Exil-Syrer Al-Mousllie: Opposition muss bewaffnet werden
Der Vertreter des oppositionellen syrischen Nationalrats, Sadiqu Al-Mousllie, hat von der internationalen Gemeinschaft gefordert, die Opposition gegen den Staatspräsidenten Baschar al-Assad mit Waffen zu unterstützen. Es gebe keinen anderen Weg, um den Menschen in Homs zu helfen.
Hanns Ostermann: Grauenhaft, unerträglich – anders kann man die Lage der Menschen in vielen Teilen Syriens wohl kaum bezeichnen. Tag für Tag erreichen uns neue Hiobsbotschaften, setzen die Milizionäre ihr Bombardement gegen Zivilisten fort. Ohne Rücksicht werden selbst kleine Kinder getötet. Man kann sicher nicht sagen, dass die internationale Weltgemeinschaft diesen Morden tatenlos zusieht. Allerdings, vielfach sind es doch hilflose Versuche, Machthaber Baschar al-Assad rückt von seinem gnadenlosen Kurs nicht ab. Wie kann den Menschen wenigstens humanitär geholfen werden? Darüber möchte ich mit Sadiqu Al-Mousllie reden, er ist Zahnarzt in Deutschland, Mitglied des oppositionellen syrischen Nationalrates. Guten Morgen, Herr Al-Mousllie!
Sadiqu Al-Mousllie: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Das Assad-Regime hat noch nicht einmal auf eine Anfrage des Internationalen Roten Kreuzes reagiert, um in Homs eine humanitäre Waffenpause zu erreichen. Wie kann dann den Menschen dort überhaupt geholfen werden?
Al-Mousllie: Erst einmal muss man erwähnen, dass das Assad-Regime schon seit mittlerweile zwölf Monaten auf die Leute bombardiert, Leute inhaftiert, tötet. Und von so einem Regime war leider auch nicht zu erwarten, dass es einlenkt und dass es auch humanitäre Hilfe zulässt. Das Rote Kreuz und der Rote Halbmond und auch andere Organisationen haben schon Monate lang versucht, in diese Gebiete zu gelangen. Es gab keine Möglichkeit, man kann nur durch die Bevölkerung bestimmte humanitäre Hilfen dann reinbringen, auf ihren eigenen Wegen. Aber das Regime versucht natürlich, diese Gebiete abzuriegeln, weil das Regime absolut nicht daran interessiert ist, dass diese Leute auch in irgendeiner Weise Hilfe bekommen. Das würde nämlich heißen, dass diese Proteste weitergehen und dass die internationale Gemeinschaft auch noch weiter sieht, wie dieses Regime nach und nach abbröckelt.
Ostermann: Nun kommt für zwei Tage die Nothilfekoordinatorin der Vereinten Nationen nach Damaskus. – Das heißt, Sie verbinden auch mit diesem Besuch so gut wie keine Hoffnungen?
Al-Mousllie: Ich muss ganz ehrlich sagen, wir haben ja auch gesehen, wie die Beobachter der Arabischen Liga in Syrien waren. Wir hatten damals von 30 Toten gesprochen, nachdem sie da waren, sind es auf 50 gestiegen, nachdem sie weg waren, sind es mittlerweile auf 100 gestiegen, nachdem das Ganze im Weltsicherheitsrat … Ich hoffe, dass sie etwas bewegen kann, natürlich für die Menschen, für die Leute, für die Kinder, für die Frauen, für die Verletzten, die absolut nicht versorgt werden können. Nicht mal auf diesen Feldkrankenhäusern ist man sicher, dass man auch wirklich die Versorgung bekommt, hat man ja auch gesehen mit dem westlichen Journalisten, die da waren, die dann auch bombardiert wurden und getötet wurden teilweise, und andere verletzt wurden. Ich hoffe, dass die Beauftragte wirklich in der Lage ist, irgendetwas zu bewegen. Aber man muss einfach sehen: Das Regime, das seit einem Jahr sich dagegenstellt, dass die Bevölkerung überhaupt irgendwas bekommt, und dass die auch eine politische, sage ich mal, ein politisches Ziel erzielen beziehungsweise erreichen, die werden das nicht zulassen. Denn das wollen sie nicht.
Ostermann: Wer fliehen kann etwa aus Homs, versucht das natürlich. Aber auch hier werden die Bedingungen immer schwieriger, wenn Brücken auf dem Weg in den Libanon zerbombt werden. Wie ausweglos – sofern Sie das von hier aus, von Deutschland aus, beurteilen können – ist auch die Lage der Flüchtlinge?
