Exklusiv: Premiere von Musikvideo

Wenn ein Cello auf Elektronik trifft

Andi Otto
Der Komponist, Musiker und Kulturwissenschaftler Andi Otto © Foto: Robin Hinsch
Von Juliane Reil |
Fello statt Cello nennt Andi Otto sein Instrument. Eine Abkürzung aus "It Follows The Cello“ – die Software folgt dem Cello. Der Name soll auch nach einem guten Kumpel klingen. Jetzt ist das neue Album "Via" erschienen. Exklusiv präsentiert Deutschlandradio Kultur das Video zu seinem Song "Dharti Cash Puke".
Was wie ein orientalisches Saiten-Instrument klingt, kommt eigentlich von einem Cello. Noch faszinierender als der ungewöhnliche Klang, die Art, wie es gespielt wird: zunächst ganz traditionell, aber dann, ohne die Saiten zu berühren, fährt der Spieler mit dem Bogen durch die Luft: mal stoßartig, dann wieder in Wellen. Je nach Armbewegung verändert sich der Ton: Er wird verzerrt, geloopt, klingt mal heller, mal dunkler.
Der schlaksige Mann, der konzentriert am Cello sitzt, ist Andi Otto. Das dunkelblonde Haar fällt ihm schief ins Gesicht. Eigentlich ist er Schlagzeuger und hat als Jugendlicher in Punkbands gespielt. Seit 20 Jahren besitzt der 36-Jährige aber auch das Cello, das er spielt. Der Umbau zum Cello-Zwitterwesen kam allerdings erst später.

(Das Video zum Album-Track "Dharti Cash Puke" beschäftigt sich im Sinne des Albums VIA mit der Thematik des unterwegs seins, sich zwischen den Orten befinden. Man sieht Aufnahmen unter anderem aus Hamburg und Bangalore.)

Am Studio for Electro Instrumental Music in Amsterdam, einem Zentrum zur Erforschung und Entwicklung neuer Instrumente, hat der Hamburger sein Cello modifiziert. Bewegungssensoren am Cellobogen übersetzen seine Gesten mit Hilfe einer Software in Effekte und Sounds, die die zuvor akustisch erzeugten Klänge elektronisch manipulieren. Dafür sorgt ein Computerprogramm, wie Andi Otto erklärt:

"´It Follows The Cello.` Das war so eine Idee, dass die Software dem Cello folgt. Deswegen haben wir das einfach kurz als ´Fello` abgekürzt und dieser Name klingt halt auch so ein bisschen wie ein Kumpel, also nicht jemand, den man jetzt kontrolliert, sondern eher der Kumpel, mit dem man im Dialog ist."
"Fello" wie "Cello" geschrieben, nur mit "F" am Anfang. Fast immer setzt Otto die Sounds des Fello stark perkussiv ein. Zusammen mit obskuren Samples, beispielsweise aus alten Bollywoodfilmen, mischt er das Fello-Spiel mit groovenden, tanzbaren Beats, die eine hypnotische Sogwirkung entfalten können.

Auftritte nur mit Spezial-Cello

Mittlerweile tritt Andi Otto ohne sein Spezial-Cello gar nicht mehr auf. Außer wenn er als DJ elektronische Musik auflegt. Der Musiker war schon lange an Technik und der elektronischen Verfremdung seines Cellos interessiert. Nur waren damit immer zwei Arbeitsschritte verbunden.
"Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass es doch schön wäre, nicht mehr vom Cello aufstehen zu müssen, das Cello aufgenommen zu haben und wegzulegen, sondern diesen Prozess abzukürzen, dass ich am Cello sitzenbleiben kann und trotzdem diese elektronischen Veränderungen wie das Verstimmen des gerade aufgenommenen Samples oder das schnelle Wiederholen eines Sounds, den ich gerade gespielt habe – solche Sachen zu machen, während ich am Cello sitze."


Das Fello macht es für Andi Otto also leichter, seine Musik zu bearbeiten. Und nicht nur das: Er bekommt damit die unmittelbare Kontrolle über sein Cello zurück. Keine andere Person am Computer manipuliert den Sound. Er selbst muss den Spielfluss nicht unterbrechen. Davon profitiert natürlich in erster Linie der Spieler selbst. . Wenn Andi Otto spielt, wirkt er fokussiert, die Musik scheint mit großer Leichtigkeit zu entstehen.
Das neue Album von Andi Otto heißt "Via"
Cover des neuen Albums "Via" von Cellomusiker Andi Otto © Artwork: Thomas Korf & Sebastian Kokus

Mehr als ein Jahr geprobt

Umgekehrt ist es als Zuschauer spannend zu sehen, wie der Sound zustande kommt. Bei der herkömmlichen Verfremdung von Sounds am Computer bleiben diese Prozesse unsichtbar. Dass das Instrument in Serie geht, ist aber unwahrscheinlich. Über ein Jahr hat Andi Otto geprobt, um den Fello-Bogen – der quasi als komplexe Fernsteuerung des Computers fungiert – zu beherrschen. Eine Sache beim Spielen war für ihn dabei besonders schwierig zu erlernen.
"Wie kriege ich den Sound wieder gestoppt, wenn die ganzen Feedbacks und Echos laufen. Und da brauchte ich dann viel Übung für, bis ich diese Gesten drauf hatte."
Das Besondere am Fello ist nicht der Sound. Die verfremdete Klänge, die Andi Otto mit seinem modifizierten Instrument produziert, könnte er auch auf andere Weise herstellen. Einzigartig dagegen ist der Prozess der Klangerzeugung – die Performance selbst, die für den Künstler und das Publikum gleichermaßen eine spannende Erfahrung ist.

Andi Otto ist auf Tour und spielt am 18. Februar in Lüneburg und am 9. März in Berlin.