Experimentelle Begegnungen
Zum 39. Mal fanden in Witten die <papaya:link href="http://www.wittenertage.de/" text="Tage für neue Kammermusik" title="Tage für neue Kammermusik" target="_blank" /> statt. Das traditionsreiche Festival hatte auch in diesem Jahr zahlreiche Kompositionen in Auftrag gegeben, die in Witten Premiere feierten. Das Festival bot so die Chance, auch neue Talente zu entdecken
Lange Zeit war das Streichquartett die kammermusikalische Königsdisziplin. Hier bewies sich das wahre Können eines Tonsetzers, denn es galt, auf engstem Raum eine Klangwelt zu schaffen, die vier miteinander kommunizierenden Solisten gerecht wurde. Vor allem die großen Romantiker wollten in ihren Streichquartetten aber auch die Gattung selbst an ihre Grenzen führen.
Streichquartett heute, das meint vor allem die Schaffung verschachtelter Klangwelten. Dabei sind die Entwicklungen, Sprünge und Wandlungen innerhalb eines Werks meist derart komplex, dass sie ohne einen ausgefeilten analytischen Apparat im Kopf kaum mehr wahrnehmbar sind.
Um so erfreulicher, dass sich nun gerade jüngere Komponisten, wie der 1972 in Vilnius geborene Vykintas Baltakas, dem Genre Streichquartett auf komplexe, zugleich aber sehr klangsinnliche Weise nähern.
Vykintas Baltakas überträgt in seinem Stück (b)ell tree die Rhythmik sanft bewegter Kuhglocken auf zwei Violinen, Viola und Violoncello. Fast nebenbei reflektiert Baltakas dabei noch die Tradition des klassischen - romantischen - Streichquartetts, stellt Fragen nach dem Vorrang einzelner Instrumente und den Übergängen der individuellen Stimmen. (b)ell tree ist ein leises, fein ziseliertes Stück, dicht gebaut und doch gut durchhörbar.
Auch die Koreanerin Sun-Young Pahg überzeugte mit ihrem fein hingetupften Ensemblestück Vierzehn Szenen, keine Geschichte. Pahg komponierte einen in vierzehn Einzelteile zersplitterten Mikrokosmos, der sich immer wieder doch für kurze Zeit zum Großen und Ganzen zu fügen scheint.
Ein zentrales Thema der diesjährigen Wittenener Kammermusiktage war die zuweilen recht experimentelle Begegnung von Stimme und Instrument. Als composer-in-residence lud man Georges Aperghis ein, der Wahlfranzose griechischer Herkunft erforscht seit Jahrzehnten die menschliche Stimme.
Aperghis geht bis an die Grenzen des Sing- und Darstellbaren und verlangt von seinen Interpreten Höchstleistungen. Auch das Publikum muss eine Menge an gutem Willen und Hörvermögen mitbringen, denn die oft staccatohaften, eng aneinander gereihten und extrem gehetzten "Vokalisen" oder Arienparodien gehen schon nach kurzer Zeit stark ans Nervenkostüm.
Einen etwas ruhigeren Aperghis erlebte man im Musiktheater Zeugen, das in Witten uraufgeführt wurde. Zeugen ist eine eigenwillige Reise in die Innenwelten des Schweizer Miniaturengrammatikers Robert Walser. Walsers filigrane Beschreibungen alltäglicher Situationen, die - irgendwie - immer ins Verstörende und Ver-rückte rutschen, setzte Aperghis in minimalistischen Sprechgesang. Dazu blickt man auf Nachbildungen von Handpuppen, die Paul Klee für seine Kinder aus Abfallmaterialien, Korken, Flaschenstücken und anderen Müllresten gebastelt und bemalt hat. Mit großen Augen und merkwürdig verzerrten Gesichtern schauen diese Puppen ins Publikum.
Die Puppen verharren bewegungslos in ihrem kleinen Welttheater aus Licht und Stoffbahnen, ihre Gesichter werden mittels Videoprojektionen vergrößert. Die künstlichen Geschöpfe kommen einem manchmal erschreckend nahe, man sieht jede Falte, jede Struktur des Gesichts. Dazu liefert Aperghis eine unruhig-verzuckte, sehr gestische Musik.
Witten 2007, das war eine bunte Mischung aus neuen Werken alter Meister und jüngeren, meist eher gediegenen Neutönern. Wenig aufregendes steuerten Walter Zimmermann und Olga Neuwirth bei, dafür gab es zwei echte Entdeckungen: Martón Illés' Ensemblestück Torso III brachte frischen Wind nach Witten. Das Fragment, das Fragmentarische wird bei Illés zum gestaltenden Formprinzip, kleinteilige Klangfiguren verfugen sich allmählich doch zu einem großen Bogen.
Auch Bruno Mantovanis Si près, si loin (d'une fantasie) für zwei Klaviere und zwei Ensemblegruppen besitzt langen Atem trotz komplex gestalteten Formverläufen.