Al-Mousllie: Ja, wir haben in der Tat ein Problem, was jetzt die internationale Gemeinschaft noch nicht so richtig realisiert hat oder vielleicht auch teilweise bewusst von manchen Ländern so im Untergrund oder im Hintergrund gehalten worden ist: Wir haben mittlerweile über 18.000 Flüchtlinge in den umliegenden Ländern, in der Türkei, im Libanon, auch in Jordanien. Bis jetzt hat man nicht offiziell anerkannt, dass wir syrisches Asyl haben in den umliegenden Ländern, oder aus humanitären Gründen Leute, die Camps dann mithilfe der United Nations dann auch, Vereinigten Nationen auch errichtet werden. Das steigert natürlich den Druck auf das Regime. Mittlerweile spricht man mehr davon, aber wir wissen von unseren Kontakten, dass alles Mögliche gemacht wird, damit die Leute nicht nach außen gehen, damit der Druck nicht mehr wird. Und das wollen natürlich auch die Unterstützer Assads wie zum Beispiel Russland, China, der Iran, die sich massiv einmischen in Syrien durch Waffen, durch Männer, die Expertise, wie sie dann auch die Demos niederschlagen. Das ist alles internationale Einmischung. Nur, für die Leute, auf dem Boden der Tatsachen, passiert wirklich nicht viel.
Ostermann: Man arbeitet jetzt auch wieder in New York an einer neuen Resolution, wobei einerseits die Amerikaner gesagt haben, ein militärisches Eingreifen wird es nicht geben, und Moskau auf der anderen Seite mauert. Das heißt: Was kann überhaupt politisch getan werden, um auf Assad Druck auszuüben?
Al-Mousllie: Wenn man politisch agieren will, kann man natürlich erst mal jetzt auf dieser humanitären Schiene auf jeden Fall arbeiten, zum einen. Zum anderen muss man jetzt mittlerweile auf die Unterstützer Assads einwirken. Man muss ein bisschen zurückdenken: Damals, als die internationale Gemeinschaft sich einmischen wollte in Bosnien-Herzegowina und in Sarajevo, haben sie nicht darauf gewartet, dass Russland ein Veto einlegt oder nicht, sie haben einfach die Entscheidung getroffen. Das Gleiche haben sie im Norden Iraks, das Gleiche haben sie in anderen Orten auf dieser Welt, wo sie auch gesehen haben, die Zivilbevölkerung wird bombardiert und angegriffen. Die geostrategische Position Syriens hindert viele Leute daran jetzt, auch wirklich zu agieren. Und das ist unser Problem. Wir müssen einfach eine Gleichung finden auf der internationalen Ebene, wo wir sagen, wir müssen diese Zivilbevölkerung beschützen und gleichzeitig die Möglichkeit haben, da die Ruhe in dieser Region zu bewahren. Wir haben die freie syrische Armee, das sind einfach Soldaten, die nicht mehr auf ihre eigenen Leute schießen wollen. Das sind Leute, die trainiert sind, das sind Leute, die auch in der Lage sind, ihre eigene Bevölkerung zu beschützen. Die internationale Gemeinschaft sollte auf dieser Ebene bitte schön auch anfangen zu überlegen, wie sie diese Leute unterstützt.
Ostermann: Das heißt, Sie fordern auch eine Bewaffnung der Opposition, der Rebellen. Aber würde das die Probleme wirklich lösen?
Al-Mousllie: Man würde natürlich auf jeden Fall eine neue Phase hier damit angehen. Aber man … Es gibt keine andere politische Lage beziehungsweise am Horizont gibt es keine andere Möglichkeit, um den Leuten zu helfen. Jeden Tag sterben 100 Leute. Die einzige Möglichkeit ist, dass man diese Opposition, die da unten ist, zentralisiert – und das ist für mich sehr wichtig –, zentralisiert, transparent bewaffnet, indem man einfach diesen Leuten dann auch die Möglichkeit gibt, die Zivilbevölkerung zu beschützen.
Ostermann: Und wer könnte die Waffen liefern?
