das teile ich voll. Wir haben im Europäischen Parlament und auch bei den Gesprächen auf nationaler Ebene in Europa spürt man, welcher Druck und welche politische Dimension das Thema Flüchtlinge in allen Staaten der Europäischen Union hat.
Wir haben die Zahlen, dass bis zu 60 Millionen Menschen auf der Welt als Flüchtlinge eingruppiert sind und eine neue Heimat suchen. Der Grundsatz für Europa muss klar sein: Wir sind der Kontinent der Offenheit. Wir sind nach wie vor ein sehr reicher Kontinent, deswegen müssen wir Menschen, die verfolgt sind, auch Unterschlupf anbieten.
Und eine der großen Fragen, die auf dem Tisch liegt, ist die Frage der Solidarität. Wir müssen in Europa zu einer gerechten Verteilung der Lasten kommen. Nur dann wird es gelingen, auch Verständnis bei den Bürgern dauerhaft für die Aufnahme von Flüchtlingen auch zu bekommen.
Brink: Aber sind wir nicht weit davon entfernt, weiter denn je?
In der Flüchtlingsfrage steht Europa vor einer gewaltigen Aufgabe
Weber: Wir stehen wieder vor einer großen Frage. Die Bereitstellung von Milliarden für die Rettung von Mitgliedsstaaten in der Eurozone war ja auch kein einfacher Weg. Wir sind ihn trotzdem gegangen, und er ist in Summe erfolgreich. Vier von fünf Staaten sind raus aus der Krise. Und jetzt stehen wir vor der Flüchtlingsfrage.
Das ist eine gewaltige Aufgabe, da jetzt neue Strukturen in Europa aufzubauen, eine gemeinsame Asylpolitik wirklich zu entwickeln mit gemeinsamen Standards. Das ist eine gewaltige Aufgabe, aber Europa ist bisher gewachsen an seinen Aufgaben. Und ich bin überzeugt, dass es uns gelingt, auch hier Schritte in die richtige Richtung zu gehen. Entscheidend ist, dass wir das Problem erkennen und dass wir dann mutig vorangehen.
Brink: Der Vorsitzende der EVP im Europaparlament, Manfred Weber. Danke für das Gespräch, Herr Weber!
Weber: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.