"Ewige Schönheit"

Von Stefan Keim |
Verherrlichung von Blut und Boden, Körperkult, die Inszenierung der Massen bei Reichsparteitagen – dass die Nationalsozialisten eine ausgefeilte Propagandamaschinerie hatten, ist bekannt. Wie sich Bildsprache und Botschaften von den zwanziger Jahren bis zum Kriegsende entwickelten, ist systematisch und zusammen hängend allerdings noch nicht untersucht worden. Jetzt startet ein Film in den Programmkinos, der genau dies leisten will.
Schaffende Hände in Großaufnahme sind ein immer wieder kehrendes Bild in Propagandafilmen der Nazizeit. Schwitzende Männerkörper hacken, schaufeln und pflanzen für Deutschland. Den Satz "Unter Hitler gab es keine Arbeitslosen" hört man bis heute. Stimmt auch, aber nur oberflächlich betrachtet. Die nationalsozialistische Regierung finanzierte teure, wirtschaftlich sinnlose Beschäftigungsprogramme. Und Filme verklärten das arbeitende Volk zum Mythos.

Der Regisseur Marcel Schwierin hat für seinen Kinoessay "Ewige Schönheit" die Archive durchforstet und legt eine umfassende Analyse nationalsozialistischer Ästhetik vor. Die Wurzeln findet er in den zwanziger Jahren, die nicht für alle Deutschen golden waren. Schwierin zeigt einen Mann, der sich ruhelos in seinem Bett hin und her wälzt. In seinem Kopf wütet das Chaos, eine videoclipartige Collage von Sätzen und Gesichtern.

"Wo sind die Errungenschaften der Revolution? – Ruhe und Ordnung! – Nur die Arbeit kann uns retten! – Sozialisierung, Generalstreik! – Wir Frauen fordern… - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! – Freie Bahn dem Tüchtigen!"

Viele Menschen sehnten sich während der Weimarer Republik nach klaren Werten und Ordnung. Von der Moderne fühlten sie sich überfordert. Die nationalsozialistische Bilderwelt entstand als Gegenentwurf zu dieser Unübersichtlichkeit. Obwohl Fritz Langs zweiteiliges Epos "Die Nibelungen" kein Propagandafilm war, gab dieser Film dem Publikum eine klare emotionale Orientierung. Gut und Böse sind genau getrennt, der Held ist edel und makellos.

"Der erste Nibelungenfilm zeigt die heroische Welt der Burgunder. Alles an ihnen ist ästhetisiert und inszeniert. Menschen werden zu Ornamenten der Architektur. "Strahlende Waffen deutschen Glaubens, flammendes Fanal eines neuen Tages", schrieb die Presse.""
In den "Nibelungen" findet Marcel Schwierin das Grundmotiv der "ewigen Schönheit". Und gleichzeitig die Opferbereitschaft und Todessehnsucht. Siegfried stirbt, die treuen Nibelungen gehen unter.

In 12 Kapiteln beschreibt Schwierin, wie sich die Nationalsozialisten in Bildern darstellten. Dabei greift der Regisseur ausschließlich auf historisches Filmmaterial zurück, Interviews mit Zeitzeugen fehlen ganz. Reflexion und Information liefert ausschließlich der von Axel Wostry gelesene Autorentext.

"Das dritte Reich sollte die schönste aller Welten sein, eine hoch technisierte Gesellschaft des 20. Jahrhunderts in eine Art Gesamtkunstwerk verwandelt werden."

Es ist im heutigen Dokumentarfilm ungewöhnlich, dass der Kommentar so viel Raum einnimmt. Die meisten Regisseure vermeiden Sprechertexte ganz, weil sie durch die Bilder wirken wollen. Das würde hier nicht funktionieren, denn die Filmausschnitte brauchen eine distanzierte Einordnung. Dadurch wirkt "Ewige Schönheit" oft belehrend, aber niemals wie steifes Schulfernsehen.

Auch sonst ist der Stil des Films konservativ, Schwarzblenden trennen die einzelnen Kapitel voneinander. Doch diese kurzen Ruhepunkte sind nötig angesichts der Bilderflut, die über den Zuschauer herein bricht. Marcel Wienert zeigt neben bekannten Ausschnitten aus den Dokumentationen Leni Riefenstahls oder den Melodramen Veit Harlans viele Szenen, die man noch nicht gesehen hat, Material aus Wochenschauen oder vergessenen Propagandafilmen.

"Haben Sie einmal gehört, wie Eisen brüllt, wenn es Stahl werden soll? Ich habe es heute gehört. Eine Hölle brüllt aus dem Eisen, wenn es geläutert wird."

Zu vielen Aspekten, die Wienert nur anreißt, gibt es ausführlichere Untersuchungen. Die fortschrittliche Ästhetik Riefenstahls, das handwerkliche Geschick Harlans, die Andeutungen faschistoider Hassbilder in den expressionistischen Horrorfilmen – all das wurde woanders genauer behandelt. In "Ewige Schönheit" geht es darum, diese Punkte zusammen zu denken, Verbindungslinien heraus zu arbeiten. In der Art wie Krieg inszeniert wird, entdeckt Marcel Wienert die jeweilige deutsche Seelenlage. Erst erscheint das Schlachten und Bomben als Abenteuer, als Aufbauprogramm für den verletzten Nationalstolz nach dem verlorenen ersten Weltkrieg.

Die Niederlage in Stalingrad tauchte zwar nie auf der Leinwand auf, aber danach änderte sich der Ton. Nun ging es um Opferbereitschaft, wie im Durchhaltefilm "Kolberg" mit Kristina Söderbaum, die in fast jedem Film den Heldinnentod starb und deshalb "Reichswasserleiche" genannt wurde.

"Man ist ihm immer nah, dem Tod. Und es ist auch ganz gut, wenn man ihm ab und zu ein bisschen zulächelt und sagt, du bist mein Tod, du kommst, wenn ich nicht mehr weiter kann…"

Gelegentlich wirken peinliche Propagandabemühungen auch komisch – und so war es auch während des Dritten Reiches. Längst nicht alle pathetischen Heldengeschichten kamen an. Man brauchte Könner wie Leni Riefenstahl, die unter Einsatz modernster und aufwändigster Technik einen Mythos schufen. Einen Mythos, dessen Faszination immer noch fortwirkt.

"Diese Selbstinszenierung in "Triumph des Willens" gehört zu den am häufigsten zitierten Fotografien des Nationalsozialismus. So bestimmt er bis heute sein eigenes Bild."

Service:
"Ewige Schönheit" startet am 14. April im Verleih von Neue Visionen.
Der Regisseur Marcel Schwierin stellt am 16. April in Dresden (17.30 Uhr Kino im Dach), 17. April in Leipzig (17.30 Uhr Schaubühne) und 18. April in Halle (20.15 Lux-Kino am Zoo) seinen Film vor.
Szenenbild aus "Ewige Schönheit"
Szenenbild aus "Ewige Schönheit"© Neue Visionen