Abgang als Architekt der Ampel
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Fast 50 Jahre ist Wolfgang Schäuble im Bundestag. Die kommenden Jahre wird er "nur" noch einfacher Abgeordneter sein. Einen glorreichen Abgang aus der ersten Reihe hat er sich selbst vermasselt, findet der Journalist und Autor Micky Beisenherz.
Seit 1972 ist Wolfang Schäuble im Deutschen Bundestag – so lange wie kein anderer deutscher Politiker. Seitdem hatte er fast alle wichtigen Ämter, die man haben kann, inne – das letzte davon, das des Bundestagspräsidenten, hat er nun abgegeben an seine sozialdemokratische Nachfolgerin Bärbel Bas.
Schäuble verteilt noch einmal Seitenhiebe
Während der konstituierenden Sitzung des Bundestags habe Schäuble – als Alterspräsident – noch einmal die Rolle des Parlaments betont, berichtet Korrespondentin Katharina Hamberger. Es sei, so Schäuble, der "Raum, an dem die Vielfalt der Meinungen offen zur Sprache kommt". Dieser sei umso wichtiger, als das "in unserer Gesellschaft die Bereitschaft sinkt, gegensätzliche Standpunkte auszuhalten".
Interessant sei, so die Korrespondentin, dass Schäuble im Folgenden starke Kritik an einer Identitätspolitik geübt habe, und indirekt auch den Klimaaktivisten von Fridays for Future. Seine Rede werde daher sicher noch einmal für Debatten sorgen, so die Einschätzung von Katharina Hamberger.
Willkommen in der neuen Zeit!
"Wolfgang Schäuble hat als führender Kopf der CDU natürlich nochmal eine ganz andere Debattenkultur erlebt und auch eine ganz andere hierarchische Struktur innerhalb der eigenen Partei", kommentiert Autor und Journalist Micky Beisenherz die Worte des scheidenden Bundestagspräsidenten.
"Auch er erlebt ja gerade mit großem Schrecken, dass die CDU sich von innen sozialdemokratisiert. Das muss ihn am Ende dieses langen Politikerlebens ja auch zutiefst erschüttern. Aber willkommen in der neuen Zeit!"
Glorreiches Ende selbst vermasselt
Das Ende von Schäuble in der ersten Reihe der CDU ist für Beisenherz nicht frei von Ironie. "Dadurch, dass er am Schluss zusammen mit Volker Bouffier noch Armin Laschet durchgedrückt hat, und auf diese Weise mitverantwortlich ist für dieses aus Sicht der Union katastrophale Wahlergebnis, hat er sich natürlich ein glorreiches Ende selbst vermasselt." Damit sei er "ein bisschen auch der Architekt der Ampel".
Andererseits habe die bürgerliche Mitte auf diese Weise die Opposition zurückerobert. Die CDU sei jetzt die stärkste Oppositionspartei "und das ist eindeutig etwas sehr Positives im Bundestag".
(ckü)