Al-Mousllie: Es gibt mehrere Länder, die internationale Gemeinschaft auch hat hier Interesse. Und ich denke auch, wenn man selbst damit anfängt und eine internationale Entscheidung trifft, dann hat man natürlich auch die Möglichkeit, diese Entscheidung zu beeinflussen. Wir wollen nicht sehr lange warten, damit wir auch nicht irgendwie in eine Phase reinkommen, wo so etwas absolut unkontrollierbar ist. In dem Moment, wo auch der syrische Nationalrat beispielsweise, oder auch die internationale Gemeinschaft, zusammenarbeiten, können wir vielleicht zentral, transparent und auch unter Kontrolle das Ganze bewegen.
Ostermann: Sadiqu Al-Mousllie, Mitglied des oppositionellen syrischen Nationalrates. Herr Al-Mousllie, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Al-Mousllie: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Sadiqu Al-Mousllie: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Das Assad-Regime hat noch nicht einmal auf eine Anfrage des Internationalen Roten Kreuzes reagiert, um in Homs eine humanitäre Waffenpause zu erreichen. Wie kann dann den Menschen dort überhaupt geholfen werden?
Al-Mousllie: Erst einmal muss man erwähnen, dass das Assad-Regime schon seit mittlerweile zwölf Monaten auf die Leute bombardiert, Leute inhaftiert, tötet. Und von so einem Regime war leider auch nicht zu erwarten, dass es einlenkt und dass es auch humanitäre Hilfe zulässt. Das Rote Kreuz und der Rote Halbmond und auch andere Organisationen haben schon Monate lang versucht, in diese Gebiete zu gelangen. Es gab keine Möglichkeit, man kann nur durch die Bevölkerung bestimmte humanitäre Hilfen dann reinbringen, auf ihren eigenen Wegen. Aber das Regime versucht natürlich, diese Gebiete abzuriegeln, weil das Regime absolut nicht daran interessiert ist, dass diese Leute auch in irgendeiner Weise Hilfe bekommen. Das würde nämlich heißen, dass diese Proteste weitergehen und dass die internationale Gemeinschaft auch noch weiter sieht, wie dieses Regime nach und nach abbröckelt.
Ostermann: Nun kommt für zwei Tage die Nothilfekoordinatorin der Vereinten Nationen nach Damaskus. – Das heißt, Sie verbinden auch mit diesem Besuch so gut wie keine Hoffnungen?
Al-Mousllie: Ich muss ganz ehrlich sagen, wir haben ja auch gesehen, wie die Beobachter der Arabischen Liga in Syrien waren. Wir hatten damals von 30 Toten gesprochen, nachdem sie da waren, sind es auf 50 gestiegen, nachdem sie weg waren, sind es mittlerweile auf 100 gestiegen, nachdem das Ganze im Weltsicherheitsrat … Ich hoffe, dass sie etwas bewegen kann, natürlich für die Menschen, für die Leute, für die Kinder, für die Frauen, für die Verletzten, die absolut nicht versorgt werden können. Nicht mal auf diesen Feldkrankenhäusern ist man sicher, dass man auch wirklich die Versorgung bekommt, hat man ja auch gesehen mit dem westlichen Journalisten, die da waren, die dann auch bombardiert wurden und getötet wurden teilweise, und andere verletzt wurden. Ich hoffe, dass die Beauftragte wirklich in der Lage ist, irgendetwas zu bewegen. Aber man muss einfach sehen: Das Regime, das seit einem Jahr sich dagegenstellt, dass die Bevölkerung überhaupt irgendwas bekommt, und dass die auch eine politische, sage ich mal, ein politisches Ziel erzielen beziehungsweise erreichen, die werden das nicht zulassen. Denn das wollen sie nicht.
Ostermann: Wer fliehen kann etwa aus Homs, versucht das natürlich. Aber auch hier werden die Bedingungen immer schwieriger, wenn Brücken auf dem Weg in den Libanon zerbombt werden. Wie ausweglos – sofern Sie das von hier aus, von Deutschland aus, beurteilen können – ist auch die Lage der Flüchtlinge?
