Experimentierfeld Farbfotografie

Von Carsten Probst |
Neben Man Ray gilt Lazlo Moholy-Nagy als einer der bekanntesten experimentellen Fotografen der Moderne. Ab 1934 wagte er sich auf das Feld der noch jungen Farbfotografie. 55 Exponate aus seinem Spätwerk sind nun im Bauhaus Archiv Berlin zu sehen.
"Und noch eine Illusion muß zerstört werden", schreibt Lazlo Moholy-Nagy in einem Aufsatz von 1936, zehn Jahre vor seinem Tod - nämlich die Illusion, "daß das Farbfoto vom Standpunkt der Fotografie aus ein großer Fortschritt ist." Das klingt nicht gerade so, als sei der neben Man Ray bekannteste experimentelle Fotograf der Moderne besonders überzeugt von seinem Spätwerk gewesen, in dem sich immerhin 200 Farbdiapositive befinden, die bislang von der Kunstgeschichte nur wenig gewürdigt wurden. Die Ausstellung mit 55 Exponaten im Berliner Bauhaus-Archiv wurde schnell zur Sensation hochgejazzt, doch Jeannine Fiedler, die Kuratorin der Ausstellung, relativiert selbst erst einmal die Bedeutung dieser Bilder für Moholy-Nagy. Sie entstanden ab 1933, da der Meister im niederländischen Exil lebte und auf Geldgeber mehr denn je angewiesen war.

"Er hat also gelehrt und außerdem hatte er ab 1933 eine Familie zu ernähren, und das hat für einen Künstler auch damals bedeutet, dass er (...) an möglichst viele Aufträge rankommt, und als art director hat er Werbeaufträge angenommen, hat für Zeitungen gearbeitet, hat für Firmen gearbeitet, hat dort das Werbematerial hergestellt. Er war also sehr umtriebig, und seine Tage waren wahrscheinlich ausgefüllt bis zum Letzten (...) Er wird keine Zeit gehabt haben, (...) sich stundenlang mit einem farbigen Papierabzug zu beschäftigen, (...) und insofern war es wahrscheinlich wirklich eine pragmatische Lösung, dann tatsächlich sich mit diesem Diamaterial zufrieden zu geben, das eben vielfach eingesetzt werden konnte."

Vieles spricht also für reine Zweckarbeiten, während Moholy-Nagy zugleich auch von den Farbfotografen seiner Zeit einfordert, erst einmal bei den Schwarz-Weiß-Künstlern in die Lehre zu gehen. Aber ganz so ist es dann doch nicht. Die Ausstellung zeigt in sehr schöner und würdiger Präsentation die vergrößerten Dias als große Leuchtkästen, die Unterschiede zwischen einzelnen Bildgruppen fallen sofort ins Auge. Manche Bilder sind privater Natur oder zum Teil sehr gelungene Portraits, etwa von Bauhaus-Mitstreiter Walter Gropius. Daneben auch besagte Auftragsarbeiten für die Werbung und die Presse, die übrigens daran gemahnen, dass auch diese Art zu fotografieren einmal als echtes Kunsthandwerk verstanden wurde.. In anderen Bildern scheinen dagegen die Licht- und Raumexperimente noch einmal auf, die Moholoy-Nagy vor allem in seiner Dessauer Bauhaus-Zeit mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen bis zur Perfektion getrieben hat. Während er in seinem späteren Exil an der Chicagoer School of Design lehrte, scheint es dem gebürtigen Ungarn durchaus noch einmal um eine Erweiterung seines experimentellen Spektrums gegangen zu sein. Da Moholy eigentlich aus einem malerischen Verständnis heraus mit Fotografien arbeitet, scheint er die Farbbilder als Möglichkeit neuer Farbkompositionen zu verstehen. Man sieht beispielsweise verzerrte Lichtpunkte, die sich zu Farbwellen in die Länge ziehen oder Stilleben mit kleinen konstruktivistischen Objekten. Das meiste scheint eher flüchtig und unausgereift, aber dennoch mit klarem Erkenntnisinteresse konzipiert. Jeannine Fiedler:

"Also natürlich war das für ihn auch ein vollkommen neues Feld. (...) Man stellt sich das jetzt vielleicht gemeinhin so vor, wie bei Malern wie Pierre Bonnard. Pierre Bonnard hat in schwarz-weiß Motive aufgenommen (...) und hat sie als Vorlagen genutzt für seine Gemälde. (...) Moholy hat angefangen als konstruktivistischer Meister (...). Es geht da nicht um Gegenständlichkeit. Wenn er tatsächlich etwas übernommen hat, dann sind das bestimmte, konstruktivistische Raumgerüste (...), dynamische Raumpläne, die er versucht, auch in die Fotografie mit einzubinden in seinen Motiven. Das versucht er bei der Farbfotografie eigentlich nicht mehr so häufig. Es geht ihm in der Tat in der Farbfotografie um was anderes, es geht um Licht und Farbe, und wie man diese beiden zusammenbringt..."

Die Dynamik von Räumen und der vielfältigen Gleichzeitigkeit von Bewegungen im Raum fasziniert Moholy auch hier noch immer. Bei einigen Großstadtimpressionen, die wahrscheinlich während der New Yorker Weltausstellung entstanden, versucht er möglichst gegensätzliche Bewegungsstrukturen im Raum durch verschiedene konstruktive Anordnungen in die Fläche eines Augenblicks zu bannen. Farbe, als Lichtwellen aufgefasst, kann dabei helfen, Räumlichkeit zu erzeugen, Gegenständliches abstrakt erscheinen zu lassen. Doch nebenher setzt Moholy auch immer seine Schwarzweißserien fort. Da der Theoretiker Moholy-Nagy zudem kaum etwas Schriftliches über seine Farbfotografien hinterlassen hat, bleiben seine Farbstudien ein abgebrochenes Experiment, von dem man auch heute nicht sagen kann, wohin sie den Meister vielleicht einmal hätten führen können. Die Kunstgeschichte der Moderne muss nicht umgeschrieben werden.

Service: Die Ausstellung "Color in Transparency - Farbfotoexperimente von László Moholy-Nagy" ist vom 21.06. bis 04.09.2006 im Bauhaus-Archiv-Berlin zu sehen.