Zum kleinen, aber feinen Ereignis wurde die halbstündige Performance von Amanda Stewart und Stephan Froleyks. Während Stephan Froleyks auf einer ganzen Reihe von selbstgebauten Instrumenten bisher so nicht gehörte Töne zum Besten gab, performte Amanda Stewart leise, doch beständig einen effektvollen Anti-Rap ohne Netz, aber mit doppeltem Boden: Spielereien gehen hier virtuos über ins sprachliche Nachdenken über Sprache ...
Streichquartett heute, das meint vor allem die Schaffung verschachtelter Klangwelten. Dabei sind die Entwicklungen, Sprünge und Wandlungen innerhalb eines Werks meist derart komplex, dass sie ohne einen ausgefeilten analytischen Apparat im Kopf kaum mehr wahrnehmbar sind.
Um so erfreulicher, dass sich nun gerade jüngere Komponisten, wie der 1972 in Vilnius geborene Vykintas Baltakas, dem Genre Streichquartett auf komplexe, zugleich aber sehr klangsinnliche Weise nähern.
Vykintas Baltakas überträgt in seinem Stück (b)ell tree die Rhythmik sanft bewegter Kuhglocken auf zwei Violinen, Viola und Violoncello. Fast nebenbei reflektiert Baltakas dabei noch die Tradition des klassischen - romantischen - Streichquartetts, stellt Fragen nach dem Vorrang einzelner Instrumente und den Übergängen der individuellen Stimmen. (b)ell tree ist ein leises, fein ziseliertes Stück, dicht gebaut und doch gut durchhörbar.
Auch die Koreanerin Sun-Young Pahg überzeugte mit ihrem fein hingetupften Ensemblestück Vierzehn Szenen, keine Geschichte. Pahg komponierte einen in vierzehn Einzelteile zersplitterten Mikrokosmos, der sich immer wieder doch für kurze Zeit zum Großen und Ganzen zu fügen scheint.
Ein zentrales Thema der diesjährigen Wittenener Kammermusiktage war die zuweilen recht experimentelle Begegnung von Stimme und Instrument. Als composer-in-residence lud man Georges Aperghis ein, der Wahlfranzose griechischer Herkunft erforscht seit Jahrzehnten die menschliche Stimme.
Aperghis geht bis an die Grenzen des Sing- und Darstellbaren und verlangt von seinen Interpreten Höchstleistungen. Auch das Publikum muss eine Menge an gutem Willen und Hörvermögen mitbringen, denn die oft staccatohaften, eng aneinander gereihten und extrem gehetzten "Vokalisen" oder Arienparodien gehen schon nach kurzer Zeit stark ans Nervenkostüm.
Einen etwas ruhigeren Aperghis erlebte man im Musiktheater Zeugen, das in Witten uraufgeführt wurde. Zeugen ist eine eigenwillige Reise in die Innenwelten des Schweizer Miniaturengrammatikers Robert Walser. Walsers filigrane Beschreibungen alltäglicher Situationen, die - irgendwie - immer ins Verstörende und Ver-rückte rutschen, setzte Aperghis in minimalistischen Sprechgesang. Dazu blickt man auf Nachbildungen von Handpuppen, die Paul Klee für seine Kinder aus Abfallmaterialien, Korken, Flaschenstücken und anderen Müllresten gebastelt und bemalt hat. Mit großen Augen und merkwürdig verzerrten Gesichtern schauen diese Puppen ins Publikum.
Die Puppen verharren bewegungslos in ihrem kleinen Welttheater aus Licht und Stoffbahnen, ihre Gesichter werden mittels Videoprojektionen vergrößert. Die künstlichen Geschöpfe kommen einem manchmal erschreckend nahe, man sieht jede Falte, jede Struktur des Gesichts. Dazu liefert Aperghis eine unruhig-verzuckte, sehr gestische Musik.
Witten 2007, das war eine bunte Mischung aus neuen Werken alter Meister und jüngeren, meist eher gediegenen Neutönern. Wenig aufregendes steuerten Walter Zimmermann und Olga Neuwirth bei, dafür gab es zwei echte Entdeckungen: Martón Illés' Ensemblestück Torso III brachte frischen Wind nach Witten. Das Fragment, das Fragmentarische wird bei Illés zum gestaltenden Formprinzip, kleinteilige Klangfiguren verfugen sich allmählich doch zu einem großen Bogen.
Auch Bruno Mantovanis Si près, si loin (d'une fantasie) für zwei Klaviere und zwei Ensemblegruppen besitzt langen Atem trotz komplex gestalteten Formverläufen.
Zum kleinen, aber feinen Ereignis wurde die halbstündige Performance von Amanda Stewart und Stephan Froleyks. Während Stephan Froleyks auf einer ganzen Reihe von selbstgebauten Instrumenten bisher so nicht gehörte Töne zum Besten gab, performte Amanda Stewart leise, doch beständig einen effektvollen Anti-Rap ohne Netz, aber mit doppeltem Boden: Spielereien gehen hier virtuos über ins sprachliche Nachdenken über Sprache ...