Statt Football spielte er Brahms
Michael Grubbs ließ sich vom Piano-Pop inspirieren und wurde in den USA durch eine Rolle in der Serie "One Tree Hill" bekannt. Seitdem hat Grubbs mit seinem Projekt Wakey Wakey ein paar schöne Alben veröffentlicht - jetzt erschien sein neues: "Overreactivist".
Das nennt man wohl ein klassisch geprägtes Elternhaus: Die Mutter Klavierlehrerin und Chorleiterin, der Vater Sänger, die Schwester Geigerin – bei Familie Grubbs zuhause in Richmond, Virginia stand das Notenlesen noch vor dem Bücherlesen. Und vor dem Frühstück wurde jeden Morgen erst mal vierstimmig gesungen – und:
"Wenn wir im Auto unterwegs waren, haben wir die anderen Nummernschilder gesungen ... ja, Musik hat bei uns eine große Rolle gespielt."
Michael Grubbs, immer ein Lächeln auf den Lippen, ein Strahlen in den Augen, großer rotblonder Typ, moderne Frisur, angesagter Bart. Als Baby spielt er immer im Musikzimmer, lernt mit fünf selbst Klavier, dann auch Waldhorn, später Gitarre. Aufgewachsen mehr mit Instrumenten, als mit Bällen. Statt Football spielte er Brahms, Bach und Beethoven.
"Mit dieser Musik fühlte ich mich wohl – manche Kinder spielen football, andere eben Klavier. In Football war ich nicht gut, aber am Klavier war ich sicher. Auch bei Chopin, Liszt und Rachmaninoff – je älter und verrückter ich werde, umso romantischer ..."
Nach der Klassik saugt er die Musik von Billy Joel und Elton John auf. Pianogetriebene Pop-Sounds, die man in seinem Bandprojekt Wakey Wakey immer wieder durchhören kann. Ende der 90er-Jahre zieht Michael Grubbs nach New York, tingelt als Solo-Pianist durch Bars und Clubs. Schreibt politische Lieder, die als Love-Songs verkleidet sind. Wird halbwegs berühmt durch eine Rolle in der TV-Serie "One Tree Hill".
Wohnzimmer-Internet-Konzerte
Album und Tour werden gefeiert, er kann ein zweites Album über Crowdfunding finanzieren, spielt Wohnzimmer-Internet-Konzerte. Und auch wenn das nicht mehr seine Musik ist - Michael Grubbs gehört zu den Mitgründern der sogenannten Anti-Folk-Szene in New York, die zwar auch Folk, den aber irgendwie anders machen will.
"Anti-Folk gibt's noch – und meine musikalischen Wurzeln darin kann man noch hören. Aber ich hab mich leider von dieser Szene in New York losgelöst ..."
Welche Vorteile eine kleine, oder eben eine große Stadt wie New York haben kann, darum geht's in diesem Song von seinem neuen Album "Overreactivist". Den politischen Songwriter versteckt Michael Grubbs diesmal mehr im Kleinen, im Alltäglichen. Ein Neil Young, der solche Dinge einfach in politischen Parolen ausdrücken kann, ist er nicht, sagt er selbst. Aber schon lange ein Brooklyner, der seine Stadt noch vor 9/11 kennt - und mit den ganzen Veränderungen danach.
"New York ist unverwüstlich und kommt immer wieder. Das Haupt-Ärgernis jetzt ist: Es ist zu viel Geld da - und so keine Stadt der Künstler mehr. Viele Musikorte können sich die City nicht mehr leisten, schließen und wir Künstler werden verdrängt. Und dann kommen die Reichen: 'Oh, hier ist das nächste coole Viertel, das kaufen wir' - und so geht's immer weiter ..."
Unterschwellige Genialität auf "Overreactivist"
Er ist Schauspieler, ein guter Sänger und erstklassiger Songwriter - und auf dem neuen Album haben Michael Grubbs und sein Produzent die meisten Instrumente selbst eingespielt, dazu kamen nur Schlagzeug und Streicher. Und auch die konnte der Mann aus dem klassischen Elternhaus natürlich selbst arrangieren: Gekonnt und reduziert. So wie auch sein Kammer-Piano-Folk-Pop nicht mit großen Gesten daher kommt, sondern mit unterschwelliger Genialität. Michael Grubbs trägt nicht dick auf, bleibt dezent und nimmt das Leben lieber leicht – wie im Schlusssong "C'est la vie":
"Dieser Song ist die sehr persönliche, endgültige Aussage des Albums: Zu akzeptieren, wo und wie wir sind, zu sagen: 'C'est la vie.' Alles ist gut, die Sonne scheint noch, wir sind am Leben."