Al-Mousllie: Ja, wir haben in der Tat ein Problem, was jetzt die internationale Gemeinschaft noch nicht so richtig realisiert hat oder vielleicht auch teilweise bewusst von manchen Ländern so im Untergrund oder im Hintergrund gehalten worden ist: Wir haben mittlerweile über 18.000 Flüchtlinge in den umliegenden Ländern, in der Türkei, im Libanon, auch in Jordanien. Bis jetzt hat man nicht offiziell anerkannt, dass wir syrisches Asyl haben in den umliegenden Ländern, oder aus humanitären Gründen Leute, die Camps dann mithilfe der United Nations dann auch, Vereinigten Nationen auch errichtet werden. Das steigert natürlich den Druck auf das Regime. Mittlerweile spricht man mehr davon, aber wir wissen von unseren Kontakten, dass alles Mögliche gemacht wird, damit die Leute nicht nach außen gehen, damit der Druck nicht mehr wird. Und das wollen natürlich auch die Unterstützer Assads wie zum Beispiel Russland, China, der Iran, die sich massiv einmischen in Syrien durch Waffen, durch Männer, die Expertise, wie sie dann auch die Demos niederschlagen. Das ist alles internationale Einmischung. Nur, für die Leute, auf dem Boden der Tatsachen, passiert wirklich nicht viel.
Ostermann: Man arbeitet jetzt auch wieder in New York an einer neuen Resolution, wobei einerseits die Amerikaner gesagt haben, ein militärisches Eingreifen wird es nicht geben, und Moskau auf der anderen Seite mauert. Das heißt: Was kann überhaupt politisch getan werden, um auf Assad Druck auszuüben?
Al-Mousllie: Wenn man politisch agieren will, kann man natürlich erst mal jetzt auf dieser humanitären Schiene auf jeden Fall arbeiten, zum einen. Zum anderen muss man jetzt mittlerweile auf die Unterstützer Assads einwirken. Man muss ein bisschen zurückdenken: Damals, als die internationale Gemeinschaft sich einmischen wollte in Bosnien-Herzegowina und in Sarajevo, haben sie nicht darauf gewartet, dass Russland ein Veto einlegt oder nicht, sie haben einfach die Entscheidung getroffen. Das Gleiche haben sie im Norden Iraks, das Gleiche haben sie in anderen Orten auf dieser Welt, wo sie auch gesehen haben, die Zivilbevölkerung wird bombardiert und angegriffen. Die geostrategische Position Syriens hindert viele Leute daran jetzt, auch wirklich zu agieren. Und das ist unser Problem. Wir müssen einfach eine Gleichung finden auf der internationalen Ebene, wo wir sagen, wir müssen diese Zivilbevölkerung beschützen und gleichzeitig die Möglichkeit haben, da die Ruhe in dieser Region zu bewahren. Wir haben die freie syrische Armee, das sind einfach Soldaten, die nicht mehr auf ihre eigenen Leute schießen wollen. Das sind Leute, die trainiert sind, das sind Leute, die auch in der Lage sind, ihre eigene Bevölkerung zu beschützen. Die internationale Gemeinschaft sollte auf dieser Ebene bitte schön auch anfangen zu überlegen, wie sie diese Leute unterstützt.
Ostermann: Das heißt, Sie fordern auch eine Bewaffnung der Opposition, der Rebellen. Aber würde das die Probleme wirklich lösen?
Al-Mousllie: Man würde natürlich auf jeden Fall eine neue Phase hier damit angehen. Aber man … Es gibt keine andere politische Lage beziehungsweise am Horizont gibt es keine andere Möglichkeit, um den Leuten zu helfen. Jeden Tag sterben 100 Leute. Die einzige Möglichkeit ist, dass man diese Opposition, die da unten ist, zentralisiert – und das ist für mich sehr wichtig –, zentralisiert, transparent bewaffnet, indem man einfach diesen Leuten dann auch die Möglichkeit gibt, die Zivilbevölkerung zu beschützen.
Ostermann: Und wer könnte die Waffen liefern?
Al-Mousllie: Es gibt mehrere Länder, die internationale Gemeinschaft auch hat hier Interesse. Und ich denke auch, wenn man selbst damit anfängt und eine internationale Entscheidung trifft, dann hat man natürlich auch die Möglichkeit, diese Entscheidung zu beeinflussen. Wir wollen nicht sehr lange warten, damit wir auch nicht irgendwie in eine Phase reinkommen, wo so etwas absolut unkontrollierbar ist. In dem Moment, wo auch der syrische Nationalrat beispielsweise, oder auch die internationale Gemeinschaft, zusammenarbeiten, können wir vielleicht zentral, transparent und auch unter Kontrolle das Ganze bewegen.
Ostermann: Sadiqu Al-Mousllie, Mitglied des oppositionellen syrischen Nationalrates. Herr Al-Mousllie, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Al-Mousllie: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.