Stasi-Unterlagenbehörde vor ungewisser Zukunft
Wie geht es weiter mit der Stasi-Unterlagenbehörde? Das soll eine Experten-Kommission klären. Einige plädieren für eine Schließung der Behörde, andere sehen in den Unterlagen eine Art Mahnmal - und plädieren für die Aufbewahrung der Akten am Ort ihres Entstehens.
Es war ein weltweit einmaliger Vorgang beim Zusammenbruch einer Diktatur: Am 15. Januar 1990 stürmten und besetzten Demonstranten die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße in Berlin, um die Vernichtung der Akten zu stoppen. Jeder Bürger sollte das Recht erhalten, zu erfahren, was über ihn von der Staatssicherheit zusammengetragen wurde – und wer die geheimen Zuträger waren. Seit der Gründung der Stasi-Unterlagenbehörde 1990 sind über drei Millionen Anträge auf Akteneinsicht gestellt worden. Doch das Stasi-Unterlagengesetz regelt den Erhalt der Behörde nur bis 2019, dann sind 30 Jahre seit dem Ende der DDR vergangen. Wie es mit der Stasi-Unterlagenbehörde weitergehen soll, ob sie dann noch gebraucht wird – dazu soll die Expertenkommission, die sich heute im Bundestag konstituiert hat, eine Antwort finden.
"Man muss diese Aufgabe nicht nur mit dieser Behörde, die ja als Sonderbehörde mal gegründet wurde, in Ewigkeit weiterführen, sondern dieselben Aufgaben könnten vielleicht auch in anderer Weise wahrgenommen werden. Es bleibt natürlich die Aufgabe der Erschließung der Akten und der Akteneinsicht, das bleibt ja alles. Einmütigkeit besteht, dass der Zugang zu den Akten in keiner Weise verschlechtert werden darf", sagt der Theologe Richard Schröder, der in der Kommission sitzt.
Wie er plädieren auch andere Sozialdemokraten für eine Schließung der Behörde nach 2019. Die Akten könnten in das Bundesarchiv in Koblenz überführt werden. Und was die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit angeht, gebe es schon jetzt andere Institutionen, die sich parallel damit beschäftigten, wie die Bundesstiftung Aufarbeitung und die Zentralen für politische Bildung:
"Ende der Aufarbeitung halte ich für Unsinn, kann man gar nicht verordnen. Was anderes ist das mit der Frage, wie lange wird überprüft. Diese Frage erledigt sich allmählich von selber, denn wer 1989 25 Jahre alt war, der wird 2019 56 Jahre alt sein, und da wird niemand mehr verbeamtet in dem Alter."
"Da steckt immer auch menschliches Schicksal dahinter"
Anders sehen das die Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft. Sie plädieren für den Erhalt der die Stasi-Unterlagenbehörde über 2019 hinaus. Auch deren Vorsitzender Rainer Wagner sitzt in der Expertenkommission, ebenso wie Wolfgang Thierse, die Historiker Martin Sabrow oder Horst Möller, der frühere Direktor des Instituts für Zeitgeschichte. Zum Vorsitzenden wurde heute der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, CDU, gewählt. Der hatte schon im Vorfeld erklärt, dass er die Aufarbeitung der DDR-Diktatur noch nicht für beendet hält. Doch müsse auch über die Kosten der Stasi-Unterlagenbehörde nachgedacht werden – immerhin 100 Millionen Euro im Jahr. Der Leiter der Behörde, Roland Jahn, ist nicht Mitglied der Kommission. Er sei aber für das Ergebnis offen, erklärte er heute. Dass die Stasi-Akten nach 2019 im Bundesarchiv in Koblenz verschwinden sollen, hält er jedoch für verkehrt:
"Es ist wichtig, dass diese Stasi-Akten nicht nur dafür genutzt werden, dass wir hineinschauen, sondern sie sind auch ein Mahnmal, ein Mahnmal gegen Überwachung. Wir merken das ja ganz konkret, wenn die Besucher zu uns kommen, die Archivführungen, gerade auch mit jungen Menschen. Das sind authentische Gegenstände, diese Akten. Da steckt immer auch menschliches Schicksal dahinter und das kann man so am besten verdeutlichen, wenn sie an den Orten sind, an denen sie entstanden sind: in den ehemaligen Gebäuden der Staatssicherheit."
Die erste Sitzung sei harmonisch und konstruktiv verlaufen, erklärte ein Mitglied der Kommission. Im Januar sei eine Begehung der Stasi-Unterlagenbehörde geplant. Bis zum Frühjahr 2015 soll die Kommission ihre Empfehlung vorlegen, dann wird der Bundestag entscheiden.